Für die einen ist Lobbying elementarer Bestandteil einer Demokratie, für die anderen deren elementarste Bedrohung. Die Grenzen zwischen Lobbyismus, unerlaubter Einflussnahme und Korruption sind in Österreich und anderswo oftmals fließend.
Was bedeutet Lobbying bzw. Lobbyismus? [Definition]
Das englische Wort „Lobby“ bezeichnete ursprünglich die "Vorhalle" des englischen Parlamentsgebäudes. Hier tauschten sich Abgeordnete mit Personen aus, die nicht in den Sitzungssaal durften, wie Vertreter der Kirche, der Wirtschaft und der Zivilgesellschaft. In den Gesprächen ging es meist darum, bestimmte Interessen zu platzieren, in der Hoffnung, die Abgeordneten würden diese mit in den Sitzungssaal nehmen. Ähnlich, wenn auch etwas professioneller, läuft Lobbying heute ab.
Eine Lobby ist eine politische Interessensvertretung. Personen, die für eine Lobby arbeiten bzw. Lobbying betreiben, nennt man Lobbyist:innen. Lobbyismus betreibt, wer im Rahmen einer professionellen Tätigkeit versucht, Einfluss auf politische Entscheidungen zu nehmen. Da das Wort Lobbying in der öffentlichen Wahrnehmung oftmals einen negativen Touch hat, haben sich alternative Bezeichnungen etabliert, zum Beispiel politische Kommunikation, Politikberatung oder Public Affairs.
Beispiele für Lobbying
Lobbyismus betreiben etwa Wirtschaftsverbände, die eine politische Entscheidung zu ihren Gunsten beeinflussen wollen, zum Beispiel indem strengere Regeln für die Herstellung eines bestimmten Produkts verhindert werden. Auch Umweltschutzorganisationen, Lehrer:innenverbände, Gewerkschaften, Kirchen und viele andere Organisationen betreiben Lobbyarbeit, indem sie versuchen, ihre Interessen in den politischen Prozess einzubringen. Neben diesen Verbänden haben sich auch PR-Agenturen, Denkfabriken ("Think Tanks"), Politikberater:innen und Rechtsanwaltskanzleien auf Lobbyarbeit spezialisiert.
Was macht ein Lobbyist/eine Lobbyistin?
Wichtigstes Element der Lobbyarbeit ist die Pflege persönlicher Kontakte und ein engmaschiges Netz an Beziehungen zu politischen Entscheidungsträger:innen und Journalist:innen. Die zentralen Methoden der Lobbyarbeit bestehen
in der Informationsbeschaffung
dem Informationsaustausch
der Einflussnahme und
der strategischen Ausrichtung der Tätigkeit.
Hierzu führen Lobbyist:innen täglich Gespräche mit Abgeordneten, Ministeriumsmitarbeiter:innen, Regierungsmitgliedern und Journalist:innen.
Lobbyist:innen versuchen in ihrer Arbeit auch die öffentliche Meinung zu beeinflussen, zum Beispiel indem sie ihre Meinungen in Massenmedien verbreiten oder öffentlich zu bestimmten Themen Stellung beziehen.
Professionalisierte Lobby-Organisationen bestehen oftmals aus mehreren Hundert Mitarbeiter:innen und unterhalten Büros in unmittelbarer Nähe zu den politischen Entscheidungszentren, auf EU-Ebene in Brüssel, in Österreich in Wien, gegebenenfalls auch in den jeweiligen Landeshauptstädten. Nicht selten befinden sich die Büros der Organisationen in Sichtweite der Parlamente.
Lobbyist:innen-Gehalt
Je nach Organisation und Tätigkeit unterscheidet sich auch das Gehalt von Lobbyist:innen. Einsteiger:innen verdienen meist gut 2.000 Euro brutto, wobei nach oben kaum Grenzen gesetzt sind.
Ist Lobbyismus legal?
Lobbying ist grundsätzlich nicht illegal oder unmoralisch, sondern – vor allem in Österreich – wesentlicher Bestandteil einer parlamentarischen Demokratie. In einer hochkomplexen Gesellschaft, in der Politiker:innen tagtäglich hochkomplexe Entscheidungen treffen müssen, kann die Arbeit von Lobbys eine nützliche Unterstützung sein. Lobbyist:innen sind meist Expert:innen ihres Fachs und versorgen Politiker:innen mit wertvollen und gut aufbereiteten Informationen, auf Basis derer sie ihre Entscheidungen treffen können. Politische Sachverhalte aus verschiedenen Perspektiven zu betrachten, ist für einen demokratischen Prozess äußerst wichtig. Allerdings verschwimmen hierzulande die die Grenzen zwischen Informationsbeschaffung, Lobbying, unerlaubter Einflussnahme, Manipulation und Korruption nur allzu oft.
Lobbying: Gefahren und Probleme
Problematisch ist, dass es sich bei Lobbyist:innen um Akteur:innen handelt, die von niemanden gewählt wurden und dennoch enormen Einfluss auf "demokratische" Entscheidungen nehmen.
