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Macron in Politikkrise unter Druck

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Macron will keine Neuwahlen
©APA/APA/AFP/LUDOVIC MARIN
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Nach dem Sturz der Mitte-Rechts-Regierung in Frankreich durch die Opposition hat Staatschef Emmanuel Macron Rücktrittsforderungen von sich gewiesen. In einer Ansprache an die Bevölkerung sagte er am Abend: "Das Mandat, das Sie mir demokratisch anvertraut haben, ist ein Mandat auf fünf Jahre und ich werde es vollständig bis zu seinem Ende ausführen." "Wir können uns weder Spaltungen noch Stillstand leisten", sagte Macron.

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Einen neuen Premier werde er "in den nächsten Tagen" ernennen und damit beauftragen, eine Regierung zu bilden, die alle politischen Kräfte vertrete, die bereit seien, sich daran zu beteiligen - oder sich zumindest verpflichten, diese nicht mit einem erneuten Misstrauensvotum zu Fall zu bringen.

Die Priorität werde der Haushalt für das kommende Jahr sein. "Von heute an muss eine neue Zeit beginnen, in der alle für Frankreich handeln müssen und neue Kompromisse aufgebaut werden müssen", sagte der Präsident. Der bisherige Premierminister Michel Barnier hatte nach einem erfolgreichen Misstrauensvotum gegen seine Mitte-Rechts-Regierung seinen Rücktritt eingereicht.

Macron bat Barnier, mit seiner Regierung vorübergehend geschäftsführend im Amt zu bleiben. Die populistischen Kräfte am linken und rechten Rand des Parlaments, die Mittwochabend Barnier im Streit um einen Sparhaushalt zu Fall brachten, nahmen nun Macron ins Visier und reden von dessen Rücktritt und einer vorgezogenen Präsidentschaftswahl.

Nicht nur die Opposition wirft Macron vor, die Politikkrise in Frankreich mit unklaren Mehrheitsverhältnissen im Parlament mit vorgezogenen Wahlen im zurückliegenden Sommer ausgelöst, zumindest aber verschlimmert zu haben. Nun steht Macron unter erhöhtem Druck auch aus den eigenen Reihen, möglichst zügig einen neuen Regierungschef zu ernennen, der die zerstrittenen Lager im Parlament insofern eint, als der längst überfällige Haushalt verabschiedet und wichtige Vorhaben auf den Weg gebracht werden können.

Der Rechtsnationale Marine Le Pen und dem Altlinken Jean-Luc Mélenchon wird aus dem Regierungslager währenddessen vorgeworfen, die politische Krise in Frankreich anzufachen. Ihnen gehe es darum, Macron vorzeitig zu Fall zu bringen, um dann selbst bei einer vorgezogenen Präsidentschaftswahl anzutreten. Macron kann nach zwei Amtsperioden nicht erneut kandidieren.

Die schnelle Ernennung eines neuen Premiers könnte Macron helfen, seine angeschlagene Position zu stärken, seine verbleibende Amtszeit bis 2027 zu retten und Rücktrittsrufe zu dämpfen. Je schneller eine neue Regierung die Arbeit aufnimmt, desto schneller könnte sich auch die französische Haushaltskrise konsolidieren und könnte es beruhigende Signale in Richtung Wirtschaft und Finanzmärkte geben.

Macron führte ab dem Mittag bereits Gespräche, um auszuloten, wer als künftiger Premier infrage kommen könnte. Dabei muss nicht nur das Profil des Kandidaten passen.

Angesichts der schwierigen Kräfteverhältnisse im Parlament, in dem weder das Linksbündnis noch Macrons Lager und auch nicht die Rechtsnationalen eine Mehrheit haben, muss der künftige Premier möglichst einen Draht zu allen Blöcken im Parlament haben. Namen kursieren bereits, ohne dass sich zunächst erkennbar Favoriten abzeichneten.

Die öffentliche Schuldenlast ist in Frankreich immer mehr aus dem Ruder gelaufen und wegen einer zu hohen Neuverschuldung betreibt die EU-Kommission ein Defizitverfahren gegen Frankreich. Der Sparhaushalt, an dem Barniers Regierung zerbrach, ist bittere Notwendigkeit. Im laufenden Jahr erwartet Frankreich ein Haushaltsdefizit von 6,1 Prozent, das damit weit entfernt ist vom europäischen Grenzwert von drei Prozent.

Angesichts der politischen Hängepartie in Frankreich ist das Vertrauen in- und ausländischer Unternehmen gestört. Mit Investitionen wird gezögert, der Wirtschaftsstandort droht Schaden zu nehmen.

Die Industriestaatenorganisation OECD warnte, dass ohne eine Haushaltseinigung das erwartete Wirtschaftswachstum in Gefahr gerate und sich Steuereinnahmen verringerten. Die politische Instabilität werde höhere Risikoaufschläge auf staatliche Kredite und zusätzliche Milliardenlasten für das Land bedeuten, hatte Barnier gewarnt.

Wie sich das Chaos in Frankreich auf die EU-Politik auswirken wird, ist noch unklar. Nach Einschätzung von Diplomaten in Brüssel wird vieles davon abhängen, wie es in den nächsten Wochen und Monaten in Paris weitergeht.

Problematisch könnte es demnach vor allem dann werden, wenn EU-Entscheidungen getroffen werden müssen, die neue finanzielle Verpflichtungen Frankreichs erfordern - zum Beispiel für neue Hilfen für die Ukraine. Derzeit ist dies zwar nicht konkret absehbar. Als großer Unsicherheitsfaktor gilt allerdings der im Jänner anstehende Regierungswechsel in den USA mit der Frage, ob der neue US-Präsident Donald Trump die EU zu einer Übernahme von mehr Verantwortung zwingen wird.

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