Der Standard sei ein „Scheißblatt“, postete der Wiener FPÖ-Chef Dominik Nepp auf X, gefolgt von „#presseförderungnurfürechtequalitätsmedien“. Positiver spricht die FPÖ über „Alternativmedien“ wie AUF1, wo Rechtsaußen-Inhalte, Verschwörungstheorien und Desinformation allgegenwärtig sind. Derartige Plattformen könnten bald öffentliches Geld erhalten. Warum das so problematisch ist, zeigt ein Blick auf die Entstehung von AUF1 und dessen Inhalte.
- Hetze statt Journalismus
- Anfänge bei neonazistischer „Kampfschrift“
- NS-Verherrlichung im „Jugend-Echo“
- Öffentliches Geld für Agentur eines Rechtsextremen
- Covid-Verschwörungstheorien
- Bei AUF1 zu Gast: Sellner, Weidel, Rosenkranz, Kickl
- Einschlägige Redaktion
- Beachtliche Reichweite
- Basis- und parteifinanziert
Die Tageszeitung Der Standard hat kürzlich über einen öffentlichen Stammtisch der FPÖ in Wien-Simmering berichtet. Dort hatten französische Journalisten heimlich mitgefilmt – nachdem sie tagelang vergeblich versucht hatten, ein Interview mit einem FPÖ-Politiker zu bekommen. Das Video zeigt, wie sich Harald Stefan und Markus Tschank in deftigem Ton über die EU, Asylwerber („Gesindel“) und den möglichen Koalitionspartner ÖVP auslassen. Die Reaktion des Wiener FPÖ-Chefs Dominik Nepp: Ein „Scheißblatt“ sei die Tageszeitung, Presseförderung sollten nur noch „echte Qualitätsmedien“ bekommen.
Wer sind diese „echten Qualitätsmedien“ nach FPÖ-Geschmack? Längst hat sich die FPÖ einen eigenen Medienkosmos geschaffen, über den sie ihre Anhänger erreicht. Neben den eigenen Social-Media-Auftritten und den offiziellen Parteimedien Neue Freie Zeitung und FPÖ-TV – und bald auch einem eigenen Radiosender – gehören dazu auch Medien wie AUF1, die sich selbst als unabhängig bezeichnen, aber finanzielle und/oder personelle Verbindungen zur FPÖ aufweisen. FPÖ-Politiker treten dort gerne auf, weil sie sich nicht vor kritischen Fragen fürchten müssen. Im FPÖ-Sprech nennt sich das dann „ungefiltert“.
Herbert Kickl gab wohl nicht zuletzt deshalb AUF1 sein erstes Interview am Wahlabend nach der Nationalratswahl 2024, auch Nationalratspräsident Walter Rosenkranz sorgte mit einem AUF1-Interview für Irritation.
Wer für die FPÖ ein „echtes Qualitätsmedium“ ist, zeigt auch die im FPÖ-Wahlprogramm enthaltene Kritik an der von ÖVP und Grünen eingeführten Qualitätsjournalismusförderung. Dieses Geld möchte man lieber folgendermaßen verteilen: „Alternative Medien werden als rechtsextrem oder Verschwörungstheoretiker diffamiert und von Fördergeldern abgeschnitten. Wir brauchen eine faire und transparente Förderstruktur, die die Entwicklung und Etablierung alternativer Medienkanäle ermöglicht“, heißt es auf Seite 12.
Will die FPÖ die Kriterien für die Medienförderung lockern und sie auf „Alternativmedien“ ausweiten? Eine entsprechende News-Anfrage wollte die FPÖ-Pressestelle nicht beantworten. Wie problematisch ein solcher Schritt wäre, zeigt der exemplarische Blick hinter die Kulissen von AUF1.
Hetze statt Journalismus
AUF1 und Konsorten heben sich in mehrfacher Hinsicht stark von klassischen Medien ab. Kritischen Journalismus sucht man dort vergeblich – und findet stattdessen Hetze und Desinformation. Das Dokumentationsarchiv des österreichischen Widerstands (DÖW) bezeichnet AUF1 als rechtsextrem, genauso die im Innenministerium von Gerhard Karner (ÖVP) angesiedelte Direktion Staatsschutz und Nachrichtendienst (DSN) im Verfassungsschutzbericht von 2023.
