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Markus Marterbauer: „Es geht so nicht weiter“

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15 min

Markus Marterbauer

©Bild: Matt Observe

Der neue Finanzminister Markus Marterbauer ist dieser Tage der Überbringer schlechter Budget-Botschaften. Dennoch sind seine Vertrauenswerte hoch. Er setze auf „Fakten, Lösungskompetenz und Zuversicht“, sagt er im Interview. Und er erklärt, warum ein Sparpaket, das Akzeptanz finden soll, alle treffen muss.

Sie stecken mitten in den Budgetverhandlungen. Doch der Fiskalrat sagt schon jetzt über das Konsolidierungspaket: Es reicht nicht. Reicht’s?

Die Ausgangslage ist schlecht und ist in den sechs Wochen, die wir jetzt arbeiten, noch schlechter geworden, weil ­immer neue Daten gekommen sind. Die Frage ist: Wofür soll es reichen? Unser Ziel ist, das Defizit gegenüber dem Vorjahr zu verringern. Das ist anspruchsvoll. Mein erster Anspruch ist, dass wir das Sparpaket – das mit 6,4 Milliarden Euro eines der größten der Geschichte ist – auf den Boden bringen. Das ist sehr harte Arbeit. Wir werden damit nicht unter die Marke von drei Prozent des BIP kommen. Aber: Es wäre sehr gefährlich, würden wir dafür überhastet das Doppelte einsparen wollen. Wir würden Beschäftigung und Konjunktur völlig abwürgen, was wieder negative Effekte auf die Einnahmenseite hätte.

Experten bezweifeln, dass die 6,4 Milliarden erreicht werden.

Der Fiskalrat hat versucht, die Maßnahmen abzuschätzen, die schon bekannt sind. Aber wir haben weitere Maßnahmen vor, die ich bei der Budgetrede darstellen werde. Dann wird der Fiskalrat nach einer Neueinschätzung viel näher bei den 6,4 Milliarden Euro sein. Insbesondere bei den 1,1 Milliarden Euro Einsparungen in den Ministerien sind wir schon viel weiter, als der Fiskalrat wissen kann. Wenn auch noch nicht am Ziel.

Es gab in den letzten Wochen eine Flut an immer schlimmer werdenden Prognosen. Wie soll da die Stimmung im Land besser werden, damit die Leute wieder mehr konsumieren?

Das Budget ist ein Spiegelbild der wirtschaftlichen und vor allem der Beschäftigungsentwicklung. Wenn sich Beschäftigung und Einkommen schlecht entwickeln, wie es seit drei Jahren der Fall ist, dann fehlen im Budget Einnahmen. Auch die Konsumnachfrage der privaten Haushalte ist eine zentrale ­Determinante der wirtschaftlichen Entwicklung. Ich vertraue darauf, dass die Menschen sehr viel Problembewusstsein haben und sehen, dass wir nicht dauerhaft mit so hohen Budgetdefiziten und Staatsschulden weitermachen können. Ich glaube, es ist viel Verständnis da, selbst wenn einen die Sparmaßnahmen betreffen, etwa durch geringere Transfers, die man vom Staat bekommt, geringere Förderungen und vielleicht auch höhere Abgaben. Ich vertraue darauf, dass die Leute sagen: „Wir müssen das Budget jetzt gemeinsam sanieren.“ Das kann durchaus auch ein bisschen zu positiver Stimmung beitragen. Ob es ­gelingt, werden wir sehen, aber das ist es, was wir versuchen.

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Man kann kein Sparpaket von mehr als sechs Milliarden Euro heuer schnüren, das niemand merkt

Der Sparkurs wird jeden treffen. Können Sie schon sagen, wie?

Ja, es wird alle treffen. Man kann kein Sparpaket von mehr als sechs Milliarden Euro heuer und mehr als acht Milliarden im nächsten Jahr schnüren, das niemand merkt. Alle werden spüren, dass der Klimabonus nicht mehr ausbezahlt wird. Es sind auch Gruppen betroffen, wo es uns (die SPÖ, Anm.), das sage ich ganz offen, nicht so gefällt: etwa die Erhöhung des Krankenversicherungsbeitrages für Pensionistinnen und Pensionisten. Aber auch dort vertraue ich darauf, dass die ältere Bevölkerung weiß, dass sie sehr hohe Gesundheitskosten in Anspruch nimmt. Das ist auch gut so und soll so bleiben. Aber es kostet eben auch sehr viel, daher muss man anpassen. Ich hoffe da auf Verständnis.

Es gibt Bereiche im Staat, die schlechter funktionieren: Bildung, Gesundheit. Da viel Geld zu investieren, wird aber nicht möglich sein. Die versprochenen Verbesserungen werden wohl auf sich warten lassen?

