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Ende von Militäreinsatz in Syrien verkündet

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Kräfte der neuen Staatsführung auf Patrouille in Latakia
©APA/APA/AFP/OMAR HAJ KADOUR
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Das Verteidigungsministerium von Syriens Übergangsregierung hat am Montag das Ende des Militäreinsatzes in der Küstenregion im Westen des Landes verkündet, bei dem Einsatzkräfte Aktivisten und Augenzeugen zufolge Massakern mit hunderten Toten verübt hatten. Der Einsatz sei "erfolgreich" verlaufen, teilte Sprecher Hassan Abel laut der staatlichen Nachrichtenagentur SANA mit. Alle Ziele seien erreicht worden. Laut Aktivisten kam es freilich zu "ethnischen Säuberungen".

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Ministeriumssprecher Abel erklärte weiter, die Kräfte hätten "alle Sicherheitszellen und Regimeüberbleibsel" in Städten wie Latakia und in der Provinz Tartus "neutralisiert". Damit bezog er sich auf das im Dezember gestürzte Langzeit-Regime unter Diktator Bashar al-Assad.

Im an der Mittelmeerküste gelegenen Landesteil Syriens war die Gewalt in den vergangenen Tagen eskaliert. Zunächst hatten Assad-Anhänger Einsatzkräfte attackiert. Daraufhin töteten Einsatzkräfte der neuen Machthaber dutzende der Assad-treuen Kämpfer. Nach Angaben der Syrischen Beobachtungsstelle für Menschenrechte wurden aber auch mindestens 973 Zivilisten, insbesondere Angehörige der alawitischen Minderheit ermordet.

Wie die Syrische Beobachtungsstelle für Menschenrechte am Montag mitteilte, wurden bei zahlreichen Massakern in Küstengebieten und im Latakia-Gebirge in den letzten Tagen mindestens 973 Zivilisten getötet. Darunter seien auch Frauen und Kinder.

Die Beobachtungsstelle sprach von "Tötungen, Exekutionen vor Ort und ethnischen Säuberungsaktionen" im Zuge der tödlichen Zusammenstöße zwischen Sicherheitskräften der neuen islamistischen Führung und Kämpfern der alawitischen Minderheit. Die in Großbritannien ansässige Beobachtungsstelle bezieht ihre Informationen von einem Netzwerk von Aktivisten vor Ort. Ihre Angaben können oft nicht unabhängig überprüft werden.

Drei Monate nach dem Sturz des langjährigen Machthabers Assad hatten Einsatzkräfte der neuen islamistischen Machthaber nach übereinstimmenden Berichten in den vergangenen Tagen Massaker an hunderten Zivilisten im Westen des Landes verübt. Der Beobachtungsstelle zufolge wurden im Nordwesten des Landes seit Donnerstag mehr als 1.300 Menschen getötet. Augenzeugen berichteten am Wochenende von regelrechten Jagdszenen, der griechisch-orthodoxe Patriarch von Antiochien, Johannes X., sprach von Massakern auch an Christen. Die Beobachtungsstelle meldete regelrechte "Massaker" und "Hinrichtungen", bei denen auch Kinder getötet worden seien. Die Opfer würden aufgrund ihrer Zugehörigkeit zu den Alawiten oder ihres Wohnorts ausgesucht.

In der mehrheitlich von Alawiten bewohnten Region Latakia war es ab Donnerstag zu heftigen Gefechten zwischen Kämpfern der neuen islamistischen Führung und Anhängern Assads gekommen, welcher der alawitischen Minderheit angehört. Am Freitag startete die neue Führung einen Großeinsatz gegen "die Überreste von Assads Milizen und deren Unterstützer".

Nach der Gewalteskalation hat die NGO Ärzte ohne Grenzen (MSF) mit der Lieferung medizinischer Hilfsgüter an Krankenhäuser in den betroffenen Kampfgebieten begonnen. Darunter sind sogenannte Trauma-Kits für wirksame Erste Hilfe in besonders schwierigen Situationen. Die Hilfsorganisation eröffnet laut einer Aussendung zudem ein Projekt zur Unterstützung der Notaufnahme des Spitals in Tartus, um Medikamente und Schulungen für den Umgang mit einem möglichen Massenansturm von Verletzten bereitzustellen.

Die Regierung der halbautonomen Kurdenregierung im Nordosten Syriens verurteilte am Sonntag die Gewalt und warnte in einer Erklärung vor einer Rückkehr "in eine dunkle Zeit, welche die Syrer nicht noch einmal erleben wollen".

Übergangspräsident Ahmed al-Sharaa, dessen islamistische Regierung sich seit dem Sturz von Assad gemäßigt gibt, rief in einer Moschee in Damaskus dazu auf, "die nationale Einheit" und den "inneren Frieden" des Landes "so weit wie möglich" zu bewahren. Er fügte hinzu: "So Gott will, werden wir in der Lage sein, in diesem Land so weit wie möglich zusammen zu leben."

Das syrische Präsidialamt setzte nach eigenen Angaben eine "unabhängige" Untersuchungskommission ein, welche "die Übergriffe auf Zivilisten untersuchen und die Verantwortlichen identifizieren" soll. Später sagte Sharaa in einer von SANA verbreiteten Videobotschaft: "Wir werden mit Entschlossenheit und ohne Nachsicht jeden zur Rechenschaft ziehen, der am Blutvergießen unter der Zivilbevölkerung beteiligt war oder die die Befugnisse des Staates überschritten hat."

In Damaskus lösten Sicherheitskräfte unterdessen einen Schweigemarsch für die Opfer auf, nachdem es zu Zusammenstößen mit Gegendemonstranten gekommen war. Die Protestierenden wurden mit Warnschüssen vertrieben.

Die islamistische HTS-Miliz von Sharaa und verbündete Milizen hatten am 8. Dezember Damaskus erobert und die jahrzehntelange Schreckensherrschaft von Assad beendet. Seit der Machtübernahme hat Sharaa wiederholt versichert, die Minderheiten im Land schützen zu wollen. Die HTS ging einst aus der Al-Nusra-Front hervor, dem syrischen Ableger des Terrornetzwerks Al-Kaida.

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