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In der aus dem 19. Jahrhundert stammenden steirischen Landeshymne werden auch Gebiete besungen, die seit mehr als einem Jahrhundert zum südlichen Nachbarland Österreichs zählen. Nach dem Willen der von Kunasek angeführten FPÖ-ÖVP-Landesregierung soll der Liedtext nun in die Landesverfassung geschrieben werden. "Ich hoffe, dass sie das nicht ernst meinen", sagte Pirc Musar dazu. "Die territoriale Integrität und Souveränität der Staaten ist das A und O der internationalen Beziehungen", betonte die studierte Juristin.
"Ich hoffe aufrichtig, dass der steirische Landeshauptmann das nicht umsetzen wird. Das wird in Slowenien sicher nicht gut aufgenommen werden", warnte Pirc Musar. Mit einem solchen Schritt würde sich Kunasek an die Seite Ungarns stellen, das Landkarten seiner verflossenen Grenzen "umherschwenkt".
Pirc Musar sprach sich auch für eine energische Reaktion der EU auf die Grönland-Ansprüche Trumps aus. Wie im Fall der Steiermark sei nämlich auch dort klar, "wo die Grenzen verlaufen". "Wenn das fällt, wie schon in der Ukraine, kann sich der Dominoeffekt schnell ausbreiten. Es stehen nämlich schon viele Populisten in der Reihe und warten nur darauf. Wenn dem ersten nichts passiert, wird auch dem zweiten, dritten und vierten nichts passieren", warnte die liberale Politikerin.
"Europa muss den Willen finden, sich (Trump) entgegenzustellen, auch wenn es um unseren Bündnispartner geht", so Pirc Musar. Sie sprach in diesem Zusammenhang auch von einer "kollektiven Verteidigung", die "eine sehr starke abschreckende Wirkung" habe. Weder Grönland noch Dänemark könnten die Insel selbst verteidigen, sagte sie auf die Frage nach einer EU-Militärpräsenz, wie sie jüngst vom Vorsitzenden des EU-Militärausschusses (EUMC), Robert Brieger, ins Spiel gebracht worden sei.
"Mit Sorge, das muss ich offen gestehen", schaut Pirc Musar auf die entstehende FPÖ-ÖVP-Regierung. "Bei Österreich sind wir verständlicherweise etwas sensibler, weil es um unser Nachbarland geht." Die slowenische Präsidentin baut diesbezüglich auf ihren Amtskollegen Alexander Van der Bellen, mit dem sie sehr ähnliche Ansichten habe. Zwar seien die Kompetenzen von Staatsoberhäuptern in parlamentarischen Demokratien begrenzt, "doch sind es gerade wir Präsidenten, die den Regierungsparteien reinen Wein einschenken und ihnen sagen müssen, wenn sie vom Weg abgekommen sind".
Auf die Frage, ob sie die FPÖ als rechtsextreme Partei einstufe, verwies Pirc Musar auf den früheren Kärntner Landeshauptmann Jörg Haider (FPÖ): "Die Vergangenheit dieser Partei ist schon so." Haider habe Aussagen getätigt, die in Slowenien nicht auf Wohlwollen gestoßen seien. Doch habe sie jüngst aus FPÖ-Reihen auch positivere Aussagen zu Slowenien gehört. Daher hoffe sie, dass sich die FPÖ der "Politik des 21. Jahrhunderts" verpflichten werde. "Das wäre meine Vision."
Pirc Musar forderte auch größere Anstrengungen zum Schutz der slowenischen Volksgruppe in Österreich, etwa im Bildungsbereich. "Wir wünschen uns, dass die slowenische Minderheit nicht nur um ihren Bestand zittern wird, sondern ein Leben in vollen Zügen mit eigener Kultur, Sprache und Bildung genießen kann." Auf die Frage, ob Slowenien im Fall von Verschlechterungen seine Rechtsnachfolge im österreichischen Staatsvertrag notifizieren könnte, sagte die Präsidentin: "Das ist etwas, woran wir immer denken." Allerdings wolle Ljubljana die Schritte der neuen Regierung abwarten.
