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"Die Demokratie hat's schwer. Kaum funktioniert etwas nicht, wird die ganze Idee rasch in Frage gestellt, vorzugsweise von Gruppen, die ihr autokratisches Süppchen kochen wollen. Immer mehr Menschen müssten in autokratischen Systemen leben", sagte Direktorin Sibylle Dienesch bei einem Pressegespräch am Dienstag. "Als wir 2023 zusammen im Graz Museum das Jahresthema 'Stadt und Demokratie' entwickelt haben, konnten wir nicht ahnen, wie zentral das Thema sein wird."
In "Heast, Demokratie!" - zu sehen von 2. April 2025 bis 30. August 2026 - geht es u. a. darum, dass Demokratie keine Staatsform ist, die sich nur auf Wahlen beschränkt. Die Beteiligungsmöglichkeiten gehen weit über die Wahlurne hinaus, erstrecken sich auf Schule, Universität, Arbeit, Unternehmen und viele weitere Aspekte des Lebens. In der von Catalin Betz und Angela Fink kuratierten Schau werden Diskurse, die Möglichkeit zum Äußern der eigenen Meinung und Informationen über diese vielfältigste Form der Mitbestimmung ermöglicht bzw. gezeigt. Gute alte Museums-Hardware ist auch zu sehen - etwa eine pompöse metallene Wahlurne des Grazer Gemeinderates etwa um das Jahr 1900.
Der erste Schauraum zu "Heast, Demokratie!" ist fast wie eine Wahlkabine gestaltet - und legt Wert auch auf scheinbar kleine Aspekte der Teilhabe. Etwa eine Tortengrafik zum Ertasten und mit Text in Braille-Schrift - sowie dem Hinweis, dass bei der Nationalratswahl 2024 rund 19 Prozent der in Österreich lebenden Menschen nicht wahlberechtigt waren. Bei der Grazer Gemeinderatswahl - bei der immerhin Angehörige von EU-Staaten mitstimmen durften - waren es 11,7 Prozent. In der Ausstellung sind auch 21 Karten zum Entnehmen aufgelegt. Sie informieren in leicht verständlicher Sprache über Fakten zur Demokratie - "zum Auffrischen und Vertiefen", wie es hieß.
Viel Spaß für Gruppen verspricht übrigens eine kleine Übung in Sachen Balance - ein im Foyer aufgestelltes rundes Schaukelbrett führt anschaulich vor, wie wichtig ausgleichende Zusammenarbeit für den (gesellschaftlichen) Zusammenhalt ist.
"Die letzten Europäer. Jüdische Perspektiven auf die Krisen einer Idee" in Zusammenarbeit mit dem Jüdischen Museum im Vorarlberger Hohenems widmet sich dem europäischen Traum und was aus dem europäischen Projekt geworden ist - und ob nicht zusehends nationale Perspektiven europäische Lösungen behindern. Eröffnet wird die Schau am 21. Mai, sie ist bis 11. Jänner 2026 zu sehen.
Die dritte Ausstellung des Graz-Museums-Jahres befasst sich mit den ersten 20 Jahren des Nachkriegsösterreich: "Ins Ungewisse. Graz 1945 - 1965", sie läuft ab 25. Juni bis 9. April 2026. Eine vergleichbare Schau im Jahr 2005 hatte sich stark auf das Kriegsende in Graz konzentriert. Diese fokussiere laut den Kuratoren Bernhard Bachinger und Annette Rainer auf die "Skizzierung der Demokratie-Werdung", den gesellschaftlichen Wandel, die Entnazifizierung, den Wiederaufbau, das nachwirkende NS-Erbe.
Die Mithilfe der Grazer Bevölkerung ist ganz im teilhabenden Sinne bei einem Projekt zusammen mit dem Stadtarchiv Graz erforderlich. Gesucht werden Daten von stadthistorisch bedeutenden Ereignissen seit den 1980er-Jahren. Dies können E-Mails, Fotos, Videos, erste Websites, SMS, Audiofiles oder einfache Stadtgeräusche sein. Diese können über die Citizen Archive Platform (CAP) unter http://citizenarchive.eu/de/sammlungsaufrufe-graz/ hochgeladen werden. Amelie Rakar vom Stadtarchiv verspricht eine Kontaktierung nach dem Hochladen binnen zehn Tagen. Der erste Aufruf befasst sich mit Geschehen rund um den Grazer Fußball. "Vereinsfarbe oder -größe spielen keine Rolle", versicherte Rakar.
(S E R V I C E - www.grazmuseum.at)
GRAZ - ÖSTERREICH: FOTO: APA/APA / Graz Museum/Sebastian Reiser