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Angesichts des Ausstiegs der NEOS aus den Koalitionsverhandlungen tagte am späten Freitagnachmittag der Parteivorstand der ÖVP, für den Abend war noch eine Klubsitzung geplant. Eine formale Abstimmung über Nehammer gab es im Vorstand zwar nicht, allerdings sei dem Parteichef durch Wortmeldungen der "Rücken gestärkt" worden, hieß es nach der Sitzung zur APA. Selbstverständlich schien das zuletzt nicht, brodelt es doch seit Wochen vor allem im Wirtschaftsflügel der Partei, wo die Skepsis gegenüber einer Koalition mit der Babler-SPÖ am größten ist. Zwischenzeitlich machten am Freitagnachmittag gar Gerüchte einer Ablöse Nehammers an der Parteispitze die Runde. Als Alternativen an der Parteispitze wurden seit einiger Zeit Wirtschaftskammer-Generalsekretär Wolfgang Hattmannsdorfer, aber auch Ex-Parteichef Sebastian Kurz genannt.
Wie es nun weitergehen soll, dürfte Nehammer in einem Video am Abend kundtun. "Während sich Teile der Sozialdemokratie konstruktiv eingebracht haben, haben in den letzten Tagen die rückwärtsgewandten Kräfte in der SPÖ überhandgenommen", beklagte jedenfalls Stocker in einer Aussendung. Nötig seien nachhaltige Veränderungen und Reformen, um Beschäftigung und Wohlstand zu halten, die Pensionen abzusichern sowie Sicherheit und klare Regeln in der Integration durchzusetzen.
Offen ließ er, wie die ÖVP nun weiter zu tun gedenkt. ÖVP und SPÖ kommen gemeinsam im Nationalrat auf eine hauchdünne Mehrheit von einem Mandat Überhang. Sie könnten nun versuchen, eine Zweierkoalition zu bilden oder die Grünen als dritten Partner dazunehmen.
Die geschäftsführende ÖVP-Landesparteiobfrau in der Steiermark, Landeshauptmannstellvertreterin Manuela Khom, warnte: "Neuwahlen und einen langen, lähmenden Wahlkampf können wir uns jetzt jedenfalls nicht leisten. Es sind jetzt alle Parteichefs gefordert, ein paar Schritte zurückzugehen und gemeinsam so rasch wie möglich eine Lösung für diese politische Pattstellung zu finden."
Das Land und vor allem der Wirtschaftsstandort Österreich bräuchten schnell eine tragfähige Regierung, um den dringend benötigten Reformkurs auf den Weg zu bringen, meinte Khom: "In der Steiermark sind wir es gewohnt, dass die SPÖ Reformen mitträgt - es ist schade, dass das in Wien scheinbar nicht möglich ist."
"Wenn manche nicht bereit sind, Verantwortung zu übernehmen, müssen die seriösen Kräfte bereit sein, auch in anderen Konstellationen zusammenzuarbeiten", hieß es vom Kärntner ÖVP-Landesparteiobmann Martin Gruber. Es brauche eine Koalition, "die den Standort stärkt, Reformen angeht und die Wirtschaft entlastet" und "keine neuen Belastungen für Leistungsträger einführt".
Aus der Tiroler ÖVP hieß es auf APA-Anfrage, dass der "abrupte Abbruch der Koalitionsverhandlungen in Wien zur Kenntnis genommen" werde. Österreich brauche dennoch "rasch" eine arbeitsfähige Regierung, die für die Menschen im Land arbeite, sprach man sich offenbar gegen eine Neuwahl aus: "Das was in Tirol gelingt, nämlich zu arbeiten anstatt zu streiten, sollte auch im Bund möglich sein."
Salzburgs Landeshauptmann Wilfried Haslauer (ÖVP) hielt fest: "Der heutige Abbruch der Koalitionsverhandlungen ist angesichts der großen Herausforderungen, vor denen Österreich steht, bedauerlich. Nichtsdestotrotz gilt es mit Nachdruck an einer tragfähigen Regierung für Österreich zu arbeiten. Die Entwicklungen der nächsten Tage sind nun abzuwarten."
Der Vorarlberger Landeshauptmann Markus Wallner (ÖVP) bedauerte den Ausstieg der NEOS. Seiner Ansicht nach hätte es weitgehende inhaltliche Übereinstimmungen zwischen der ÖVP auf Bundesebene und den NEOS gegeben. Ein Ankurbeln der Wirtschaft und Budgetsanierungen sähe er gerade im dritten Jahr der Rezession für wichtig an, und dafür brauche es möglichst schnell eine handlungsfähige Regierung.
Der Generalsekretär der Wirtschaftskammer, Wolfgang Hattmannsdorfer, befand: "Wie auch immer die Regierungsverhandlungen weitergehen, ohne eine aktive Standort- und Wirtschaftspolitik wird es nicht gehen. Angesichts der herausfordernden wirtschaftlichen Situation müssen wir an einem Comeback von Leistung und Wettbewerb arbeiten." Nur so könne es wieder Jobs und Wachstum in Österreich geben.