Kritisiert werden vor allem Lobbygruppen, wie etwa finanzstarke Wirtschaftsverbände, die übermäßig viel Einfluss auf Politiker:innen haben, deren Entscheidungen manipulieren oder gar kaufen und es anderen Interessensvertreter:innen verunmöglichen, ihre Interessen einzubringen. Insbesondere Wirtschaftslobbys sind anderen Organisationen in Bezug auf Mitarbeiter:innen und finanzielle Ressourcen oftmals haushoch überlegen. So gaben Unternehmen wie Meta (Facebook), Google, Apple, Bayer oder ENEA auf EU-Ebene im Jahr 2021 je zwischen sechs und zehn Millionen Euro für Lobbying aus. In ihren Reihen befinden sich teils ehemalige Abgeordnete oder ehemalige Regierungsmitglieder, deren Draht in die höchsten Ebenen besonders gut ist.
Kritisiert wird zudem die Intransparenz von Lobbyarbeit. Selten ist ersichtlich, woher das Geld für bestimmte Lobbys kommt, wohin es fließt und wie gewisse Entscheidungen beeinflusst werden.
Lobbying: Gesetzliche Regelung in Österreich
Lobbyismus ist in Österreich im "Bundesgesetz zur Sicherung der Transparenz bei der Wahrnehmung politischer und wirtschaftlicher Interessen", kurz Lobbying- und Interessenvertretungs-Transparenz-Gesetz – LobbyG, geregelt. Demnach müssen Lobbying-Unternehmen einen Verhaltenskodex vorweisen können und diesen auch öffentlich bekannt geben. Außerdem müssen sich Lobbying-Unternehmen und Lobbyist:innen vor Aufnahme ihrer Tätigkeit mit Namen und Geburtsdatum in das öffentlich zugängliche Lobbyregister beim Bundesministeriums für Justiz (BMJ)eintragen.
Die Staatengruppe gegen Korruption (GRECO), der 48 europäische Länder und die USA angehören, liefert jährlich einen Bericht über Korruptions- und Korruptionsbekämpfung der einzelnen Mitgliedsstaaten. Der Bericht aus dem Jahr 2022 bescheinigt Österreich grobe Mängel bei der Bekämpfung und Prävention von Korruption. Eine der Kritikpunkte sind eine ausstehende Reform des Lobbying-Gesetzes. "Die Vermeidung und Bewältigung von Interessenskonflikten ist in Österreich eine besondere Herausforderung, die besondere Aufmerksamkeit verdient", heißt es im Bericht. Insbesondere der Einfluss von Lobbyist:innen auf Gesetzgebungsverfahren sei oftmals intransparent und Politiker:innen unterliegen vergleichsweiße schwachen Offenlegungspflichten. Die Organisation Transparency International forderte die österreichische Regierung erst im Jänner auf, das "Lobbying-Gesetz nachzuschärfen, um alle Lobbying-Aktivitäten, zu erfassen und öffentliche Kontrolle zu ermöglichen."
Lobbying in Österreich: Bedeutung
Die Sozialpartnerschaft gilt im Österreich der Zweiten Republik als der zentrale Mechanismus des politischen Interessensausgleichs. Dementsprechend sind die Sozialpartner, das heißt die Arbeiter-, Wirtschafts- und Landwirtschaftskammern, die zentralen Lobby-Akteure in Österreich. Ihre Expertise wird in vielerlei Fällen herangezogen und fließt in die meisten verabschiedeten Gesetze und Reformen mit ein.
Das österreichische Lobbyregister umfasst 389 Verbände, Unternehmen und Organisationen. In Deutschland sind es rund 5.000. In Brüssel, Austragungsort der vielgescholtenen "Champions League des Lobbyismus", sind mehr als 12.600 Verbände, Unternehmen und Organisationen im EU-Transparenzregister gelistet. Einer der größten Lobby-Verbände hierzulande ist die 2011 gegründete Österreichische Public Affairs-Vereinigung (ÖPAV). Ihr gehören Agenturen, Unternehmen, Interessensverbände und NGOs an.
Als einer der einflussreichsten Organisationen gilt das Austrian Lobbying and Public Affairs Council (ALPAC), eine Vereinigung der Eigentümer:innen von Lobbying- und Politikberatungsunternehmen in Österreich. Ausschließlich Politiker:innen, Berater:innen, Journalist:innen, Interessensvertreter:innen und Diplomat:innen mit langjähriger Erfahrung haben Aussicht auf eine ALPAC-Mitgliedschaft.
Bekannte Lobbyisten
Bekannte Lobbyisten in Österreich sind vor allem ehemalige Politiker:innen und Regierungsmitglieder. Einer der prominentesten ist der SPÖ-Politiker Alfred Gusenbauer, der nach seiner Zeit als Kanzler in die Aufsichtsräte und Vorstandsetagen großer Unternehmen aufrückte, und unter anderem bei René Benkos Signa Holding oder der Privatstiftung der Familie Haselsteiner anheuerte. Das ÖVP-Urgestein Franz Hörl gilt weithin als „Cheflobbyist“ der österreichischen Seilbahnen und der hiesigen Tourismusbranche. Als Obmann des Fachverbands der Seilbahnen der WKO sitzt der Zillertaler Hotelier und Seilbahnunternehmer gleichzeitig als Abgeordneter im Nationalrat.