Keine andere Regierung zuvor kaufte so viele Zeitungsinserate wie Türkis-Grün. Kritische Berichte werden nun mit Stornos bestraft. Finanziert das Kabinett Kurz II das Ende der Pressefreiheit mit Steuergeld?
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"Die Vergabe von Inseraten des Bundeskanzleramts erfolgt ausnahmslos nach den objektiven Kriterien Reichweite und Auflage." Bereits im Jänner dieses Jahres stand Bundeskanzler Sebastian Kurz den Wählervertretern im Parlament Rede und Antwort. Vereinfacht gesagt stellte er fest: Je mehr Publikum ein Medium erreicht, desto mehr Platz für Werbung kauft die Regierung dort. Logisch eigentlich.
Die Volksvertreter, genau genommen war es eine Gruppe rund um die Neos-Abgeordnete Henrike Brandstötter, wollten damals wissen, nach welchen Regeln das 2020 auf 47 Millionen Euro angewachsene Volumen sogenannter "Regierungsinserate" an Verlage und Sender verteilt wird. Den Abgeordneten war das wichtig, weil es sich dabei um Steuergeld handelt, das die Regierung nach Gutdünken und im schlechtesten Fall zum eigenen Vorteil an Medien vergibt. Mittel, die der Opposition nicht zur Verfügung stehen. Und Mittel, die wegen der Beschaffenheit des Umfelds, in dem sie vergeben werden, dazu geeignet sind, Wohlverhalten und Korruption zu fördern: auf der einen Seite Politiker, die viel Geld verteilen und nichts weniger mögen als kritische Berichte. Auf der anderen Zeitungen und Zeitschriften, die jeden Auftrag gut gebrauchen können.
Belohnung und Druckmittel
Wenn der Kanzler nun sagt, dass das viele Geld nachvollziehbar und nach den Buchstaben des Gesetzes vergeben wird -erlaubt sind ausschließlich Sachinformationen, Imagewerbung ist verboten -, dann ist der Wahrheitsgehalt zumindest zu hinterfragen. Ein kleines Beispiel: Im vorwöchigen Heft setzte sich News in der Titelgeschichte kritisch mit der Rolle der türkisen Führung innerhalb der ÖVP auseinander. Weil den Kurz-Vertrauten in der berüchtigten "Message Control" das nicht gefiel, teilte man uns mit, dass das Finanzministerium, neben dem Kanzleramt der mit Abstand größte Einkäufer von Inseraten innerhalb der Regierung, in News und allen anderen Titeln der VGN Medien Holding nichts mehr schalten würde.
Sebastian Kurz. Der Bundeskanzler erklärt dem Parlament eine transparente und nachvollziehbare Auftragsvergabe
News und seine Schwestermagazine nehmen diese Entscheidung gelassen zur Kenntnis. Die Titel der Gruppe (News, trend, tv-media, Woman und einige mehr) erreichten im Vorjahr 1,85 Millionen Leser. Diese via Inserate anzusprechen, war der Regierung ganze 599.877,08 Euro wert. Zum Vergleich: Beim Gratisblatt "Heute" (714.000 Leser) buchten Kurz, Blümel und die anderen Minister für 4,8 Millionen Euro. Bei der "Krone"(1,89 Millionen Leser) um 7,432.680,13 Euro. Die Fragen, die sich selbst beantworten, lauten: Ist diese Mittelvergabe tatsächlich objektiv? Dient sie dem legitimen Interesse, Informationen der Behörden gleichmäßig verteilt an die Bevölkerung zu tragen? Folgt sie dabei Reichweiten und Auflagen? Oder nutzt die Regierung Steuergeld auch dafür, um es als manipulativ gegenüber Redaktionen einzusetzen?
"Danke!" für hohe Eurobeträge
Wie Österreichs Bundesregierung und Presse zueinander stehen, das konnten Aufmerksame während des Weihnachts- Lockdowns und rund um den Jahreswechsel von der Couch aus beobachten. Man musste nur die auf einen Zeitraum von mehreren Tagen verteilten Puzzlestücke zu einem Gesamtbild zusammensetzen. Was gab es zu sehen? Zuerst floss viel Geld in Form von Inseraten aus dem Kanzleramt, anschließend gab es mediale Kritik für eine Aktion der Opposition. Folgendes war geschehen: Damals, rund um die Feiertage, kaufte die Regierung vor allem in Tageszeitungen seitenweise Werbeflächen für ihre Covid-Kampagne, brachte damit offiziell, so will es das Gesetz, "Sachinformationen" an die Bevölkerung. Doch die verwendeten Slogans (siehe Beispiele rechts) lassen daran zweifeln. Aus "Danke! Wir wünschen Ihnen frohe Weihnachten" (kurz vorm Heiligen Abend) oder "Immer richtig, jetzt aber doppelt wichtig"(die Titelseiten aller Tageszeitungen zum Jahreswechsel) lassen sich schwer "Handlungsund Verhaltensempfehlungen" - auch das fordert das Gesetz -ableiten. "Also was wollte man damit vermitteln?", erkundigten wir uns im Kanzleramt. Antwort: keine.
