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Gastkommentar: Eine geeinte EU muss Trump nicht fürchten, sie kann sogar profitieren

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©JIM WATSON / AFP / picturedesk.com
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Wie kann die EU mit einer zweiten Amtszeit von Donald Trump umgehen? Der Druck auf die Union steigt in vielen Bereichen wenn sie geschlossen auftritt, könnte sie aber auch profitieren, schreibt der Politikwissenschaftler Patrick Müller in seinem Gastkommentar

Die zweite Amtszeit von US-Präsident Donald Trump stellt die Europäische Union (EU) vor große Herausforderungen. Außenpolitisch positioniert sich Trump als ein Verfechter nationaler Interessen. Er vertritt eine kritische Haltung zu multilateralen Institutionen und zu verbündeten Staaten, die amerikanischen Interessen nicht hinreichend Rechnung tragen. Gleichzeitig sind die USA gesellschaftlich und politisch tief gespalten, was die amerikanische Außenpolitik über Trumps zweite Amtszeit hinaus weniger berechenbar macht.

Krise als Chance für stärkere Zusammenarbeit

Für die EU fällt die Rückkehr Donald Trumps ins Weiße Haus in eine Zeit, die durch eine schwierige Wirtschaftslage, den Verlust an internationaler Wettbewerbsfähigkeit und die sicherheitspolitischen Herausforderungen des Ukraine-Krieges geprägt ist. Die Vergangenheit hat jedoch auch gezeigt, dass Krisen und Herausforderungen den Weg für eine verstärkte europäische Zusammenarbeit bereiten können. Damit bietet sich für die EU-Mitgliedstaaten die Chance, gemeinsame Interessen zu bündeln und notwendige politische Projekte und Reformen zu beschleunigen, um sich in einer Welt im Wandel zu bewähren.

Die EU muss sich dabei auf einen US-Präsidenten einstellen, der in seiner zweiten Amtszeit wenigen innenpolitischen Beschränkungen unterliegt, um seine Anliegen durchzusetzen, und der von einflussreichen Verbündeten in Politik und Wirtschaft unterstützt wird. Präsident Trump hat mehr politische Erfahrung im Gepäck und konnte seinen Einfluss in der republikanischen Partei ausbauen, die zu seinem Amtsantritt über eine Mehrheit in beiden Kammern des Kongresses verfügt.

In der Sicherheitspolitik fordert Trump ein stärkeres Engagement der europäischen NATO-Partner, jüngst etwa die Erhöhung der nationalen Verteidigungsausgaben auf fünf Prozent des Bruttoinlandsprodukts. Bisher hatte man sich ein Ziel von zwei Prozent vorgegeben, das gleich mehrere Staaten nicht erreichen.

Zum Handeln gezwungen

Für die EU steigt damit die Notwendigkeit, durch eine Stärkung ihrer Sicherheits- und Verteidigungspolitik geeinter, eigenständiger und handlungsfähiger zu werden. Eine vertiefte europäische Zusammenarbeit der nationalen Verteidigungsindustrien sowie die verstärkte sicherheitspolitische Kooperation bei der Beschaffung, Forschung, und Entwicklung eröffnet den EU-Mitgliedstaaten Möglichkeiten, Skaleneffekte und Synergien zu nutzen und sich besser untereinander abzustimmen.

So können sicherheits- und verteidigungspolitische Fähigkeiten der EU kostenschonend für den Steuerzahler erhöht werden, wobei technologische Entwicklungen auch wichtige Impulse für zivile Forschung geben sollten. Damit sinkt die einseitige sicherheitspolitische Abhängigkeit der EU von den USA, die sich von der Trump-Regierung auch wirtschaftspolitisch instrumentalisieren lässt. Das zeigt etwa die Aussage von Trumps Vize-Präsidenten JD Vance, die USA könnten ihre Unterstützung für die NATO reduzieren, sollte die EU die Online-Plattform X stärker regulieren. Auch andere große US-Tech Konzerne suchen in Trump einen Fürsprecher, um die Regulierung von Tech-Unternehmen durch die Europäische Kommission zu lockern.

Auch in Politikfeldern abseits der Sicherheitspolitik steigt unter Präsident Trump der Druck auf die EU, politische Reformen entschieden anzupacken. Die Energiepolitik ist zentral für europäische Wettbewerbsfähigkeit, auch gegenüber den USA. Hier bietet der konsequente Ausbau erneuerbarer Energien die Möglichkeit, europäische Wettbewerbsfähigkeit und Innovationskraft in Zukunftstechnologien zu stärken, Abhängigkeiten vom Ausland zu reduzieren, und eine Führungsrolle in der globalen Klimapolitik einzunehmen. Gleichzeitig wird Erdgas beim Übergang zu sauberen Energiequellen weiter eine wichtige Rolle spielen. Hier ergeben sich Kooperationsmöglichkeiten mit der Trump-Regierung, die weiter stark auf die Förderung fossiler Energieträger setzt. Doch müssen dabei europäische Interessen gewahrt werden, gerade wenn alternative Lieferungen aus Ländern wie Norwegen billiger und umweltschonender zu haben sind.

Pragmatismus und Geschlossenheit gefragt

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Pragmatismus und Geschlossenheit gefragt
 © PETE MAROVICH via www.imago-images.de

Auch zu gemeinsamen außenpolitischen Prioritäten ergeben sich Möglichkeiten zur pragmatischen Kooperation mit der Trump-Regierung. Die USA betrachten China als einen systemischen Rivalen, was die Bedeutung der EU für die amerikanische Außenpolitik erhöht. Gleichzeitig ist Trump in vielen Teilen der Welt populär wenn auch nicht in weiten Teilen Europas und bei anderen westlichen Verbündeten und verfügt gerade zu Beginn seiner Amtszeit über ein hohes Maß außenpolitischer Durchsetzungskraft. Trumps Unterstützung des weitgehend unter seinem Vorgänger Joe Biden ausgehandelten Waffenstillstandabkommens in Nahost hat etwa den Druck auf die Hamas und Israels Regierung erhöht, dem Deal zuzustimmen.

Inwieweit die EU von einer zweiten Amtszeit von Präsident Trump profitieren kann, hängt stark von ihrer eigenen Geschlossenheit und ihrem Mut zu Reformen ab. In einer möglichen Spaltung der EU liegt ihre größte Verwundbarkeit.

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