Viele Bereiche des Sozialstaates – von Bildung bis Gesundheit – funktionieren im internationalen Vergleich hervorragend, aber für die österreichischen Gewohnheiten nicht mehr, etwa weil man lange auf einen Arzttermin wartet. Daher ist es der Regierung wichtig, Offensivmaßnahmen zu setzen, wo es dringend ist. Der Bildungsminister hat etwa 750 zusätzliche Posten für pädagogisches Personal im Bereich Deutschförderung angekündigt. Ich halte den Bildungsbereich für besonders wichtig. Davon, dass das Bildungssystem gut funktioniert, hängt es ab, dass Kinder ein gutes Leben haben. Dass sie gut ausgebildet sind, ist auch wirtschaftlich von enormer Bedeutung. Dort müssen wir investieren, und zwar sehr gezielt. So wollen wir das in allen Bereichen machen: schauen, dass die Leistungen besser werden, aber die Mittel ganz sparsam und effizient eingesetzt.

Das Bildungsministerium muss 15 Prozent seiner Kosten sparen. Wie geht sich das mit mehr Personal aus?

Auch das Bildungsministerium muss sparen: bei Verwaltungskosten, Studien etc. Wir sind hier schon sehr weit in den Budgetverhandlungen, gleichzeitig bekommt es aber Mittel für die offensive Deutschförderung.

Um das gesamtstaatliche Defizit zu senken, brauchen Sie Länder und Gemeinden. Da war schon der Reflex zu hören: „Bei uns nicht.“

Das ist möglicherweise der öffentliche Reflex. In den Gesprächen mit Ländern und Gemeinden ist die Stimmung aber sehr konstruktiv. Ich haben den Eindruck, dass die Bereitschaft beizutragen und das Bewusstsein, dass die Budgetkonsolidierung nur gesamtstaatlich ­gelingen kann, sehr ausgeprägt sind. Eine Reihe von Ländern schnürt bereits heuer Sparpakete. Der Defizitabbau mit Ländern und Gemeinden ist ein mittelfristiges Projekt, das in den nächsten Jahren gelingen muss. Aber ich bin ­eigentlich recht zuversichtlich, dass wir es schaffen.

Wie können Länder und Gemeinden beitragen? Es steht wieder einmal die Föderalismusreform im Raum.

Wir haben zwei Elemente im Sanierungsprogramm: Kurzfristig müssen wir heuer das Budgetdefizit verringern. Da geht es darum, geplante Projekte zu verschieben oder vielleicht abzusagen, manche Förderungen zu redimensionieren, also einfach Geld einzusparen. Das Zweite ist aber, dass wir Strukturre­formen brauchen, die Geld für andere Projekte freimachen. Das hat Gemeindebundpräsident Johannes Pressl gut dargestellt: Er sieht großes Sparpotenzial, indem man Verwaltungsaufgaben, Bauhöfe etc. mit den Nachbargemeinden gemeinsam macht. Wir haben so viele kleine Gemeinden: Warum sollte da nicht die Verwaltung mit anderen gemacht werden? Wenn wir das in den nächsten drei, vier Jahren umsetzen, ­gewinnen wir viel an Spielraum. Denn die Gemeinden sollen ja das tun, wofür sie gebraucht werden: den Kindergartenplatz am Nachmittag zur Verfügung stellen oder das Freibad.

In der Steiermark gab es Gemeindezusammenlegungen und die zuständigen Politiker wurden bei der nächsten Wahl abgestraft, weil es eben auch um Emotionen geht und nicht nur um Zahlen.

Das ist ein guter Punkt. Es geht nicht nur um ein technisches Problem, sondern auch um politische Umsetzung. Man muss die Bevölkerung einbinden und sagen, manche Dinge sind nicht mehr leistbar, weil wir uns andere Dinge leisten müssen. Wir müssen das Gesundheitssystem effizienter machen, weil wir den Pflegebereich dringend ausbauen müssen. Da die Bevölkerung mitzunehmen, ist sehr wichtig. Ein ­Positivbeispiel ist die Spitalsreform in Niederösterreich, die auf breiter Basis aller Parteien umgesetzt wird.

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 © Matt Observe

Die Trump-Politik ist völlig erratisch und unverantwortlich. Sie ist eine riesige Gefahr für die Weltwirtschaft

Auch hier hört man Klagen, wenn in einem Spital eine Abteilung geschlossen wird.

Wir haben ja bei Krankenhäusern oft das Problem, dass die Versorgung bei einzelnen Leistungen schlecht ist, weil es an einzelnen Standorten nicht genug Personal dafür gibt. Wenn wir z. B. Hüft­operationen nur mehr an einem regionalen Standort anbieten, weil dort die Spezialistinnen und Spezialisten sind, werden die Leute draufkommen, dass die Versorgung dadurch besser wird und nicht schlechter.

Wie sehr sind Ihre Konsolidierungspläne von äußeren Einflüssen abhängig? Etwa vom neuen Regierungsprogramm in Deutschland?