Womöglich geht es also bei den Kampagnen gar nicht um Bürgerinformation. Zumindest nicht nur. Kritiker vermuten schon lange, dass sich die Regierung mit ihren zunehmenden Werbeaktivitäten vor allem Einfluss auf die Medien sichern will. Insbesondere auf Tageszeitungen, denn dorthin fließen 85 Prozent aller Schaltungen in Österreichs Presse. Zu ebendiesen Kritikern gehören vor allem Onlinemedien, aber auch die VGN Medien Holding, die unter anderem News herausgibt und im Vergleich schwer unterbewertet ist.
Ein direkter Zusammenhang zwischen Schaltungen und Berichterstattung wird objektiv nie nachzuweisen sein. Dennoch passiert im Umfeld von Kampagnen manchmal Interessantes. Wenige Tage nach der beschriebenen Großbuchung zum Jahreswechsel taten einige der Empfänger nämlich der Regierung einen Gefallen und schrieben fast wortgleich in ihren gedruckten und digitalen Kanälen: "Opposition blockiert Freitesten: Lockdown um eine Woche verlängert." Damit fand die Erzählung des Kabinetts Kurz II genau so den Weg zu den Wählern, wie es deren "Message Controller" um 5.01 Uhr des 4. Jänner 2021 über die Austria Presse Agentur verlautbart hatten: SPÖ, FPÖ und Neos seien schuld daran, dass neun Millionen Menschen eine Woche länger als nötig eingesperrt blieben. Und dies nur, weil sie eine Idee des Bundeskanzlers ablehnten.
Faymann war nur der Anfang
Der wahre und öffentlich viel schwieriger darzustellende Hintergrund, nämlich dass die Nichtregierungsparteien ein Gesetz im Bundesrat blockierten, das der Bundesregierung weitreichende Eingriffsbefugnisse in die Grundrechte aller Bürger genehmigen sollte, blieb im Nachrichtengetöse nahezu unerwähnt.
Die Viruskrise machte nur offenbar, wie nah und geprägt von Abhängigkeiten das Verhältnis zwischen Medien auf der einen und Bundesregierung auf der anderen Seite in Österreich inzwischen ist. Und ja, auch News und die VGN Medien Holding sind ein Teil dieses Geflechts. Über die Jahre ist ein System entstanden, für das der viel kritisierte "Boulevardkanzler" Werner Faymann einst nur den Grundstein legte. Und das die türkis-grüne Koalition in ungeahnte Höhen entwickelte.
Kurz II vor Kurz I und Kern
Drei Millionen Euro im Monat -so viel gab das Kabinett Kurz II 2020 nur für Werbung in Zeitungen und Zeitschriften aus. Niemals zuvor war einer Bundesregierung "Kommunikation" mit der Bevölkerung über den Kanal Print so viel Geld wert ( siehe Titelgrafik). Zu tun hat das einerseits mit der Verbreitung von Sachinformationen zur Covid-19-Pandemie. Aber eben nicht nur. Die Beispiele zeigen, dass sachliche Aufklärung oft überhaupt keine Rolle spielte. Sondern es vielmehr so aussieht, als ob gezielt bestimmte Verlage "gefördert" werden sollen. 37 von insgesamt 47 Millionen Euro gingen an die traditionelle Presse, vorzugsweise Tageszeitungen. Um die restlichen 833.000 Euro pro Monat durften sich TV-und Radiosender sowie einige kleinere Portale streiten. Dort, wo inzwischen der Rest der Welt sein Publikum erreicht, bei den Internetriesen Facebook und Google, schaltete die Regierung 2020 übrigens fast nichts: null Euro bei Google, und 106.131,22 Euro bei Facebook.
