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Politik - So denken wir

©Westend61/ Gary Waters/ Getty Images
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Die Stimmung in Österreich ist zu Beginn des Superwahljahres auf einem Tiefpunkt. 70 Prozent der Wählerinnen und Wähler meinen, das Land entwickle sich in die falsche Richtung, zeigt eine aktuelle News/Triple M-Umfrage. Was daraus folgt? Der Wahlsieg der FPÖ.

Er oder ich. Kurz zusammengefasst ist das die Botschaft, die ÖVP-Chef Karl Nehammer bei seiner groß inszenierten Rede in Wels letzte Woche seinen Parteifunktionären mitgeben wollte. Er, das ist Herbert Kickl, vom schwarzen Parteichef nie beim Namen genannter und ein bisserl ins Lord-Voldemort-Eck gerückter FPÖ-Parteichef. Nehammers Strategen versprechen sich davon mehr als nur ein verbales Geplänkel. Die ÖVP will es schaffen, im inoffiziell längst eröffneten Nationalratswahlkampf ein Kanzlerrennen zu inszenieren, in dem Nehammer und Kickl die Hautrollen spielen und SPÖ-Chef Andreas Babler gar nicht erst vorkommen soll.

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Die Zahlen erzählen allerdings eine andere Geschichte. Meinungsforscherin Christina Matzka (Triple M) hat für News eine Umfrage zur spätestens Ende September stattfindenden Nationalratswahl und zur Stimmung im Land durchgeführt (800 Befragte). Das Ergebnis muss die ÖVP, aber auch die zweite Regierungspartei, die Grünen, alarmieren.

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Gleich vorweg eine markante Zahl, die alle heuer im Kalender stehenden Wahlen prägen wird: 70 Prozent aller Befragten sagen, dass sich Österreich derzeit eindeutig oder eher in die falsche Richtung entwickelt. Nur 20 Prozent meinen, die Entwicklung sei sehr oder eher positiv. Christina Matzka spricht von einem "wirklich heftigen" Stimmungsbild, das vor allem die Unzufriedenheit mit der derzeitigen Regierung und ihrem Umgang mit den Krisen der letzten Jahre - von Corona bis zur Inflation - widerspiegelt. Besonders ausgeprägt ist das negative Urteil bei jenen Menschen, die angeben, bei der kommenden Nationalratswahl die FPÖ wählen zu wollen und jenen, die ein so negatives Bild der Demokratie haben, dass sie wohl gar nicht wählen werden.

85 Prozent jener Menschen, die die FPÖ wählen wollen, werden auch sicher zur Wahl gehen. Das liegt über der Durchschnittswahlbeteiligung von 73 Prozent.

Dass Anhänger der Oppositionsparteien ein negatives Bild der Lage haben, mag noch erwartbar sein. Allerdings: Auch bei jenen Menschen, die bei der kommenden Wahl die Grünen wählen wollen, sagen 51 Prozent, es gehe "eher in die falsche Richtung". Nur bei der ÖVP-Anhängerschaft überwiegt, wenn auch nur knapp, die positive Sicht auf das Wirken ihrer Partei. Genau die Hälfte der deklarierten Wählerinnen und Wähler sagt, das Land entwickelt sich sehr oder eher in die richtige Richtung, immerhin 37 Prozent sind gegenteiliger Meinung. Matzka zieht aus den Zahlen folgenden Schluss: "Der Pessimismus und die Meinung, dass es in Österreich falsch läuft, greifen in allen Bevölkerungs-und Altersgruppen stark um sich und sind in Gesellschaftsschichten angekommen, die aufgrund von Bildung und Einkommen normalerweise positiver gestimmt sind."

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Alles spricht für die FPÖ

Auf die Frage, für welche Parteien die Stimmung zurzeit günstig ist, nennen 66 Prozent die FPÖ, nur 21 Prozent glauben, "die Stimmung ist ungünstig". Nur die Neos schaffen hier mit plus sechs ebenfalls einen positiven Saldo aus den beiden Werten (15 zu 9), wenn auch auf niedrigem Niveau. Die ÖVP liegt mit einem Gesamtergebnis von minus 28 eindeutig im negativen Bereich (18 Prozent günstig, 46 ungünstig), noch schlimmer ist die Lage der Grünen: Nur sechs Prozent sagen, für sie sei die Lage günstig, 45 sie sei ungünstig. Sie zahlen den Preis für ihre Regierungsbeteiligung. "Die Regierung wird abgestraft", sagt Matzka, aber "sogar Erreichtes wird eher der ÖVP zugerechnet als den Grünen." Auch die eigenen Wählerinnen und Wähler finden die Lage der Ökopartei ungünstig. Ganz anders das Bild der FPÖ: Nahezu alle ihrer Anhänger meinen, für die Blauen sei die Stimmung bestens.