Verwunderlich ist das kaum, wenn man sich den Gründer und „Chefredakteur“ des Mediums genauer ansieht.
Anfänge bei neonazistischer „Kampfschrift“
Gründer und „Chefredakteur“ von AUF1 ist der Oberösterreicher Stefan Magnet. Kennern der österreichischen rechtsextremen Szene ist er schon länger ein Begriff: In seiner Jugend ist der heute 41-Jährige Teil der Führung der Neonazi--Gruppe „Bund freier Jugend“ (BfJ), der Jugendorganisation der rechten Kleinpartei „Arbeitsgemeinschaft für demokratische Politik (AFP).
Zu dieser Zeit sammelt Magnet auch erste publizistische Erfahrungen bei der Zeitung des BfJ, dem Jugend-Echo. Eine „Kampfschrift der nationalen Jugend in Österreich“ will das Magazin sein, mit der Aufgabe, die „gemeinsame, einheitliche Weltanschauung“ der „nationalen Jugend“ zu festigen, damit es nicht zu „aktionshemmenden Diskussionen über grundsätzliche Dinge“ kommt, heißt es damals auf der Website des BfJ.
Magnet wird 2007 nach dem Verbotsgesetz wegen vermeintlicher Wiederherstellung oder Aufrechterhaltung aufgelöster nationalsozialistischer Organisationen angeklagt. Gemeint ist die Hitlerjugend. Ein schwer beweisbarer Vorwurf. Nach sechs Monaten Untersuchungshaft werden Magnet und seine Mitstreiter freigesprochen, ihm wird eine Haftentschädigung ausbezahlt.
NS-Verherrlichung im „Jugend-Echo“
Im Zuge des Prozesses gegen Magnet und seine Mitstreiter verfasst der Verfassungsjurist Heinz Mayer im Auftrag der „Welser Initiative gegen Faschismus“ und des Mauthausen-Komitees ein Gutachten über AFP und BfJ. Mayer schreibt darin, die von der AFP zu verantwortenden Publikationen würden „seit Jahrzehnten massiv gegen die Bestimmungen des Verbotsgesetzes verstoßen“.
Typisch seien „offenkundige und verbrämte Verherrlichung nationalsozialistischer Ideen und Maßnahmen, zynische Leugnung von nationalsozialistischen Gewaltmaßnahmen, eine hetzerische Sprache mit deutlich aggressivem Ton gegen Ausländer, Juden und ‚Volksfremde‘ sowie eine Darstellung ‚des Deutschen‘ als Opfer“. Die Beiträge im Jugend-Echo seien von „besonderer Aggressivität“, NS-Biografien würden „als Vorbild dargestellt“ und Rassenhass propagiert.
Öffentliches Geld für Agentur eines Rechtsextremen
Trotz Magnets einschlägiger Vita hat die FPÖ wenig Berührungsängste mit Magnet. 2011 gründet dieser die Medienagentur MS Medienlogistik GmbH. Sie erhält bald Aufträge des Landes Oberösterreich. Insgesamt knapp 164.000 Euro fließen zwischen 2012 bis 2020, gibt ÖVP-Landeshauptmann Thomas Stelzer auf Anfrage der NEOS-Landtagsfraktion an – nicht nur aus den Budgets der FPÖ-Landesräte. Auch ÖVP-Ressorts zahlten gut 19.000 Euro an die Agentur, berichtet Der Standard.
Magnet selbst gibt gegenüber dem Standard an, die Volkspartei habe ihn sogar noch vor der FPÖ beauftragt. Die Zusammenarbeit sei mit beiden Parteien stets „professionell und angenehm“ gewesen. -Magnets Einstellungen und Publikationen scheinen dabei nicht zu stören.
Covid-Verschwörungstheorien
Im März 2021 gründet Magnet AUF1, das sich zu Beginn vor allem an Maßnahmen-Gegner richtet. Via Website und Social Media verbreitet AUF1 fortan neben Falschinformationen über Impfstoffe und Covid-Tests unter anderem die Verschwörungstheorie vom „Great Reset“: Die Pandemie sei von langer Hand geplant und diene dazu, die Weltbevölkerung zu dezimieren. Häufig kommen dazu in der Szene bekannte Ideologen wie der von AUF1 als „Corona-Held“ bezeichnete Sucharit Bhakdi zu Wort, der auch bei FPÖ-Parteiveranstaltungen ein häufiger Gast ist. Er bezeichnet unter anderem die Weltgesundheitsorganisation WHO als „satanisch“ und behauptet, man könne sich generell nicht gegen Viruserkrankungen impfen.