Ausgaben der jeweiligen Regierungen für Zeitungsinserate pro Monat in €:
Regierung Kurz II:
3.052.065 € Ausgaben der Regierung Kurz II für Zeitungsinserate pro Monat in Euro
Regierung Kurz I:
1.458.143 € pro Monat gab Türkis-Blau monatlich für Print-Werbung aus. Bis dahin unerreicht
Regierung Kern:
1.290.046 € für Print im Monat: Damit gab Christian Kern mehr aus als "Boulevardkanzler" Faymann
Regierung Faymann:
1.154.002 € investierte das Kabinett von Werner Faymann monatlich in Zeitungsinserate
Regierung Bierlein:
727.746 € pro Monat: Die Expertenregierung arbeitete den Nachlass von Türkis-Blau ab
"Machen, was notwendig ist"
Das ist, will man nur Publikum erreichen und nur informieren, unüblich. Die deutsche Bundesregierung etwa setzt inzwischen auch stark auf Informationen, die via Internet verbreitet werden. Jenseits des Einflusses von Kanzleramt und Ministerien setzen die beiden Onlineriesen laut Daten des Finanzministeriums inzwischen nämlich mehr Werbung um als alle traditionellen Medien im Land zusammen. Der "Standard" hat dazu jüngst eine detaillierte Auswertung veröffentlicht.
Vergleicht man nun die Kabinette der Regierungschefs der vergangenen Jahre, fällt Folgendes auf: Mit jeder Wahl wurde es teurer. Im Vergleich zu heutigen Verhältnissen erscheint der seinerzeit als "Inseraten-" oder "Boulevardkanzler" kritisierte Werner Faymann geradezu bescheiden. Gewissermaßen außer Konkurrenz verlief die Amtszeit der Beamtenregierung unter Bundeskanzlerin Brigitte Bierlein. Die Ex-Verfassungsrichterin und ihre Minister arbeiteten nur noch Verpflichtungen ab, die ihnen die mit dem "Ibiza-Video" vom Parlament abgewählte Regierung Kurz/Strache hinterlassen hatte. Am Ende der Amtszeit lagen die Werbeausgaben der Staatsspitze annähernd bei null. Der damalige Regierungssprecher, Alexander Winterstein, erklärte die Gründe dafür einmal staubtrocken: "Wir machen das, was notwendig ist." Übermäßige Zahlungen an Zeitungsverlage gehörten nicht dazu.
Das Fördern der Beziehungen zwischen Zeitungen und Politik ist in Österreich seit vielen Jahren eine gelebte Tradition. Seit jeher dienen Steuergeldzahlungen aus der Sphäre der Kontrollierten an ihre medialen Kontrollore offenbar ganz bewusst der Pflege guter Beziehungen. Derart offen würden das heutige Amtsträger nie sagen. Dafür tut es so mancher ehemalige. Einer von ihnen durchlief viele Stationen im staatlichen Machtgefüge, war Abgeordneter, Minister, Nationalrats-und schließlich Bundespräsident. Sein Name: Heinz Fischer. Bereits Mitte der 1970er-Jahre stand er als junger Parlamentarier an der Seite von Kanzler Bruno Kreisky, war direkt bei der Einführung der Presseförderung beteiligt. Heute erinnert er sich daran, dass schon damals "die Schaltung von Inseraten nicht nur ökonomische Auswirkungen hatte, sondern auch das ,Klima' in der Beziehung zwischen Politik und Medien günstig beeinflussen sollte".
"Inserate haben ein Gesicht"
Die gleiche Problembeziehung betrachtet Fischers SPÖ-Parteifreund Karl Blecha genauso kritisch, aber aus einem anderen Blickwinkel. Auch er durchlief zahlreiche Stationen in Partei und Staat, war Minister und vertrat bis vor wenigen Jahren die Pensionistenvereinigung der SPÖ als Präsident. Gemeinsam mit Fischer arbeitete Blecha für Bruno Kreisky an der Einführung der Presseförderung. Dass diese -auf gesetzlicher Basis -mit 8,7 Millionen Euro im Jahr nur noch eine kleine Rolle spielt, die Regierung dafür jährlich aber - freihändig -ein Vielfaches für Inserate ausgibt, beurteilt er "sehr, sehr kritisch". Und zwar weil das Abhängigkeiten schaffe. "Die Schaltung eines Inserats", sagt Blecha, "hat ein Gesicht. Wer anschließend mit der Berichterstattung unzufrieden ist, kann in der Redaktion anrufen." Bei Presseförderung, die nach gesetzlichen Grundlagen vergeben wird, funktioniere das nicht. Auf Geld, das unter diesem Titel fließt, besteht ein Rechtsanspruch. Man schulde deshalb einander nichts.
