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Kickl hat nach eigenen Aussagen nach der Präsidiumssitzung mit Stocker telefoniert. Zuvor hatte er in einem Pressestatement, bei dem keine Fragen zugelassen waren, betont, dass er nicht in die Vergangenheit schaue sondern in die Zukunft. Unverzeihlichkeit führe zu nichts, auch wenn er die Skepsis mancher Warner der Volkspartei gegenüber verstehe: "Ich habe ja zuerst auch gedacht, ich höre nicht richtig", meinte der FP-Chef zum Schwenk der ÖVP in Richtung Freiheitlichen. Dass er nun mit der Volkspartei rede, sei auch für ihn nicht leicht. Gleichzeitig adressierte er an die ÖVP, dass diese erkennen werde müssen, wer stärkste Partei geworden und wer am zweiten Platz gelandet sei.
Auch mit Warnungen spickte Kickl sein Gesprächsangebot an die ÖVP. Er wolle nun "keine Spielchen, keine Tricks, keine Sabotage, keine Quertreiberei, keine Politik des Machterhalts Willen", sagte er in Richtung der neuen Parteispitze. Es brauche einen Partner, der geschlossen, homogen und stabil sei. Auch eine intern zerstrittene ÖVP wolle er nicht als Koalitionspartner, wo unterschiedliche Akteure unterschiedliche Ziele verfolgen. "Wenn das nicht gewährleistet ist, dann war es das auch schon wieder", so der FPÖ-Chef.
Angst vor einer Neuwahl, sollten die Gespräche scheitern, dürfte Kickl zumindest nicht haben, wie er klarstellte. So hätte er es sich bereits im Gespräch mit dem Bundespräsidenten einfach machen und den bequemeren Weg einschlagen können, angesichts des "Siegeslaufs" seiner Partei und guter Umfragewerte. "Ich traue der Freiheitlichen Partei zu, diese Umfragewerte zu materialisieren", so der Parteichef. "Ich habe mich für den Weg der staatspolitischen Verantwortung entschieden."
"Vertrauen investieren" will Kickl nun auch in den neuen geschäftsführenden ÖVP-Obmann Christian Stocker, der als einstiger Generalsekretär seiner Partei besonders scharf auf ihn geschossen hatte: "Auch das ist nicht leicht für mich. Wir haben eine interessante gemeinsame Vergangenheit." Persönliche Befindlichkeiten würden aber im Fall von Regierungsverhandlungen eine untergeordnete Rolle spielen, betonte der FPÖ-Obmann. "Unsere Hand ist somit weiter, oder wenn Sie es wollen wieder ausgestreckt."
Die Freiheitlichen hatten bereits nach dem Scheitern der ersten Gespräche mit der Volkspartei - noch unter Parteichef und Bundeskanzler Karl Nehammer - ein Positionspapier für Verhandlungen veröffentlicht und die Türkisen immer als möglichen Koalitionspartner bevorzugt.
ÖVP-Klubobmann August Wöginger meinte nach Kickls ausführlichem Statement gegenüber Ö1: "Wenn man das ernst meint, ist es sicher notwendig, wieder vertrauensbildende Maßnahmen zu setzen." Die ÖVP wisse um ihre "Verantwortung für das Land und die Menschen". Dieser habe man sich nie entzogen. In Richtung Kickl meinte Wöginger: "Es ist aber nicht Zeit, Druck auszuüben."
Vor der Pressekonferenz hatte sich der ÖVP-Klubobmann erneut bemüht, der SPÖ die Schuld am Scheitern der Koalitionsverhandlungen zwischen ÖVP, SPÖ und NEOS zuzuschieben. "Babler hat den Weg für Kickl frei gemacht", erklärte Wöginger in einer Aussendung. Der SPÖ-Vorsitzende Andreas Babler habe "starr an linken Uralt-Dogmen festgehalten und keine Kompromissbereitschaft gezeigt, das Land voranzubringen", argumentierte er ähnlich wie der scheidende Bundeskanzler Karl Nehammer (ÖVP) am Vortag.
Dies ließ SPÖ-Bundesgeschäftsführer Klaus Seltenheim nicht auf sich sitzen. Die Sozialdemokratie habe ihre staatspolitische Verantwortung ernst genommen und sei bereit gewesen, Verantwortung zu übernehmen. In der ÖVP hätten sich aber jene Kräfte durchgesetzt, die von Anfang an Blau-Schwarz wollten, hieß es in einer Aussendung.
Kritik an der ÖVP kam von Grünen-Chef Werner Kogler. Die Abfolge der Ereignisse seit der Nationalratswahl bezeichnete er als "unfassbar, ungeheuerlich, unwürdig und im Ergebnis unverantwortlich". Die Aktion sei wohl "größte Wählertäuschung der Zweiten Republik", so Kogler in einem Video-Statement auf X. Die ÖVP habe einen Wahlkampf geführt, um einen "Volkskanzler Kickl" zu verhindern und dann sei sie am "Absatz umgedreht", um genau das zu ermöglichen. Kogler kündigte eine "scharfe" Oppositionspolitik an und dass man seitens der Grünen die Zusammenarbeit mit SPÖ und NEOS suchen werde.
FPÖ-Bundesparteiobmann Herbert Kickl am Dienstag, 7. Jänner 2025, anlässlich einer Presseerklärung anlässlich der bevorstehenden Koalitionsverhandlungen mit der ÖVP in Wien.