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Regierungschef Barnier will sich am Dienstagabend um 20.00 Uhr in einer TV-Ansprache an das Land wenden. Gegen die Regierung zu stimmen, sei "leider unsere einzige Möglichkeit, die uns die Verfassung gibt, um die Franzosen vor einem gefährlichen, ungerechten und bestrafenden Budget zu schützen", betonte RN-Fraktionschefin Marine Le Pen am Dienstag im Onlinedienst X. Am Vortag hatte sie Präsident Emmanuel Macron vorgeworfen, für die politische Krise verantwortlich zu sein, und ihm den Rücktritt nahegelegt.
Barnier hatte den Weg zu dem Misstrauensantrag geebnet, indem er am Vortag auf den Verfassungsartikel 49.3 zurückgegriffen hatte. Dieser erlaubt eine Verabschiedung ohne Abstimmung in der Nationalversammlung, wenn die Regierung ein anschließendes Misstrauensvotum übersteht.
Budgetminister Laurent Saint-Martin warf Le Pen vor, keine sachlichen Gründe für den Misstrauensantrag vorzubringen. "Abgeordnete beider Extreme wollen einen Text zensieren, der auf einem parlamentarischen Kompromiss beruht", sagte Saint-Martin dem Sender RTL. Er verwies darauf, dass der Gesetzesentwurf von einem Vermittlungsausschuss ausgehandelt worden war.
"Es ist klar, dass diejenigen, die den Misstrauensantrag stellen, nur einen politischen Vorwand suchen und nicht am Dialog interessiert sind", erklärte er. Tatsächlich war die Regierung zuvor bereits auf mehrere Forderungen des RN eingegangen. Kurz vor der Debatte in der Nationalversammlung am Dienstag hatte Barnier den Verzicht auf höhere Zuzahlungen für Medikamente angekündigt und damit einer Forderung des RN entsprochen.
Wirtschaftsminister Antoine Armand warnte davor, dass ein Sturz der Regierung das Land in Gefahr bringe. "Wenn morgen die Zinsen steigen, wenn es den Franzosen an das Ersparte geht und die Einkommenssteuer steigt - wer ist dann dafür verantwortlich?", fragte er rhetorisch mit Blick auf die Opposition. Das Land befinde sich an einem "Wendepunkt".
Barnier hatte die Verknüpfung des Sozialbudgets mit der Vertrauensfrage damit begründet, dass "der Dialog am Ende" sei. "Wir haben den entscheidenden Moment erreicht, der jeden vor seine Verantwortung stellt", hatte Barnier gesagt. Es sei an den Abgeordneten zu entscheiden, ob sie das Land mit "verantwortungsvollen und notwendigen Finanzgesetzen" ausstatten oder "ob wir in unbekanntes Terrain eintreten".
Links- und Rechtspopulisten reichten umgehend Misstrauensanträge ein, die am Mittwoch ab 16.00 Uhr debattiert werden. Voraussichtlich wird über den Antrag der Linkspopulisten zuerst abgestimmt. Mit einem Ergebnis wird am Abend gerechnet. Wenn die Rechtspopulisten ihn wie angekündigt unterstützen, wäre die Regierung damit gestürzt. Sie bliebe geschäftsführend im Amt, bis Präsident Macron eine neue Regierung einsetzt.
Macron ist derzeit auf einem dreitägigen Staatsbesuch in Saudi-Arabien und hat die Lage in der Heimat noch nicht öffentlich kommentiert. Er wird am Mittwoch zurück in Paris erwartet.
In politischen Kreisen als mögliche Nachfolger Barniers gehandelt würden Verteidigungsminister Sébastien Lecornu, der frühere sozialistische Premier Bernhard Cazeneuve und auch der vorherige Innenminister Gérald Darmanin, berichtete das Blatt "Le Parisien". Auch der frühere EU-Kommissar Thierry Breton wurde genannt.
Unabhängig davon, wer eine künftige französische Regierung leitet, bleiben die schwierigen Mehrheitsverhältnisse in der Nationalversammlung vorläufig bestehen. Weder das Linksbündnis, noch die Mitte-Rechts-Kräfte um Macron und auch nicht die Rechtsnationalen von Le Pen verfügen alleine über eine regierungsfähige Mehrheit. Bemühungen um eine Kooperation waren bisher erfolglos. Nach der vorgezogenen Parlamentswahl in diesem Sommer sind Neuwahlen erst wieder im Sommer 2025 möglich.
Wegen der Regierungskrise in Paris bleibt der Euro nach seinem jüngste Kursrutsch angeschlagen. Die Gemeinschaftswährung verlor am Dienstagmorgen 0,1 Prozent auf 1,0482 Dollar. Zu Wochenbeginn fiel sie in der Spitze um ein Prozent. Die zuletzt steigenden Renditen französischer Staatsbonds beunruhigen die Märkte. Frankreich kämpft mit hohen Defiziten und einer hohen Gesamtverschuldung. Dem Land stünden weitere unruhige Zeiten bevor, heißt es in einem Kommentar der Commerzbank. "Kein Wunder also, dass wir mittlerweile wieder unter 1,05 Dollar handeln - der Wechselkurs bleibt von allen Seiten unter Druck."