Die Erinnerungen der Altpolitiker, die mit dem Abstand der Jahre offen und differenziert über ihre Erfahrungen aus dem politmedialen Biotop sprechen, beschreiben jedoch nur einen Teil der Methoden zur Einflussnahme auf die Presse. Ein weiterer schlummert gut verborgen in der Medien-Transparenzdatenbank des Bundes.
Seit Juli 2012 müssen Bund, Länder, Gemeinden und andere öffentliche Rechtsträger werbliche Aufträge, die 5.000 Euro pro Titel und Quartal überschreiten, in ebendiese Datenbank melden. Das klingt zunächst gut, weil die Daten über die Kommunikationsbehörde des Landes für alle Bürger frei einsehbar sind. Theoretisch zumindest.
Praktisch haben Regierung und Parlament beim Schaffen der Spielregeln wirksame Hürden eingebaut, um es dem Steuerzahler dann doch nicht zu einfach zu machen. Nämlich erstens: Die Daten werden von Amts wegen alle zwei Jahre gelöscht. Langfristvergleiche wurden damit erschwert. Und zweitens: Für Laien sind sie weder les-noch durchsuch-und sortierbar. Sowohl die Hunderte Seiten starken PDF-Dokumente als auch die Excel-Tabellen mit Zehntausenden Zeilen listen die Namen von Zahlern und Empfängern in unterschiedlichsten Schreibweisen auf. Wie viel und welche Summen -zum Beispiel -über die Jahre von den ÖBB an die Titel der Mediengruppe Österreich/OE24 flossen, ist so selbst für Interessierte kaum durchschaubar. Und eine Art der Datenbekanntgabe, wie sie sonst nur die Europäische Kommission gemeinsam mit der Rüstungsindustrie auf ihren Websites betreibt: formal transparent, praktisch unbrauchbar.
Heinz Fischer. Der Ex-Bundespräsident erinnert sich an die Anfänge der Inseratenpolitik in Österreich unter Bruno Kreisky
Professor schafft Transparenz
Gäbe es da nicht Peter Salhofer aus Graz. In seinem Büro in der Nähe des Hauptbahnhofs hat der Professor der Fachhochschule Joanneum alle bisher gemeldeten Daten gespeichert und in den vergangenen Jahren still und leise daran gearbeitet, die Inseratenpolitik der jeweiligen Bundesregierung wirklich transparent zu machen.
Gemeinsam mit Studenten entwickelte er ein über jeden Webbrowser nutzbares Programm (www.medien-transparenz.at), mit dessen Hilfe nach ein wenig Einarbeitung nachvollziehbar gemacht werden kann, welcher Minister welche Medien besonders "benutzte". Und welche nicht. So wird sichtbar, dass sich Spitzenpolitiker bei der Vergabe von Werbeaufträgen eher selten an Reichweiten (also Publikum) und Auflagen orientieren, sondern einfach willkürlich entscheiden. Und dass diese Methode, Einfluss geltend zu machen, insbesondere seit der Machtübernahme der türkisen ÖVP genutzt wird. Ein gutes Beispiel hierfür ist das Finanzressort. Es ist neben dem Bundeskanzleramt nicht nur der finanzkräftigste Zeitungsinserent der Bundesregierung, sondern seit vielen Jahren in ÖVP-Hand. Deshalb fällt auf, dass der parteiinterne Wechsel von der schwarzen zur türkisen Führungsmannschaft um Sebastian Kurz für den Steuerzahler teuer war.
Schwarze Minister sparsamer
Egal ob Maria Fekter, Michael Spindelegger oder Hans Jörg Schelling: Sie alle gaben monatlich vergleichsweise bescheidende 100.000 Euro für Inserate in Zeitungen aus. Und dann kamen Hartwig Löger (bis Mitte 2019) und Gernot Blümel. Unter ihnen vervielfachte sich das schlagartig auf 557.000 bzw. 644.000 Euro pro Monat.
Auch lassen sich durch Vergleiche überproportional mit Geld bedachte Titel erkennen. Blümel -zum Beispiel -überwies der "Kleinen Zeitung" im Jahr 2020 458.496,20 Euro. Und erreichte damit 772.000 Leser. Die kleinere Leserschaft des Gratisblattes "Heute"(714.000 Leser) ließ er jedoch für gleich 1,087.713,82 Euro über Finanzthemen informieren.
Wie aktuell zwischen Finanzministerium und News wurde unbotmäßige Berichterstattung auch schon in der Vergangenheit mit Liebes-(und Geld-)Entzug bestraft. Ex-FPÖ-Parteichef Norbert Hofer zeigte als Verkehrsminister einerseits ein Inserate-Faible für "Heute" und OE24 und überwies andererseits dem "Standard" mit damals immerhin 583.000 Lesern keinen Cent.