Als liberale Insel sei Slowenien "von rechten Regierungen umringt", sagte Pirc Musar mit Blick auf Italien, Ungarn, Kroatien und Österreich. Doch gebe es auch in Slowenien eine populistische Partei, "deren Diskurs ähnlich ist wie jener der Freiheitlichen, der AfD, Trump oder Orban", sagte sie mit Blick auf die Demokratische Partei (SDS) von Ex-Premier Janez Janša. "Ich kann nicht sagen, dass ich nicht besorgt wäre", sagte sie mit Blick auf die slowenische Parlamentswahl im nächsten Jahr.
Als entscheidend für den Bestand der Demokratie wertete die frühere Informationsfreiheitsbeauftragte die Autonomie der gesellschaftlichen Teilsysteme wie Justiz, Polizei oder Medien. "Damit steht und fällt die Demokratie", betonte sie. Populisten in verschiedenen Ländern würden die Justiz nur loben, wenn sie von ihr Unterstützung erfahren. "Wenn sie sich aber für den Rechtsstaat einsetzen, werden Justiz und Polizei gerüffelt. Auch bei den Medien ist es so", sagte die frühere Journalistin. Sie hoffe aber, dass die EU-Staaten bald erkennen werden, "wie gefährlich der Populismus ist, wie gefährlich es ist, wenn der Geist aus der Flasche ist und man ihn nicht mehr einfangen kann".
Besorgt äußerte sich die slowenische Präsidentin auch über die sich abzeichnenden amerikanisch-russischen Verhandlungen über den Krieg in der Ukraine. Das wäre ein "sehr falscher Schritt", kritisierte sie. Am Anfang der Verhandlungen müsse die territoriale Integrität der Ukraine stehen, und es dürfe keinen Druck auf Kiew geben. Zudem brauche es eine langfristige Lösung. "Ein eingefrorener Konflikt wird nichts Gutes für die Zukunft bringen."
"Erschüttert" zeigte sich Pirc Musar über die jüngsten Aussagen Trumps zu einer Entvölkerung des Gazastreifens. "Man kann ein Volk nicht von seinem Land auslöschen. Man kann und darf das nicht", sagte sie. Die Präsidentin kritisierte die israelische Siedlungspolitik und verteidigte die Anerkennung Palästinas durch die Regierung in Ljubljana. "Der Standpunkt Sloweniens war immer: Wie kann man für die Zwei-Staaten-Lösung eintreten, wenn man einen dieser beiden Staaten nicht anerkennt."
Pirc Musar sprach sich dafür aus, dass die EU-Staaten die Ukraine bei ihren Beitrittsambitionen "maximal" unterstützen. Allerdings dürfe man dabei nicht auf die anderen Beitrittswerber vergessen, sagte die Landsfrau der neuen EU-Erweiterungskommissarin Marta Kos. Sie hoffe bis 2029 auf erste Erweiterungsschritte, so Pirc Musar, die konkret Albanien und Montenegro nannte. Doch sollten sich diesbezüglich auch die EU-Staaten "in den Spiegel schauen und fragen, ob wir genug getan haben, damit diese Staaten in unsere Familie kommen". Einige Beitrittswerber müssten zudem klar sagen, ob sie wirklich in die EU wollen, sagte sie in Anspielung auf das autoritäre Regime in Serbien.
Die frühere Journalistin und Anwältin hatte im Dezember 2022 die slowenische Präsidentenwahl als unabhängige Kandidatin gewonnen. Gemeinsam mit Bundespräsident Alexander Van der Bellen eröffnet sie am Mittwochabend im Unteren Belvedere die Ausstellung "Die Welt in Farben" über die slowenische Malerei zwischen 1848 und 1918. Zu Wien hat die Politikerin einen besonderen Bezug, machte sie doch am Juridicum ihren Doktortitel.
(Das Gespräch führte Stefan Vospernik/APA)