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Eine Einigung sei in wesentlichen Kernpunkten nicht möglich, hatte die ÖVP davor das Ende der Koalitionsgespräche begründet. Der innerparteiliche Druck auf Nehammer war zuletzt gestiegen.
In diese Richtung äußerte sich in einem Pressegespräch auch SPÖ-Chef Andreas Babler, der sich bei Nehammer persönlich bedankte. Andere Kräfte in der Volkspartei hätten die Verhandlungen nicht gewollt: "Jener Flügel hat sich durchgesetzt, der von Anfang an mit den Blauen geliebäugelt hat." Auf Nachfrage wollte Babler diese Kräfte zwar nicht namentlich nennen, im Anschluss an die Pressekonferenz wurde von Seiten der SPÖ aber der Wirtschaftsflügel, allen voran Harald Mahrer und Wolfgang Hattmansdorfer, der als Nehammer-Nachfolge gehandelt wird, genannt. Babler habe an die ÖVP appelliert, über das Wochenende weiter zu verhandeln und nicht aufzustehen. Denn es hätte Staatsverantwortung und nicht "parteitaktische Taktierereien" gebraucht, so Babler. Berichte, wonach er am Freitag schon mit einem Austritt aus den Gesprächen geliebäugelt hätte, seien "eine klassische Zeitungsente".
Babler sei überzeugt gewesen, dass man "die noch offenen Punkte" lösen hätte können. Man habe nochmals klar gemacht, "dass wir als SPÖ natürlich bereit sind und bereit sein müssen, Kompromisse einzugehen. Verhandlungen können keine Einbahnstraße sein." So habe man zur ÖVP gesagt: "sagts uns was für euch möglich ist". Diese hätte jedoch "Kürzungen bei Pensionen, LehrerInnen, PolizistInnen und in Gesundheitsberufen" gewollt.
Vor der Zukunft warnte Babler: "Die SPÖ wird weiter eine starke Stimme für soziale Politik sein, denn wir wissen, was jetzt droht: Blau-Schwarz und damit ein rechtsextremer Kanzler". Über die heute gesetzten Schritte werde man am Abend noch das Präsidium online informieren.
Freilich scheint FPÖ-Chef Herbert Kickl der ÖVP das Leben nicht leicht machen zu wollen. Konkret adressierte er in einer Aussendung die Vorsitzenden-Frage, die er als "Nagelprobe" sieht: "Man wird sehen, ob die Volkspartei das Machtwort der Wähler von der Nationalratswahl zumindest jetzt ansatzweise verstanden hat."
Den Bundespräsidenten sieht der Freiheitlichen-Obmann unter Zugzwang: "Alexander Van der Bellen hat eine maßgebliche Mitverantwortung für das entstandene Chaos und die verlorene Zeit. Das kann er nicht von sich wegschieben." Van der Bellen stehe mit Nehammer und Babler "vor den Trümmern ihrer Kickl-Verhinderungsstrategie".
NEOS-Chefin Beate Meinl-Reisinger sah sich in einer schriftlichen Stellungnahme in ihrer eigenen Wahrnehmung bekräftigt: "ÖVP und SPÖ sind leider nicht fähig, über die gegenseitigen Verletzungen hinweg zu kommen und ein gemeinsames Bild für dieses Land zu entwickeln. Der rasche Bruch bestätigt uns in der gestrigen Entscheidung, die Verhandlungen auf Grund fehlenden Reformeifers zu verlassen." Für Kanzler Nehammer hatte sie "großen Respekt" übrig.
Wie es nun weiter geht, war vorerst unklar. Bundespräsident Alexander Van der Bellen ließ sich noch am Samstag informieren, weitere Schritte will er am Sonntag setzen. Das Staatsoberhaupt hatte ja Nehammer persönlich den Regierungsbildungsauftrag erteilt und nicht FPÖ-Chef Herbert Kickl als Obmann der bei der Nationalratswahl stimmenstärksten Partei. Van der Bellen begründete dies damit, dass sowohl Volkspartei als auch Sozialdemokraten nicht mit den Freiheitlichen koalieren wollten.