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Leitartikel: Zeit für ein bisschen Optimismus

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©Matt Observe/News

Postenschacher, Staatsdefizit: Vielleicht nicht der naheliegendste Zeitpunkt, um Optimismus einzufordern. Aber vom ständigen Schlechtreden wird halt auch nichts besser. Gewinnen kann den (Psycho-)Krieg gegen Putin, Trump und all die anderen Antidemokraten nur, wer an sich glaubt

Nur knapp einer Kickl-Regierung entkommen und fassungslos nach Amerika schauend spürt man doch langsam wieder so etwas wie Normalität einkehren. Erstaunlich eigentlich, beim Blick auf die Schlagzeilen oder aus dem Fenster. Hund beißt Kind und immer noch nicht umgekehrt. Der Kastanienbaum vor dem Haus treibt unverdrossen aus. Wir haben auch wieder eine Regierung, die tut, was Regierungen so tun: regieren, hoch dotierte Versorgungsjobs an ehemalige Bundeskanzler vergeben. Alles wie immer. Und doch, da will sich diese andere Wirklichkeit nicht davon abhalten lassen, das milde Frühlingslicht zu trüben, all die Sorgen und Befürchtungen der letzten Monate. Von Klimawandel bis Krieg, die ganze Liste.

Aber was jetzt, Frühlingsgefühle oder Weltuntergang? Die Fähigkeit des Menschen, einfach weiterzumachen und Unangenehmes auszublenden, ist faszinierend. Und notwendig. Vom Fürchten wird’s nicht besser. Mitglieder der letzten, der schwarz-grünen, sich notorisch unterschätzt fühlenden Bundesregierung behaupteten gerne, in Österreich werde zu vieles schlechtgeredet. Den Kritikern die Schuld am eigenen Scheitern geben, das ist nie ein gutes Argument. Bei Politikern schon gar nicht. Aber es ist was dran. Das Jammern, Granteln, Sudern war in Österreich schon immer Volkssport. Der destruktive Diskurs in den (un-)sozialen Medien hat das Seinige zur Verschärfung dieser „deformation nationale“ beigetragen.

Und auch die traditionellen Medien müssen sich den Vorwurf gefallen lassen, lieber mit Mikroskopen nach Haaren in der Suppe zu suchen, als positive Entwicklungen zu betonen. Dabei geht beides nebeneinander: kritischer Journalismus, der seiner kontrollierenden Aufgabe gerecht wird, und Publizistik, die das Staatsganze verantwortungsvoll im Auge behält. Dazu gehört die eindrückliche Warnung vor Entwicklungen, die unsere derzeitige Lebensweise bedrohen. Aber auch die Vermittlung einer positiven Grundeinstellung.

Wenn Klagen den Blick auf die positive Gesamtbilanz verstellen, gerät etwas ins Rutschen

Anna Gasteiger

Gesamtbilanz

Wir leben friedlich, reich, in einem bestens organisierten Staat. Natürlich kann und soll er besser werden. Der plötzliche und unkontrollierte Anstieg des Staatsdefizits, politisch ignoriert, medial zu wenig hinterfragt, ist dafür ein Beispiel. Aber wenn die Klagen den Blick auf die positive Gesamtbilanz verstellen, dann gerät etwas ins Rutschen. Defätismus heißt das bildungssprachlich.

Was für ein unschönes Wort: „Eine durch die Überzeugung, keine Aussicht auf Sieg, auf Erfolg zu haben, und durch eine daraus resultierende starke Neigung zum Aufgeben gekennzeichnete Haltung“, definiert der Duden. Ein Ausdruck, der während des Ersten Weltkriegs in Frankreich entstanden ist, als die erschöpften Soldaten in den Schützengräben die Kampfmoral, den Siegeswillen nicht mehraufrechterhalten konnten oder wollten.

Verunsicherung

Auch wir befinden uns in einer Art von Krieg. Die inneren und äußeren Feinde Europas und der Demokratie arbeiten seit Jahren systematisch daran, dass wir den Glauben an uns selbst verlieren. Dass Unsicherheit und Fragen sich breitmachen. War nicht früher alles besser? Politiker vor 50 Jahren noch ganz andere Kaliber? Und die Wirtschaftsleistung? Das Bildungssystem? Migration. Lebensmittelpreise. Mieterhöhungen. Und so weiter und so weiter.

Putins Trollarmee reibt sich die Hände und muss gar nicht mehr viel nachhelfen, wenn sich die Österreicher, die Deutschen, die Europäer, so gründlich selbst zerlegen. Es öffnet ihnen Tore. Langsam, langsam, man kann es beobachten, gehen sie immer weiter. Herein quillt jenes Gedankengut, das vor 80 Jahren aus den besten Gründen und vermeintlich für immer verbannt wurde.

In Europa sind in letzter Zeit Versuche zu erkennen, sich neu aufzustellen. Militärisch vor allem. Die Bedrohung ist real. Aber es geht nicht (nur) darum, wie viele Panzer europäische Staatsleute kaufen oder nicht kaufen, welche Gegenzölle sie verhängen oder wie das letzte Treffen mit Donald Trump im Detail verlaufen ist. Es geht in diesen hellen Frühlingstagen, die so dunkle Schatten werfen, auch um die Bereitschaft jedes Einzelnen, an das zu glauben, was wir sind, und dafür einzutreten. Kein nationaler Schulterschluss, kein unkritisches Abnicken von Regierungspositionen, das wäre lächerlich und falsch.

Aber ein Besinnen darauf, dass wir sehr viel zu verlieren haben und dass es keine Alternative gibt zu dieser Staatsform, die den meisten Menschen ein Leben in Freiheit und Wohlstand ermöglicht. Und sei es nur im Interesse der Kinder und Jugendlichen in diesem Land, die, egal, ob hier oder woanders geboren, das Recht haben, in Frieden aufzuwachsen und gut zu leben. Die Schule abschließen. Einen erfüllenden Beruf ergreifen. Lieben, wen man lieben möchte. Reisen, wohin man reisen möchte. Familie gründen. Kinder großziehen. Und irgendwann ganz langweilig alt werden, finanziell abgesichert und in Würde. Denn dass es vielleicht nicht so sein könnte – und nichts weniger steht im Raum – ist keine Option. Ganz einfach.

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