Die wirtschaftliche Entwicklung und die Problemlösungskapazität der deutschen Regierung sind entscheidend für uns. Deutschland ist unser wichtigster Handelspartner. Wenn die Wirtschaft dort in Gang kommt, profitieren auch wir. Ebenso, wenn Deutschland eine starke Rolle in Europa spielen kann. Das war lange Zeit nicht der Fall. Für beides bin ich ­optimistisch. Das riesige deutsche Infrastruktur- und Klimapaket – 500 Milliarden Euro in den nächsten zwölf Jahren, um in öffentlichen Verkehr, Energie­netze, lokale Klimaverbesserungen oder Schutz vor Extremwetterereignissen zu investieren – wird uns extrem nützen. Wir haben tolle Firmen, die hier enorme Marktchancen haben werden. Ich erwarte auch viel vom neuen Finanzminister Lars Klingbeil, weil er in Europa eine Stimme für wirtschaftliche Vernunft und soziale Gerechtigkeit sein wird. ­Diese Kombination ist mir sehr wichtig.

Wie sehr schadet der erratische Kurs von Donald Trump Österreichs Wirtschaft und Budget?

Die Trump-Politik ist unverantwortlich und völlig erratisch. Sie ist eine riesige Gefahr für die Weltwirtschaft, verunsichert enorm die Finanzmärkte und die gesamte Wirtschaftspolitik. Die EU-Kommission hat aber einen tollen Job gemacht in der Reaktion auf die Trump-Zölle. Sachlich fest und trotzdem konziliant in der Verhandlungsbereitschaft. Sie hat signalisiert, dass eine Weltordnung nur auf Verhandlungen und Zusammenarbeit basieren kann und nicht auf irgendwelchen Dingen, die sich jemand einfallen lässt, der mit der Macht spielen will. Unser Credo ist Multilateralismus und internationale Kooperation. Das wird den USA angeboten, aber wenn sie das nicht wollen, wird man eben mit möglichst vielen anderen Ländern der Welt kooperieren. Ich halte zum Beispiel die Zusammenarbeit mit Kanada für essenziell.

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 © Matt Observe

Wenn Fakten, Lösungskompetenz und Zuversicht gut ankommen, dann freut es mich

Auch diese Nachrichten drücken die Stimmung. Dazu kommt noch der Krieg in der Ukraine. Warum sollten die Leute also positiv gestimmt sein?

Ja, es ist wirklich verheerend. Sowohl für die Stimmung der Konsumentinnen und Konsumenten als auch für die Unternehmensstimmung. Europa muss ­dagegenhalten und sagen: „Ja, wir erkennen die Probleme und versuchen, sie gemeinsam zu lösen. Wir setzen Dinge um, die zu Stabilität und Vertrauen beitragen.“ Mehr kann man ohnehin nicht tun. Aber das ist wirklich wichtig.

Wie fühlen Sie sich in der Rolle des Überbringers schlechter Botschaften, der der Finanzminister gerade ist?

Das war vielleicht nicht ganz so geplant, aber es ist notwendig. Die Budgetsituation ist so schlecht, dass wir einfach etwas tun müssen, sonst würden uns die Zins­ausgaben das Budget auffressen. Die Rolle des Finanzministers ist, zu sagen: „Es geht so nicht weiter.“ Wir müssen bei den Staatsausgaben sparen, Steuern und ­Abgaben erhöhen. Fakten nennen und Wahrheiten aussprechen. Etwas anderes bleibt mir jetzt eh nicht übrig.

Die Leute halten das aus?

Ich glaube schon. Ich bin schon gespannt auf die Reaktionen auf das ­Doppelbudget. Österreich war immer in der Lage, in schwierigen Situationen zusammenzustehen. Das ist wichtig, damit die Leute nicht das Gefühl haben, nur sie sind betroffen. Es muss klar sein, alle sind betroffen, und die, die es sich leicht leisten können, werden ­einen größeren Anteil tragen. Deshalb sind mir die Bankenabgabe und der Beitrag der Energiekonzerne so wichtig. Nicht nur, weil es Geld ins Budget spielt, sondern weil es symbolisch wichtig ist, dass große Konzerne zur Konsolidierung beitragen.

Finanzminister sind oft die beliebtesten Regierungsmitglieder. Auch Sie haben hohe Vertrauenswerte.

Das ist eine Momentaufnahme, die man nicht so ganz ernst nehmen muss. Mein Anspruch ist, weil ich ja aus der Wissenschaft komme, die Fakten auf den Tisch zu legen, zu sagen, was Sache ist, einen Weg vorzuschlagen, wie wir das Problem lösen – und gleichzeitig ein bisschen ­Zuversicht zu verbreiten. Wir können das lösen, weil wir eine wirtschaftlich und sozial starke Volkswirtschaft sind. Wenn Fakten, Lösungskompetenz und Zuversicht gut ankommen, dann freut es mich.

Sechs Wochen im Amt: Ist es so, wie Sie es sich vorgestellt haben?

Ich hatte keine Vorstellungen. Es ist eine völlig andere Welt. Aber die Stimmung ist gut und eigentlich macht es Spaß, trotz aller Probleme.

Dieser Beitrag ist ursprünglich in der News-Printausgabe Nr. 16/25 erschienen.

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