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In Istanbul setzte die Polizei Tränengas und Gummigeschoße ein, um Demonstranten daran zu hindern, auf den zentralen Taksim-Platz zu gelangen. Dieser hatte bei den massiven Protesten gegen die Regierung von Präsident Recep Tayyip Erdogan im Jahr 2013 eine zentrale Rolle gespielt und war am Mittwoch abgeriegelt worden. Das Istanbuler Gouverneursamt kündigte zusätzliche Straßensperrungen an - unter anderem in jener Straße vor der Stadtverwaltung, wo an den vergangenen zwei Abenden umfangreiche Demonstrationen stattgefunden hatten.
Nach Istanbul verhängten auch weitere Städte in der Türkei ein Demonstrationsverbot. In der Hauptstadt Ankara gilt bis einschließlich Dienstag (25. März) für fünf Tage eine Demonstrations- und Versammlungssperre, wie das Gouverneursamt mitteilte. Gleiches teilten auch die Gouverneursämter der Hafenstadt Izmir und der Provinz Manisa mit. Die Regierung warnte vor Protesten.
Nach einer Zählung der Nachrichtenagentur AFP sind seit der Festnahme Imamoglus in mindestens 29 der 81 türkischen Provinzen die Menschen auf die Straße gegangen.
Am Donnerstagabend äußerte sich Erdogan erstmals seit Beginn der Proteste. "Die Probleme der CHP sind nicht die Probleme des Landes und des Volkes, sondern die Probleme einer Handvoll ehrgeiziger Menschen", sagte er. "Wir haben keine Zeit zu vergeuden mit den Auftritten der Opposition", betonte er. Justizminister Yilmaz Tunc nannte im Onlinedienst X die Aufrufe zu den Demonstrationen auf der Grundlage von laufenden juristischen Ermittlungen "rechtswidrig und inakzeptabel".
Dutzende Menschen wurden zudem von den Behörden wegen kritischer Beiträger auf Online-Plattformen verhaftet. Die Behörden hätten 326 verdächtige Inhaber von Online-Accounts wegen "Anstiftung zu Straftaten" identifiziert, teilte Innenminister Yerlikaya auf X mit. Davon lebten 72 im Ausland. 54 Verdächtige seien festgenommen worden, gegen die übrigen Verdächtigen gehe man ebenfalls vor. Am Vortag hatte es 37 Festnahmen gegeben. Die seit Mittwoch anhaltenden Beschränkungen sozialer Medien in Istanbul wurden unterdessen wieder aufgehoben. Rund 42 Stunden lang war der Zugang zu Portalen und Diensten wie X, YouTube, Instagram, Facebook, TikTok, Telegram, Signal und WhatsApp von Istanbul aus nicht möglich.
Imamoglu, der als einer der aussichtsreichen Rivalen des Langzeitpräsidenten Erdogan gilt, war am Mittwoch nach einer Razzia in seinem Haus festgenommen worden. Außer ihm wurden mehr als hundert weitere Menschen festgenommen, darunter Mitarbeiter, Abgeordnete und CHP-Mitglieder. Am Sonntag sollte Imamoglu offiziell zum Kandidaten seiner Partei für die kommende Präsidentschaftswahl nominiert werden.
Der 53-jährige Bürgermeister von Istanbul wird laut Staatsanwaltschaft unter anderem der Korruption und Erpressung beschuldigt. Ihm wird vorgeworfen, Anführer einer "kriminellen Organisation" zu sein. Nach Angaben des Justizministeriums lautet ein weiterer Vorwurf "Unterstützung von Terrorismus". Dabei gehe es um mutmaßliche Verbindungen zur verbotenen Arbeiterpartei Kurdistans (PKK).
Am Dienstag hatte die Universität Istanbul Imamoglu seinen dort erworbenen Abschluss wegen angeblich "offensichtlicher Fehler" aberkannt. Der Politiker könnte damit von einer Kandidatur bei der Präsidentschaftswahl ausgeschlossen werden, für die ein Hochschuldiplom eine Voraussetzung ist.