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Nummer eins am Wahltag

Wäre schon kommenden Sonntag Nationalratswahl, würden die Blauen hochgerechnet 31 Prozent der Stimmen erreichen, sie liegen auch in den Rohdaten der Umfrage mit sehr großem Abstand vorne. SPÖ und ÖVP sind mit 23 bzw. 20 Prozent deutlich abgeschlagen, die Neos und Grüne würden zehn bzw. neun Prozent erreichen. Die KPÖ plus, die 2023 bei der Landtagswahl in Salzburg stark abgeschnitten hat und sich auch für die Wahl in der Stadt Salzburg heuer viel erwartet, würde den Einzug in den Nationalrat Stand Jänner eher nicht schaffen. Auch die Bierpartei, von der noch nicht endgültig klar ist, ob sie antreten wird und die bei dieser Umfrage noch nicht abgefragt wurde, dürfte wohl rund um die Vier-Prozent-Schwelle, ab der man im Nationalrat vertreten ist, liegen, glaubt Matzka.

FPÖ-Chef Herbert Kickl führt auch in der Kanzlerfrage. Matzka sieht einen "verfestigten" Zuspruch für die FPÖ, der auch ein noch höheres Wahlergebnis ergeben könnte. Auf Nachfragen zeigt sich nämlich, dass die Entschlossenheit, zur Wahl zu gehen, bei den FPÖ-Anhängern besonders groß ist, ebenso sind sich diese in ihrer Wahlentscheidung schon sehr sicher. 65 Prozent der FPÖ-Wähler bejahen das. Noch ein Signal, dass ein Kanzlerduell für Karl Nehammer aussichtslos ist: 30 Prozent jener Wählerinnen und Wähler, die jetzt FPÖ wählen wollen, haben 2019 noch die ÖVP gewählt. "Die Kanzlerpartei rinnt in alle Richtungen aus, am stärksten zur FPÖ. Sie schafft es aber überhaupt nicht, Wählerinnen und Wähler von anderen Parteien zu holen", erklärt Matzka.

Bei jenen Menschen, die heute angeben, die Grünen wählen zu wollen, ist die Entschlossenheit, das bei der Wahl auch wirklich zu tun, derzeit am geringsten. Nur 40 Prozent sagen, sie seien in ihrer Entscheidung für Kogler und Co. sehr sicher.

Hier zeigt sich wieder einmal, dass deren Anhänger dazu neigen, taktisch zu wählen. Schafft es Andreas Babler, als Kanzleralternative wahrgenommen zu werden, kann er Wähler von den Grünen holen. Schon jetzt zeigt sich, dass 14 Prozent der heutigen SPÖ-Wähler bei der letzten Nationalratswahl noch die Grünen gewählt haben.

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Gut fürs Land, gut für die Partei?

News und Triple M wollten zudem von den Österreicherinnen und Österreichern wissen, welche Politikerinnen und Politiker mit ihrer Arbeit für die Menschen im Land richtig oder falsch handeln. Und, weil das nicht deckungsgleich sein kann und muss, wer für seine Partei das Richtige gut. Hier zeigt sich der größte Unterschied in der Wahrnehmung bei FPÖ-Chef Herbert Kickl. 24 Prozent der Befragten (also gar nicht alle potenziellen FPÖ-Wähler) meinen, der blaue Frontman handle richtig für das Land, aber 46 Prozent sagen, Kickl mache alles richtig für den Erfolg seiner Partei. Einen ähnlichen Gap, wenn auch auf niedrigerem Niveau gibt es bei Neos-Chefin Beate Meinl-Reisinger: 16 Prozent sagen, sie handle richtig für das Land, 24 Prozent richtig für ihre Partei.

Die schlechtesten Werte hat hier Grünen-Chef Werner Kogler: Nur zehn Prozent meinen, was der Vizekanzler macht, sei gut für das Land, 17 Prozent glauben, es nützt wenigstens seiner Partei. Was ihm und den Grünen allerdings zu denken geben sollte: Justizministerin Alma Zadic kommt in der Frage "Handelt diese Politikerin für die Menschen im Land richtig oder falsch?" wesentlich besser weg als ihr Parteichef. 19 Prozent aller Befragten sagen, sie mache es richtig. Damit liegt sie besser als Bundeskanzler Nehammer, SPÖ-Chef Babler, Kogler und Meinl-Reisinger und ist am nächsten an Herbert Kickl dran. Von den Grün-Wählerinnen und -Wählern sind sogar 59 Prozent mit der Arbeit der Justizministerin überaus zufrieden. Und sogar bei den ÖVP-Anhängern ist sie trotz aller Seitenhiebe aus den Reihen der Schwarzen beliebt: Mit 17 Prozent Zustimmung hat sie bei dieser Wählergruppe die größte Zustimmung aller nicht-schwarzen Politiker.

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"Die Grünen würden mit ihr bei der Nationalratswahl besser abschneiden", ist Christina Matzka daher überzeugt. Der Bundeskongress der Grünen, bei dem die Entscheidung über Platz eins auf der Wahlliste fallen soll, ist für Juni -nach der EU-Wahl -angesetzt. Parteichef Werner Kogler hat zuletzt allerdings mehrfach betont, wieder als Spitzenkandidat ins Rennen gehen zu wollen.