Solche Beispiele lassen sich in fast allen Ministerien finden. Sie führen in Summe dazu, dass so mancher Titel in Bezug zu seiner Marktstellung von der Politik weit überproportional "gefördert" wird. Wir haben dazu die Summe aller Inseratengeschäfte seit Beginn der Aufzeichnungen für alle Tageszeitungen und News ermittelt und anschließend in Bezug zur durchschnittlichen Leserschaft und Auflage in diesem Zeitraum gesetzt. Dabei fällt auf: Mit Abstand am meisten Inserate-Euros pro Leser und Monat erhalten die Wiener Gratiszeitung "Heute", "Die Presse" und die "Vorarlberger Nachrichten". In Bezug auf die verbreitete Auflage führt -haushoch -"Die Presse" vor "Standard","Kurier" und "Tiroler Tageszeitung". In beiden Wertungen weit abgeschlagen sind News und alle anderen Magazine, Wochen-und Monatszeitungen.
Wissen ist Macht
Neben dem Gewähren und Stornieren von Werbegeschäften fällt uns als Redaktion von News auf, dass die amtierende Regierung versucht, auch mit anderem Werkzeug Medien und Publikum in ihrem Sinn zu steuern: Es geht um das gezielte Verteilen und Zurückhalten von Information. Was im Rahmen von Pressekonferenzen und Ministeraussendungen nicht thematisiert wird, soll auch danach unerwähnt bleiben. Fragen, die tiefer schürfen und womöglich Überraschendes zutage fördern könnten, werden häufig jedoch gar nicht, manchmal unvollständig oder erst nach langer Zeit beantwortet. Informationen aus der Verwaltung, auf die die Bevölkerung einen Anspruch hat, sind dadurch nur noch über inoffizielle Kanäle zu beschaffen. Wissen und Teilhabe, die Basis demokratischer Prozesse, scheinen zusehends an Stellenwert zu verlieren.
Experte zieht Parallele zu Orbán
Das Verhältnis der Regierungen Kurz I und Kurz II zu den Medien lässt Beobachter aus dem Ausland überraschende Parallelen ziehen. Milan Nič, Experte für die Visegrád-Gruppe bei der Deutschen Gesellschaft für Auswärtige Politik in Berlin, sieht Ähnlichkeiten zum Aufstieg von Viktor Orbán zum Premierminister von Ungarn. Beide würden Wert auf Einfluss bei Medien legen. "Als Orbán an die Macht kam, versuchte er, Unternehmen zu kontrollieren, die Medien nahestanden. Und damit die Medien selbst", sagt Nič. Kurz hingegen versuche es mit anderen Mitteln, mit Steuergeld. Aber: "Beide sind Politiker, die in direkter Opposition zu kritischen Medien stehen."
Wie bedeutend die Einflussnahme auf Medien mit Steuermitteln für die Bundesregierung ist, zeigt eine kürzlich beendete Ausschreibung. In den kommenden vier Jahren will man ein Inseratenvolumen in Höhe von 180 Millionen Euro verteilen. Dafür sollen die Mediaagenturen Mediacom, Wavemaker und Media.at als Dienstleister etwa vier Millionen Euro an Honorar bekommen. Die Regierung, mehrere Abgeordnete der Regierungsparteien sowie die Interessenvertretung der Verleger, der Verband Österreichischer Zeitungen (VÖZ), lobten das Vorhaben und namentlich Sebastian Kurz dafür, dass "die Bundesregierung den richtigen Weg eingeschlagen" habe. Und dass der Kanzler mit der "nicht kohärenten Werbestrategie des Bundes und der Nichtnutzung von Synergien zum Nachteil der Steuerzahler bricht und die Kampagnenplanung des Bundes auf neue Beine stellt". Begründung: "Die () Auslagerung der Mediaplanung an eine Mediaagentur führt zu mehr Professionalität."
Was niemand unter den Gebern und Nehmern erwähnte, das war das Kleingedruckte aus den Unterlagen zur Ausschreibung. Darin steht in Punkt 5.2.3 des Vorgabenkatalogs: "Der Auftragnehmer (die Agenturen, Anm.) hat die jeweiligen Medien nach dem festgelegten Mediaplan des Auftraggebers (also der Bundesregierung, Anm.) lediglich zu buchen." Oder in anderen Worten: Bis auf die Erhöhung des Spielgelds ändert sich in den nächsten vier Jahren wenig.
Dieser Artikel erschien ursprünglich in der News Ausgabe Nr. 21/24