Rund um die Zeugeneinvernahme von Alfred Gusenbauer bei den Ermittlern des Bundeskriminalamts tauchen neue Rechnungen auf. Zum Teil in Millionenhöhe. Das wirft weitere Fragen zur Rolle des Ex-Kanzlers im Signa-Universum auf.
In besseren Zeiten entspannten Alfred Gusenbauer und René Benko schon mal gemeinsam im Pool der Villa Ansaldi am Gardasee und genossen kubanische Zigarren. Diese Tage sind vorerst vorbei. Der eine, Benko, sitzt seit Ende Jänner in der Justizvollzugsanstalt Wien-Josefstadt in Untersuchungshaft. Der andere, Gusenbauer, musste fünf Tage später von der Soko Signa als Zeuge aussagen.
In einem schmucklosen Betonklotz im 3. Wiener Bezirk wollten die Ermittler von ihm unter Wahrheitspflicht wissen, welche Rolle der ehemalige Bundeskanzler in den Finanztransaktionen der Signa-Gruppe gespielt hat – und wann er von den massiven wirtschaftlichen Schwierigkeiten des Immobilienkonzerns erfuhr.
Das Geldkarussell
Im Zentrum der Befragung stand eine Kapitalerhöhung aus dem Sommer 2023, mit der Benko angeblich 35,35 Millionen Euro durch ein kompliziertes Netz von Signa-Gesellschaften geschleust haben soll. Ziel war es offenbar, das Geld am Ende in einer Benko-Stiftung zu „parken“, nur um es anschließend als frisches Eigenkapital wieder in die Signa-Gruppe einzuspeisen. Auf diese Weise sollte gegenüber Investoren der Eindruck erweckt werden, dass Benko selbst finanziell zur Stabilisierung des Unternehmens beiträgt.
Gusenbauer erklärte hierzu, dass er „dazu keine eigenen Wahrnehmungen“ habe und nicht involviert gewesen sei. Erst später sei er von Benko und dem Investor Hans Peter Haselsteiner informiert worden. Die Ermittler hakten nach: Wann wurde Gusenbauer als Aufsichtsratsvorsitzender der Signa Prime Selection AG, der Signa Development Selection AG und als Beirat der Signa Holding über die finanzielle Schieflage informiert?
Gusenbauers Antwort: „Der Beirat war diesbezüglich nicht eingebunden, daher habe ich dazu auch keine Kenntnisse.“ Eine bemerkenswerte Aussage – denn als enger Berater Benkos und langjähriges Mitglied in Schlüsselpositionen der Signa-Gruppe hätte er kaum übersehen können, dass das Unternehmen im Jahr 2023 akut nach Liquidität suchte.
Brisante Rechnungen kurz vor der Pleite
Tatsächlich zeigen News und Krone vorliegende neue Dokumente, dass Gusenbauer selbst noch bis kurz vor der Insolvenz der Signa Holding aktiv in „Kapitalaufbringungsmaßnahmen“ involviert war. Am 24. Oktober 2023 stellte seine Beratungsgesellschaft der Signa Holding eine Rechnung über drei Millionen Euro für „strategische Beratung bei der Durchführung von Kapitalaufbringungsmaßnahmen“. Der Leistungszeitraum: 1. April bis 31. Oktober 2023 – also genau jene Monate, in denen die Signa bereits ums Überleben kämpfte.


Faksimile der Rechnung über drei Millionen Euro für „strategische Beratung bei der Durchführung von Kapitalaufbringungsmaßnahmen“.
© NewsNur wenige Tage später, am 2. November 2023, folgte laut News-Recherchen eine weitere Rechnung über 300.000 Euro für den „zweiten Teil des Bonusses 2023“. Die Brisanz: Diese Zahlungen wurden offenbar ohne klare Vereinbarung geleistet. Der Chefcontroller der Signa-Gruppe meldete am 22. November 2023, eine Woche vor der Insolvenz, an die Geschäftsführer der Signa Holding: „Liebe Kollegen, ich wurde gestern von RB (offenbar René Benko, Anm.) informiert, dass zu den Rechnungen anbei keine Vereinbarung bekannt ist/besteht“. Dennoch seien vergleichbare Zahlungen in den Vorjahren immer geleistet worden.
Offene Honorare und steigende Gagen
Ein weiteres Detail wirft Fragen auf: Bereits Monate vor der Insolvenz geriet Signa mit den Zahlungen an Gusenbauer in Verzug. Im Oktober 2023 stellte sein Steuerberater eine Mahnung über 279.949 Euro für offene Honorarnoten aus – sämtliche Zahlungen seit Mai waren ausständig.
Interessant ist auch, dass Gusenbauers monatliche Fixvergütung als Beirat 2022 noch 29.950 Euro betrug. Am 8. Februar 2023, seinem 63. Geburtstag, wurde sie auf 50.000 Euro angehoben. In einem Unternehmen, das nur wenige Monate später in den finanziellen Kollaps schlitterte. Der Ex-Kanzler ließ eine schriftliche Anfrage zu den neuen Dokumenten unbeantwortet. Von den Soko-Ermittlern wurde er zu diesem Sachverhalt noch nicht befragt.