Was ebenfalls auffällt: Auf die Frage "Handelt dieser Politiker Ihrer Meinung nach für den Erfolg seiner Partei richtig oder falsch?" sagen nur 54 Prozent der deklarierten SPÖ-Wählerinnen und Wähler, dass Andreas Babler das Beste für die Sozialdemokraten herausholt. "Das zeigt, dass der Konflikt innerhalb der SPÖ noch nicht befriedet ist", sagt Politikexpertin Christina Matzka dazu. 40 Prozent der SPÖ-Anhängerinnen und -Anhänger sind unentschieden und warten wohl die Ergebnisse der nächsten Wahlen ab, ehe sie über die Performance des Neuen entscheiden.

Neos-Chefin Beate Meinl-Reisinger, die sich zuletzt mit den Rückkehr-Amibitionen der pinken Alpha-Männer Sepp Schellhorn und Matthias Strolz konfrontiert sah, ist hingegen bei ihrer Wählerschaft unbestritten: 72 Prozent der Neos-Wählerinnen und -Wähler sagen, sie mache alles richtig für ihre Partei. Keiner der deklarierten pinken Wähler im abgefragten Sample ist gegenteiliger Meinung.

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Zwei Medienphänomene

Für zwei Männer mit möglichen Ambitionen bei der kommenden Nationalratswahl gibt es hier allerdings einen Dämpfer: Dominik Wlazny will mit seiner Bierpartei ins Rennen gehen will, so er vorab 20.000 Mitglieder oder 1,2 Millionen Euro an Spendengeldern erlangt, gab er im Jänner bekannt. Er kommt in der News/Triple M-Umfrage zwar auf ein ausgewogenes Verhältnis, wenn es darum geht, ob er richtig oder falsch für die Menschen agiert. Aber: 31 Prozent der Befragten kennen ihn nicht einmal, 15 Prozent wollen sein Tun nicht einschätzen. Er ist bisher ein Medien-und X (vormals Twitter)-Phänomen.

Ähnliches gilt für Othmar Karas, der letztes Jahr unter großer medialer Anteilnahme sein Nicht-mehr-Antreten für die ÖVP bei den EU-Wahlen verkündete und harsche Kritik an seiner Partei übte. Auch auf oftmaliges Nachfragen ließ er bisher offen, ob und wie er sich bei den Nationalratswahlen engagieren möchte. Auch bei ihm wird es wohl von der Anhängerschaft bzw. attraktiven Mitstreitern auf einer Wahlliste und finanziellen Mitteln für den Wahlkampf abhängen, ob er ins Rennen geht. Was ihm zu denken geben muss: Obwohl er schon seit Jahrzehnten in der Politik ist, bei EU-Wahlen erfolgreich Vorzugsstimmen sammelte und das prestigeträchtige Amt des Ersten Vizepräsidenten des Europaparlaments bekleidet, kennen ihn 26 Prozent der Befragten nicht. 25 Prozent sind der Meinung, er mache alles falsch. Sympathien hat er am ehesten bei deklarierten Grün-Wählerinnen und -Wählern.

Geh, bitte, doch nicht die!

Erstmals bei einer Umfrage wurde die Frage gestellt, von der Wahl welcher Partei die Befragten Bekannten bei der nächsten Nationalratswahl definitiv abraten würden: Das schlechteste Ergebnis gibt es dabei für die FPÖ und die Grünen. 41 Prozent würden im Bekanntenkreis von der Wahl der Blauen abraten, 39 Prozent von den Grünen. Anders sieht es bei SPÖ und Neos aus. Nur 23 bzw. 25 Prozent würden von der Wahl einer dieser Parteien abraten, 53 bzw. 52 würden das nicht explizit tun. Der Rest auf 100 Prozent ist "indifferent".

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"Auf dem Tiefpunkt"

Fazit Matzkas: "Das Vertrauen in die Regierung und in die Politik im Allgemeinen ist auf einem Tiefpunkt. Die Regierungsparteien ÖVP und Grüne haben vier von zehn ihrer Wählerinnen und Wähler der Nationalratswahl 2019 verloren. Profiteure dieser Entwicklung sind Parteien, die vermeintlich einfache Lösungen anbieten, besonders also die FPÖ. Die SPÖ schafft es nicht, von diesem Politfrust zu profitieren, während die Neos auf niedrigem Niveau zulegen."

Einiges wird davon abhängen, auf welchen Wahltermin sich die Regierungsparteien verständigen. Vor allem die ÖVP-Landeshauptleute hatten zuletzt wochenlang nichts Besseres zu tun, als die Grundsatzrede ihres Parteichefs Karl Nehammer mit Spekulationen über ein Vorziehen der Nationalratswahl auf Mai oder Juni zu übertönen. Letztlich geht es dabei nur um die Frage, wann die ÖVP sich die zu erwartende Niederlage tatsächlich abholen will. Zudem ist noch offen, wie viele Parteien bei der Nationalratswahl dann tatsächlich auf dem Wahlzettel stehen werden.

Fix ausgegangen kann von einem werden: Das Wahlkampfjahr verspricht schmutzig zu werden. Dass das die Simmung im Land nicht verbessern wird, weiß man schon vor der nächsten Umfrage.

Dieser Beitrag erschien ursprünglich in der News-Printausgabe Nr. 5/2024.

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