Die Sorge in der Kunstwelt ist nach Abwendung der Kickl-Katastrophe geringer geworden, aber nicht geschwunden: Was verbindet Babler mit der Kunst? Das Schlimmste wäre ein Dilettant, der durch die heimische Königsdisziplin stampft.
Schon empfange ich kaum verhaltene Unmutsbekundungen meiner Klientel diesseits und jenseits der Rampe: Demonstrativ – anders könne man das Vorgefallene nicht deuten – habe der Vizekanzler das Kunstressort in sein eigenes Portfolio verräumt, innerhalb dessen man ihm am ehesten Wohnkompetenz zubilligen müsse. Weil er ja ordnungsgemäß gemeldet, folglich auch irgendwo wohnhaft sei. Auch seine eventuell zuständige Staatssekretärin werde in Fachkreisen eher für Wirtschaftsexpertise geschätzt.
Man müsse nun, sagt mir ein namhafter, besonders aufgebrachter Autor, versuchen, die neue Macht nicht zu reizen, sie aber gleichzeitig misstrauisch im Auge behalten, um notfalls sofort gegen sie vorgehen zu können.
Vertrauen ist gut
Vor dieser Sicht muss ich warnen: Die Kunst ist nicht Selenskyj und Babler nicht Trump. Von Putin gar nicht zu reden. Vor diesem Kumpel hat uns vielmehr Babler mitsamt der nun amtierenden Regierung bewahrt. Wir müssen den Blick nur in die blaue Steiermark richten, um zu wissen, was uns geblüht hätte: Dort wurde das Kulturprogramm schon auf dem Bunsenbrenner gekocht. Jetzt wird gegessen, und der Sudel glüht noch ein paar Grad heißer hinunter. Die freie Szene – das sind die Unberechenbaren, Widerständigen – ist finanziell guillotiniert.
Und damit ihr nicht versehentlich etwas bleibt, wurden 13 der 15 vergabebefugten Kulturkuratoren entlassen, als habe eine salzstreuergroße Trump-Reproduktion das Kommando geführt. Vizevorstand des umbesetzten Gremiums ist jetzt der Marketingleiter eines vom Dokumentationsarchiv des Widerstands als rechtsextrem erkannten Verlagskonstrukts. Die Neuerscheinungen „Jörg Haider – Visionär und politischer Rebell: Spuren eines Systembrechers“ und „Mario Kunasek – Ein Leben für die Steiermark“ sind dabei eher der linksradikalen Programmschiene zuzuordnen. Zur Sache geht es anderswo: Laut IG Autoren publizieren im Verlag u. a. „österreichische Identitäre und rassische Eugeniker“.
Was erwarten wir von Babler?
Das heißt allerdings nicht, dass sich das kunstaffine Wählerrestsegment jetzt aufatmend in die Arme des Großtraiskirchners sinken lassen soll.
Kogler, in Kunstbelangen überschaubar bewandert, hat eine ausschließlich fachzuständige Staatssekretärin bemüht. Die Dilettantin Ulrike Lunacek wurde gleich von der eigenen Klientel aus dem Amt geweht. Kogler hat daraus gelernt und bei der SPÖ die kundige Spitzenbeamtin Andrea Mayer entlehnt. Die wäre jetzt mit Zinseszinsen rückholbar gewesen. Und auch von Alexander Wrabetz oder Peter Hanke im Finanzressort hätte ich mir etwas erwartet. Denn zwar stehen im Kulturkapitel erfreuliche Absichten, etwa die Valorisierung des Bundestheaterbudgets.
In der Steiermark sieht man, was uns mit Kickl geblüht hätte. Aber auch Babler ist zu beobachten
Vermummt in der Oper?
Aber wie alles, was nicht Sparmaßnahme ist, stehen diese Willensbekundungen unter der Drohung des Konjunktivs. Da hätte man sich von Wrabetz und Hanke, dem die Vereinigten Bühnen Wien unterstanden, ein budgetäres Lächeln Richtung Kultur erhofft. Auch eine Abfederung der Budgetkatastrophe, die dem ORF droht, weil die unmaßgebliche Gebühr, von der sich jeder Bedürftige befreien lassen kann, grundlos bis 2029 nicht valorisiert werden darf.
Nun kann man nur hoffen: dass Marterbauer, der mir gesellschaftspolitisch sehr nahe ist, von seinen Sorgen um die werktätige Klasse bevorzugt in der Oper ausspannt. Dass sich dort auch Babler seit Jahr und Tag vermummt aufhält. Und dass auch die Staatsekretärin weiß, was selbst blickverengten Touristikern kommunizierbar sein müsste: wieviel für das anderweitig ressourcenarme Land vom Gedeihen der Kunst abhängt. In Michaela Schmidt setze ich ehrliche Hoffnungen.
Denn der größte anzunehmende Unglücksfall wäre der Zugriff Argloser auf die Kunst. Was habe ich vor einem Jahr den Berliner Kultursenator Chialo (CDU) herbeigewünscht! Der Quereingrätscher aus dem Pop-Segment, ein cooler Typ, hatte soeben Kulturförderung vom klaren Bekenntnis gegen Antisemitismus abhängig gemacht (ein Elend, dass das in Zeiten linker, mit arabischen Importnazis aufgefüller Reichskulturkammern nicht gehalten hat). Und er hatte Christian Thielemann zum Musikchef der Berliner Staatsoper bestellt – undenkbar infolge konservativer Gesinnung und autoritärer Umgangsformen für den patscherten linken Ressortvorgänger. Mit Petrenko bei den Philharmonikern und Thielemann ist Berlin jetzt Welthauptstadt der klassischen Musik.
Chialo, Ärgernis des Jahres
Aber Chialo wurde von einer Fachjury soeben zum Weltärgernis des Jahres im Bereich Klassik gewählt. Warum? Das Berliner Kulturbudget wurde um 30 Prozent gekürzt, noch schlimmer als die anderen Ressorts. Bühnen stehen vor der Schließung, und Chialo sagt nichts. Das qualifiziert ihn, wie ich lese, zur Zukunftshoffnung der CDU.
Vermutlich ist er ein ehrlicher Gegner des wieder grassierenden Judenhasses. Aber mit Kunstverstand hat das nichts zu tun, und Thielemann war wohl ein Zufall. Ohnehin könnte der Ressortinhaber wohl eine Bruckner-Symphonie unter Thielemann nicht von den Mühewaltungen einer nonbinären ukrainisch-palästinensischen Freizeitkapellmeisterin unterscheiden, die derzeit diversitätstechnisches Idealformat verkörpern würde.
Ein Kulturpolitiker muss Kunst a) verstehen und b) lieben. Vor allen anderen Zukunftshoffnungen bewahre uns der Herr.
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