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Angesichts der jihadistischen Großoffensive gegen die Truppen von Machthaber Bashar al-Assad forderten die vier NATO-Staaten am Sonntag "alle Parteien zur Deeskalation und zum Schutz von Zivilisten und Infrastruktur auf, um neue Vertreibungen und die Störung des Transports humanitärer Hilfe zu verhindern".
Die aktuelle Eskalation "unterstreicht nur die dringende Notwendigkeit" einer "politischen Lösung des Konflikts", hieß es in einer vom US-Außenministerium veröffentlichten Mitteilung. Dies müsse "in Übereinstimmung mit der UNO-Sicherheitsratsresolution 2254" geschehen, hieß es weiter. Damit bezogen sich die vier Staaten auf eine UNO-Resolution aus dem Jahr 2015. Diese sieht einen Zeitplan zur Beendigung des Konflikts mit einem Waffenstillstand, der Bildung einer Übergangsregierung innerhalb von sechs Monaten, der Ausarbeitung einer neuen Verfassung und Wahlen innerhalb von 18 Monaten vor.
Die Jihadistengruppe Hayat Tahrir al-Sham (HTS), der syrische Ableger des Terrornetzwerkes Al-Kaida, und verbündete Gruppierungen hatten am Mittwoch eine überraschende Großoffensive gegen die syrischen Regierungstruppen gestartet. Bei den heftigsten Kämpfen seit 2020 wurden nach Angaben der Syrischen Beobachtungsstelle für Menschenrechte schon mehr als 400 Menschen getötet, darunter mehr als 60 Zivilisten.
Russland richte seine Haltung daran aus, was notwendig sei, um die Lage zu stabilisieren, sagte Peskow. Details nannte er nicht. Erstmals seit 2016 flogen russische Kampfflugzeuge am Sonntag und in der Nacht auf Montag wieder Angriffe auf die zuvor von den Jihadisten eingenommene, zweitgrößte syrische Stadt Aleppo. Das Eingreifen Russlands in den Bürgerkrieg hatte ab 2015 die wankende Macht Assads stabilisiert.
Allerdings sind die russischen Kräfte in Syrien wegen ihres Angriffskriegs gegen die Ukraine nicht mehr so stark wie damals. Moskau wurde von der Offensive überrascht; deshalb wurde nach inoffiziellen Berichten russischer Militärblogger der kommandierende General in Syrien, Sergej Kissel, abgelöst.
Die Türkei rief angesichts der Offensive der islamistischen Rebellen im Nachbarland Syrien zu Verhandlungen auf. Die jüngsten Ereignisse zeigten einmal mehr, dass sich die syrische Regierung mit dem Volk und Oppositionskräften einigen müsse, sagte der türkische Außenminister Hakan Fidan in Ankara bei einer Pressekonferenz mit seinem iranischen Kollegen Abbas Araqchi.
Die Türkei habe kein Interesse an einer Ausweitung des Bürgerkrieges, sagte Fidan. Man wolle zudem verhindern, dass der Konflikt eine neue Fluchtbewegung auslöse. Vielmehr wolle die Türkei, dass syrische Flüchtlinge, die in der Türkei leben, wieder zurückkehren.
Fidan warb zudem für eine Wiederbelebung des sogenannten Astana-Prozesses. Nach dem militärischen Eingreifen Moskaus im syrischen Bürgerkrieg 2015 begannen trilaterale Gespräche der Schutzmächte Russland, Iran und Türkei, aus denen sich der Astana-Prozess entwickelte - benannt nach dem ersten Treffen in der Hauptstadt Kasachstans.
Die deutsche Journalistin und Syrien-Expertin Kristin Helberg lieferte am Montag im "Mittagsjournal" des ORF-Radios Ö1 eine Analyse der jüngsten Ereignisse in der Arabischen Republik: Die Lage in der Nordwest-Provinz Idlib sei "seit Jahren katastrophal", der 2011 begonnene Bürgerkrieg nach wie vor nicht gelöst. Die Offensive der Jihadisten sei eine Reaktion auf jüngste Bombardierungen durch russische und syrische Luftstreitkräfte gewesen; die Jihadisten seien von ihrem Vormarsch selbst überrascht.
Vorrangiges Ziel von HTS sei nicht die Errichtung eines Kalifats, wie dies der IS (Islamischer Staat) getan habe. Vorrangiges Ziel sei der Sturz des Assad-Regimes, das nur mehr "sehr wenig Legitimität" besitze und zunehmend dafür verantwortlich gemacht werde, dass es den Syrern so schlecht wie nie seit 2011 gehe, führte Helberg aus.
"Das Assad-Regime ist in sich zusammengebrochen. Es wird angeführt vom Präsidentenpaar Bashar und Asma al-Assad, die mit den Geheimdiensten und einer Geschäftselite herrschen. Sie leben vom Handel mit der illegalen Droge Captagon, mit der sie die Region überschwemmt haben, und der Veruntreuung humanitärer Hilfe." Wie der Abzug von syrischer Polizei und Soldaten aus Aleppo gezeigt habe, sei die Bereitschaft, für diese "mafiösen Strukturen" zu kämpfen nicht mehr gegeben. Ohne Unterstützung der Verbündeten Russland und Iran könne sich die Führungselite in Damaskus nicht mehr an der Macht halten, wobei Russland durch den Ukraine-Krieg und der Iran samt ihren Milizen wie der Hisbollah durch den Nahost-Krieg beide geschwächt seien.