Bei AUF1 zu Gast: Sellner, Weidel, Rosenkranz, Kickl
Neben Covid gehören Migration und „woke Ideologie“ zu den prominentesten Themen von AUF1. Regelmäßig kommen bekannte Rechtsextreme wie der ehemalige Identitären-Chef Martin Sellner und der deutsche Publizist Jürgen Elsässer zu Wort. Letzterer freute sich im AUF1-Interview etwa darüber, dass Wladimir Putin mit dem Angriff auf die Ukraine dem „globalistischen Imperium“ seine Grenzen aufzeige.
Auch deutsche, österreichische und ungarische Rechtsaußen-Politiker folgen gerne dem Ruf des rechtsextremen Mediums, etwa AfD-Spitzenkandidatin Alice Weidel, Walter Rosenkranz, Herbert Kickl und Ungarns Regierungschef Viktor Orbán. „Erstmals dürfen die beiden im Fernsehen auch wirklich ihre Argumente vorbringen und frei sprechen“, heißt es im Text zum 80-minütigen gemeinsamen Interview von Magnet mit Weidel und Kickl.
Einschlägige Redaktion
Neben Magnet finden sich weitere schillernde Persönlichkeiten in der AUF1-„Mannschaft“. Programmchef ist ein Ex-Kamerad Magnets aus dem BfJ, Andreas Retschitzegger. Philipp Huemer, ehemaliger Leiter der Identitären Bewegung Wien, ist AUF1-„Innenpolitik-Redakteur“. „Frontfrau“ des Moderationsteams ist Elsa Mittmansgruber, Soziologin und Autorin eines Buchs mit dem vielsagenden Titel „Rechtsextrem? Oder: Unkorrekt, aber richtig“.
Beachtliche Reichweite
AUF1 dürfte mittlerweile zu den reichweitenstärksten „Alternativmedien“ im deutschsprachigen Raum gehören. Die Panel-Studie AUTNES der Universität Wien ergab, dass im Oktober 2024 neun Prozent der 3.074 österreichischen Befragten mindestens einmal pro Woche AUF1 nutzen, etwas weniger als FPÖ-TV und Unzensuriert. Unter den FPÖ-Wählern sind es 15 Prozent.
Ein Großteil der Zugriffe auf die Website dürfte aus Deutschland kommen, glaubt man den Daten des Webanalysedienstes Similarweb. Auch der YouTube-Kanal des Mediums erzielt bei Videos mit Deutschland-Bezug deutlich mehr Aufrufe – teils mehrere Hunderttausend. 300.000 Abos zählt der Telegram-Auftritt des Mediums. Immer wieder teilen auch Social-Media-Accounts der FPÖ AUF1-Inhalte und machen sie so einem größeren Publikum zugänglich.
Basis- und parteifinanziert
Insgesamt zwölf Personen zählt AUF1 zu seinem festen Team. Sie produzieren eine große Menge an professionell anmutenden Inhalten, darunter ein täglicher, knapp 20-minütiger Nachrichtenüberblick. Das kostet natürlich Geld. Auf seiner Website gibt das Medium an, es werde „ausschließlich durch seine Zu-seher finanziert“, und zwar durch Spenden an den Trägerverein des Mediums, dessen Obmann Stefan Magnet ist, und durch den AUF1-Shop. Dort werden unter anderem einschlägige Bücher, Sticker, T-Shirts und Survival-Ausrüstung für den Fall eines „Blackouts“ verkauft – vor dem AUF1 selbst regelmäßig und eindringlich warnt. Schon beim ersten Blick auf die Startseite offenbaren sich auch noch andere Geldquellen: Inserate der FPÖ und des deutschen AfD-Großspenders und Bauingenieurs Hartmut Issmer.
Ob es noch andere größere Geldgeber im Hintergrund gibt, ist unklar. Wenn die FPÖ ihr Wahlversprechen erfüllt, könnte schon bald die öffentliche Hand hinzukommen. Es wäre ein unrühmlicher Höhepunkt der Normalisierung rechtsextremen Gedankenguts in Österreich.