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Serbiens Regierungschef Vučević tritt zurück

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Massenproteste und Gewalt führten zum Rücktritt
©APA/APA/AFP/ANDREJ ISAKOVIC
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Serbiens Regierungschef Miloš Vučević ist am Dienstag zurückgetreten. Er ist damit der ranghöchste Politiker, der sein Amt niederlegt, seit Massenproteste das Land erfasst haben. In der Hauptstadt Belgrad finden seit November täglich Demonstrationen gegen die Regierung statt. Auslöser war der Einsturz eines Daches in einem Bahnhof in der zweitgrößten serbischen Stadt Novi Sad, bei dem 15 Menschen ums Leben kamen.

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Tausende Demonstranten, darunter Studenten, Lehrer und andere Arbeitnehmer, machen Korruption in der Regierung des populistischen Präsidenten Aleksandar Vučić für die Katastrophe verantwortlich. Ein Regierungsvertreter lehnte eine Stellungnahme am Dienstag zunächst ab.

Vučević erklärte seinen Rücktritt bei einer Pressekonferenz mit den jüngsten Geschehnissen in Novi Sad. Mehrere Studenten, die Aufkleber anbrachten, waren vergangene Nacht von einer Truppe verprügelt worden. Die mit Baseballschlägern ausgerüsteten Männer waren aus den im Stadtzentrum gelegenen Büroräumen der regierenden Serbischen Fortschrittspartei (SNS) gekommen. Eine Medizinstudentin wurde mit einem Kieferbruch und anderen Verletzungen ins Krankenhaus eingeliefert. Vučević meinte auch, dass die seit Wochen anhaltende Protestwelle in Serbien "zweifelsohne im Ausland ausgedacht" worden sei, um Serbien zu schwächen.

Vučević steht seit April des Vorjahres an der Regierungsspitze. Er ist seit 2023 offiziell auch Vorsitzender der regierenden Serbischen Fortschrittspartei (SNS), wenngleich Präsident Vučić nach wie vor das Sagen dort hat. Vučić hatte von Vučević am Montag eine Regierungsumbildung gefordert. Die Hälfte der Ministerposten sollte demnach neu besetzt werden, hieß es.

Vučević war zwischen 2012 und 2022 außerdem Bürgermeister von Novi Sad, als die Renovierungsarbeiten am Bahnhof bereits liefen. Deshalb wird er in der Öffentlichkeit auch als ein Mitverantwortlicher für den Unfall vom 1. November gesehen. Sowohl die Opposition als auch Studenten, welche die Universität von Novi Sad blockieren, hatten seinen Rücktritt verlangt. Anderswo im Land forderten Studenten die Veröffentlichung der gesamten Dokumentation zu den Renovierungsarbeiten.

Erst am Montag erhöhten die Demonstranten mit einer 24-stündigen Blockade einer der wichtigsten Verkehrsknotenpunkte im Belgrader Stadtzentrum, Autokomanda, den Druck auf die Regierung. Auf einem Regierungsportal tauchten am gleichen Tag bisher nicht veröffentlichte Unterlagen zu den Renovierungsarbeiten am Bahnhofsvordach auf. Zum ersten Mal ist darin auch der Name einer serbischen Firma zu lesen, die, wie es aussieht, bisher nicht mit der bereits erhobenen Anklage gegen 13 mutmaßlich für den Unfall verantwortliche Personen erfasst wurde. Nun ließ das für die Anklage zuständige Gericht in Novi Sad aber wissen, dass diese womöglich erweitert werde.

Ein Belgrader Geologe, der zeitweise für die Baukontrolle bei den Renovierungsarbeiten in Novi Sad zuständig war, hatte gefordert, dass das Vordach leichter sein müsste. Stattdessen war es um 20 Tonnen schwerer geworden, sagte der Ingenieur dem TV-Sender N1.

Den Studenten auf der Autokomanda schlossen sich am Montag zahlreiche Bürger an. Unter ihnen waren Familien mit Kindern, etliche aus der Umgebung mit ihren Traktoren angereiste Landwirte, Biker, Taxifahrer und andere Berufsgruppen. Vučić unternahm einen weiteren Versuch, den Protesten ein Ende zu setzen. Dieses Mal versprach er die Begnadigung von 13 Studenten und ihren Professoren, gegen die wegen Gewalt bei Kundgebungen Prozesse geführt wurden.

Derzeit ist es noch nicht klar, ob nun Neuwahlen anstehen. Von der Opposition wird nämlich zuvor die Bildung einer Übergangsregierung gefordert, um einen massiven Betrug wie bei den Parlamentswahlen im Dezember 2023 zu verhindern. Die SNS lehnt dies allerdings entschlossen ab.

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