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Der Haftbefehl gegen Yoon war am Dienstag im Zusammenhang mit den Ermittlungen wegen seiner kurzzeitigen Ausrufung des Kriegsrechts erlassen worden, nachdem der Politiker wiederholt eine Befragung durch die Ermittler verweigert hatte. Gegen Yoon ermitteln die Staatsanwaltschaft sowie ein gemeinsames Team aus Polizei, Verteidigungsministerium und Antikorruptionsbehörde. Dieses soll die Umstände der umstrittenen Ausrufung des Kriegsrechts untersuchen.
Laut einem Beamten der Antikorruptionsbehörde wurde den rund 20 Ermittlern und 80 Polizeibeamten bei der versuchten Verhaftung jedoch der Weg auf dem Gelände der Residenz von Yoon durch rund 200 Soldaten und Sicherheitskräfte versperrt. Die Vollstreckung des Haftbefehls sei dadurch "faktisch unmöglich" gewesen. Die Verhandlungen zwischen den beiden Seiten seien ins Stocken geraten, die Ermittler hätten beschlossen, sich aus Sicherheitsgründen zurückzuziehen. Dabei hatten die Ermittler zuvor einen richterlichen Beschluss eingeholt. Dieser erlaubte es den Beamten ausdrücklich, die als sensible Einrichtung und daher als geheim eingestufte Residenz des abgesetzten Präsidenten in Seoul zu betreten.
"Soweit ich weiß, gab es kleinere und größere körperliche Auseinandersetzungen", erläuterte der Beamte. Den Schilderungen zufolge sperrte der Präsidiale Sicherheitsdienst (PSS) mit Kleinbussen und Autos die Einfahrt. Hunderte von PSS-Beamten bildeten eine Menschenkette, um die Ermittler aufzuhalten. Der Festnahmeversuch sei nach sechs Stunden abgebrochen worden.
Bereits zuvor hatte der PSS die behördlichen Ermittlungen blockiert und etwa Polizeidurchsuchungen im Büro des Präsidenten verhindert. Der 1963 gegründete PSS ist in etwa mit dem Secret Service in den USA vergleichbar, der für den Schutz amtierender und ehemaliger Präsidenten zuständig ist. Er setzt sich aus Mitarbeitern der Polizei, der Armee und der Nachrichtendienste zusammen. Der Präsident entscheidet, wer ihn leitet.
Der erste PSS-Chef von Yoon war sein Schulfreund Kim Yong-hyun, der später sein Verteidigungsminister wurde. Kim sitzt nun wegen seiner Rolle als Hauptverantwortlicher im Zuge der Kriegsrecht-Ausrufung in Haft, er ist Yoon aber auch im Gefängnis weiterhin treu ergeben. Während seiner Amtszeit als PSS-Chef übertrug Kim Berichten zufolge einem mit ihm aus früheren Zeiten eng verbundenen Elitekommando die alleinige Verantwortung für die Bewachung der Umgebung des Präsidialamtes. Laut dem Armee-Experten Kim Ki-ho handelt es sich dabei um eine der Königlichen Garde in Großbritannien vergleichbare Einheit. Die Soldaten hätten eine "strenge Befehlskette" und müssten den Befehlen der PSS gehorchen - und nicht der Polizei und den Ermittlern.
Nach der Ermordung des früheren südkoreanischen Diktators Park Chung-hee 1979 war der PSS zwar weitgehend entmachtet worden. Doch das Gesetz zur Sicherheit des Präsidenten verleiht ihm noch immer weitreichende Befugnisse. Diese erlauben es dem Dienst unter anderem, den Aufenthaltsort des Präsidenten zu sichern. Auch am Freitag berief sich der PSS unter seinem derzeitigen Chef Park Jong-jun auf genau diese Befugnisse.
Die Ermittler bedauern das Verhalten Yoons. Man wolle nun weitere Schritte prüfen, berichtete die Nachrichtenagentur Yonhap. Die von einem Gericht gebilligte Anordnung zur Festnahme ist noch bis Montag gültig. Der Festnahmebefehl war erlassen worden, weil Yoon dreimal eine Befragung zu seiner kurzzeitigen Ausrufung des Kriegsrechts verweigert hatte. Yoons Verteidiger nannten die Festnahmeanordnung laut Yonhap "illegal".
Vor der Residenz Yoons hatten bereits Hunderte seiner Anhänger versucht, Polizisten und Ermittlern den Zugang zu verwehren. Die Demonstranten riefen, sie wollten Yoon unter Einsatz ihres Lebens schützen. Yoon hatte am 3. Dezember das Kriegsrecht ausgerufen, um gegen die Opposition vorzugehen. Er begründete sein Vorgehen mit dem Vorwurf, sie sei Handlanger des kommunistischen Nordkoreas und habe den parlamentarischen Prozess gelähmt. Nach massiven Protesten auch aus seiner eigenen Partei hob er das Kriegsrecht sechs Stunden später wieder auf. Der Sicherheitsdienst hatte den Ermittlern jüngst schon einmal den Zutritt zum Präsidentenpalast verweigert.
Parallel zu den strafrechtlichen Ermittlungen läuft das Amtsenthebungsverfahren gegen Yoon, für das das Parlament am 14. Dezember gestimmt hatte. Mit dem Votum der Abgeordneten wurden dem konservativen Staatschef die Befugnisse entzogen. Er bleibt aber suspendiert im Amt, bis das Verfassungsgericht eine endgültige Entscheidung getroffen hat. Solange führt Finanzminister Choi Sang-mok als Interimspräsident die Staatsgeschäfte. In dem Amtsenthebungsverfahren soll es am 14. Jänner eine erste mündliche Verhandlung geben.
Yoon ist der erste Präsident Südkoreas, dem in einer Amtszeit eine Festnahme droht. Nach einer Festnahme hätten die Ermittler 48 Stunden Zeit, Yoon zu befragen und zu entscheiden, ob sie einen Haftbefehl beantragen oder den 64-Jährigen wieder freilassen.