News Logo
ABO

Ruanda: Geld, Glanz und Gewalt

Subressort
Aktualisiert
Lesezeit
15 min

2024 wurde in Ruanda gewählt.

©LUIS TATO / AFP / picturedesk.com

Ruanda wirbt auf dem Trikot des FC Bayern München – und um Einfluss in der Welt. 31 Jahre nach dem Völkermord will das Land Investoren anziehen, internationale Sportevents ausrichten, Vorzeigestaat werden. Dafür regiert Präsident Paul Kagame mit harter Hand – und großem Plan. Doch was ist Schein, was Fortschritt?

Der Rundruf ergibt ein klares – und vertrautes – Bild. Welche Schlagworte fallen zum Thema Ruanda? Genozid. Kindersoldaten. Berggorillas. Karin Krobath und Hans Stoisser von der afrikanisch-europäischen Initiative NextAfrica kennen diese Schlagworte nur allzu gut. „Es ist genau das Bild, das viele von dem Land haben“, sagt Krobath. Doch welche Begriffe würde sie dagegenhalten? „Frauenwunderland, Zipline, Umuganda und Imihigo.“

Umuganda und Imihigo – bitte, was? „Umuganda ist der Gemeinschaftstag, der einmal im Monat stattfindet, wo alle mitarbeiten. Das heißt: Straßen kehren oder Blumen pflanzen. Man tut etwas für die Community, für das große Ganze. Das hat den Aufbau der letzten 30 Jahre bestimmt. Am Anfang hieß das: Menschen begraben. Trümmer beseitigen. Heute hat sich das verändert“, erklärt Krobath. Und Imihigo? „Imihigo ist in der Tradition der Schwur der Krieger. Wenn man früher in den Krieg gezogen ist, hat man geschworen, für das Land zu kämpfen. Heute übernehmen das Beamte. Zu Beginn ihrer Amtszeit erklären sie öffentlich, was sie erreichen wollen. Daraus wurde ein modernes Management-System – Führen mit Zielen“, erklärt Hans Stoisser. „Das wird ziemlich durchgezogen. Denn ein Jahr später muss man Rechenschaft ablegen.“ Das zeigt sich im Alltag. Kigali, die Hauptstadt, sei gemütlich, sagt Stoisser. Geordnet. Sauber. Spürbar anders. Ruanda ist klein – 14 Millionen Menschen leben auf einer Fläche so groß wie Oberösterreich und die Steiermark zusammen.

Schatten der Vergangenheit

Es ist dieser andere Blick auf Ruanda, den Krobath und Stoisser vermitteln wollen. Ein Land, das in vielen Köpfen noch immer für den Genozid steht – oder wie gerade aktuell mit den Kämpfen im Ostkongo von sich Reden macht. Geschärft wird der Blick bei „Learning Journeys, die Unternehmen und Menschen mit einem unternehmerischen Denkansatz oder einfach nur aus Neugier nach Afrika führen – z. B. vom 12. bis 15. Mai in die Hauptstadt Kigali. Die Reise soll den Teilnehmern neue Märkte erschließen, Einblicke geben, Verständnis fördern. Im Januar 2026 folgt Nairobi. Der Fokus dort: Zahlungsökosysteme und Fachkräftemigration. (Infos und Anmeldung: www.nextafrica.cc)

Doch warum halten sich stereotype Bilder über Afrika so hartnäckig? Eine Erklärung ist die oft eurozentristische Denkweise. Ein eingeengtes Bild. Dazu viele Vorurteile. Bestes Beispiel: der sogenannte „Ruanda-Deal“, den Großbritannien plante, um Geflüchtete nach Afrika abzuschieben. Stoisser hat eine weitere Erklärung: „Man verbindet Afrika immer zuerst mit Armut und Entwicklungshilfe. Gefährlich sowieso. Und im Fall von Ruanda: der Genozid.“

Das Morden dauerte 100 Tage. In Kigali allein wird 250.000 Toten gedacht. Und doch: Der Völkermord wird offen aufgearbeitet. „Man verweist immer auf diesen Tag X vor mittlerweile 31 Jahren“, sagt Stoisser und ist überzeugt: „Diese Verarbeitungskultur kann als gelungen gesehen werden.“ Noch heute finden auf dem Land Vergebungsrituale statt – zwischen Familien, die einander einst ausgelöscht haben.

Blurred image background
 © Jean Bizimana / REUTERS / picturedesk.com
Blurred image background

Drohnen und Verbote

31 Jahre nach dem Genozid gilt Ruanda – das „Land der tausend Hügel“ – als eines der sichersten und fortschrittlichsten Länder Afrikas. Die Hauptstadt Kigali ist eine Musterstadt: saubere Straßen, funktionierende Verwaltung. Wer zu schnell fährt, bekommt das Strafmandat aufs Handy geschickt. Eine zentrale Figur in diesem Wandel ist Präsident Paul Kagame. Identifikationsfigur – und vor allem im Ausland umstritten. „Natürlich ist er autokratisch“, sagt Stoisser. „In der New York Times wird Kagame permanent als Diktator bezeichnet.“ Ob er ein guter Präsident war oder nicht – das werde die Geschichte zeigen.

Krobath und Stoisser lenken den Blick auf das, was gelingt. Ein Beispiel: Zipline. Das US-Unternehmen betreibt in Kooperation mit dem ruandischen Gesundheits- und Justizministerium ein Drohnen-Liefersystem für medizinische Güter. „Statt in mehreren Stunden ist man jetzt mit einer Drohne in 20 Minuten in entlegenen Gebieten. Das hat mit Blutkonserven begonnen. Mittlerweile werden auch Medikamente so ausgeflogen“, sagt Stoisser. Auch politisch zeigt das Land Haltung. Ein Beispiel: Altkleiderimporte. „Ganz Ostafrika wollte die Einführung von alten Kleidungsstücken verbieten. Was tut man auch mit einem Pelzmantel in Kigali?“, erzählt Krobath. Die erste Trump-Administration sah darin ein Problem. Mehr als

600 US-Unternehmen leben schließlich vom Second-Hand-Business. Die Drohung: Strafzölle. Uganda, Kenia und Tansania lenkten ein. Ruanda nicht. Plastiktüten? Seit 2008 verboten. Auch der Besitz ist strafbar – und wird kontrolliert.

Afrikas Zukunftslabor

Ruanda setzt zudem unternehmerisch Maßstäbe. Eine Firma lässt sich in einem Tag gründen. Das Land gilt längst für europäische Start-ups als attraktiver Standort. Der Frauenanteil im Parlament liegt bei 64 Prozent – weltweiter Spitzenwert. Und Ruanda denkt voraus: Als erster afrikanischer Staat hat es eine eigene KI-Strategie verabschiedet. Künstliche Intelligenz soll helfen, Armut, Hunger, Krankheiten und Klimakrise zu bewältigen.

Afrika wächst. Schon 2050 könnte laut UN jede vierte Person weltweit von hier stammen. Ruanda ist bereit, weiter aufzuzeigen. Nicht laut. Aber entschlossen.

Blurred image background
 © Fifa via Getty Images
Blurred image background
 © Dong Jianghui Xinhua / Eyevine / picturedesk.com
Blurred image background
 © Bild: Bloomberg via Getty Images
Blurred image background
 © BEN STANSALL / AFP / picturedesk.com

Dieser Beitrag ist ursprünglich in der News-Printausgabe Nr. 15/25 erschienen.

Über die Autoren

Logo
2048ALMAITVEUNZZNSWI314112341311241241412414124141241TIER