US-Präsident Donald Trump will gleich am ersten Tag aus dem Pariser Klimaabkommen aussteigen und bezeichnete es als „Abzocke“. Was wäre, wenn ein Land wie Österreich Ähnliches plante? Was kosten die Maßnahmen gegen die Klimakrise? Was würde es kosten, wenn man es einfach bleiben lässt? Laut Experten jedenfalls mehr, als sich am Klimaschutz zu beteiligen
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Raus, rein, raus – das ist der Kurs der USA, wenn es um den internationalen Kampf gegen den Klimawandel geht. In seiner ersten Amtszeit von 2017 bis 2021 hatte Donald Trump für die USA die Teilnahme am Pariser Klimaabkommen aufgekündigt. Sein Nachfolger Joe Biden machte diesen Schritt rückgängig und schnürte zudem ein 370 Milliarden Euro schweres Klimapaket. Dass die USA wirtschaftlich gut dastehen, hat auch mit diesem Inflation Reduction Act zu tun. 2025, wenn Trump ins Weiße Amt zurückkehrt, wird er sich wieder aus dem Abkommen verabschieden. Für die US-Delegation bei der derzeit stattfindenden Klimakonferenz in Baku ist es also ein Abschiedsbesuch. Von „Abzocke“ durch das Klimaabkommen sprach Trump im Wahlkampf. Worte, die auch in anderen Ländern bei jenen, die den Sinn eines gemeinsamen Kampfs gegen die Klimaerwärmung anzweifeln, für Aufmerksamkeit sorgen.
Was kostet kein Klimaschutz?
Was kostet Klimaschutz, was kostet kein Klimaschutz? Nachfrage im Klimaministerium: Was gibt Österreich für internationale Klimaschutzprogramme aus? Wie viel für die Teilnahme am Pariser Klimaabkommen?
„Die Mitgliedschaft Österreichs bei der UNFCCC (Klimarahmenkonvention der Vereinten Nationen, Anm.) und dem Kyoto-Protokoll (trat 2005 in Kraft und wurde 2021 vom Pariser Klimaabkommen abgelöst, Anm.) erfordert auch einen jährlichen Beitrag Österreichs zum Kernhaushalt der Konvention. Im Jahr 2024 sind das rund 250.000 Euro“, lautet die Antwort aus dem Ministerium.
Aus dem gemeinsamen internationalen Vorgehen gegen den Klimawandel, das u. a. bei den Klimakonferenzen verhandelt wird, folgen weitere finanzielle Beiträge Österreichs für Klimamaßnahmen in ärmeren Ländern. Laut Ministerium wurden 2023 rund 550 Millionen Euro in internationale Projekte investiert. „Dazu gehören Mittel aus den Ministerien, der Entwicklungsbank und anderen Instrumenten sowie dadurch unmittelbar gehebelte private Investitionen“, erklärte man im Ministerium von Leonore Gewessler. Das Geld gehe an „Instrumente aus der UNFCCC wie etwa den Green Climate Fund oder an bilaterale Projekte mit vulnerablen Staaten“.
Insgesamt verfügt das Klimaministerium laut Budgetvoranschlag 2024 über 3,587 Milliarden Euro. Nimmt man die Ausgaben für Klima- und Umweltschutz aller Ministerien zusammen, kommt man sogar auf 10,7 Milliarden Euro, das sind knapp neun Prozent des gesamten Bundesbudgets. Die Mittel fließen etwa in die Umwandlung des Energiesystems in Österreich oder in den angesichts der Budgetmisere als Einsparposten gehandelten Klimabonus.
Zahlen – im eigenen Interesse
Doch zurück zu jenen Summen, die für Klimaprojekte in anderen Ländern eingesetzt werden. Bei der COP 29 geht es neben konkreten Maßnahmen für das Erreichen des 1,5-Grad-Ziels auch darum, wie hoch der Beitrag sein muss, den Industriestaaten, auf deren Konto die Treibhausgaslast in der Atmosphäre überwiegend geht, leisten müssen, damit wirtschaftlich weniger entwickelte Länder bei ihrem Aufholprozess nicht ebenfalls die Atmosphäre verpesten. Laut Experten ist mindestens eine Billion Dollar pro Jahr notwendig, um Ländern des globalen Südens beim Klimaschutz und der Anpassung an die Folgen der Klimakrise zu helfen. Manche rechnen sogar mit 2,4 Billionen Dollar.
Warum es sinnvoll ist, hier mitzuzahlen, erklärt der österreichische Klimawissenschaftler Keywan Riahi vom Internationalen Institut für angewandte Systemanalyse in Laxenburg in einem Interview mit dem „Standard“ so: „Den Klimawandel haben hauptsächlich wir Menschen in den Industriestaaten verursacht. Während wir emittiert haben, sind wir reich geworden. Wir haben unser Treibhausgasbudget längst verbraucht, also zu viel CO2 ausgestoßen. Wenn nun die Entwicklungsländer so viel emittieren würden, wie ihnen aus der Sicht der Fairness noch zustünde, würden wir weit über das 1,5-Grad-Ziel hinausschießen. Es ist also fair, die Entwicklungsländer zu unterstützen.“
Und es macht auch aus eigennütziger Perspektive Sinn: Österreich zählt zu jenen Ländern, die von einem globalen Temperaturanstieg besonders stark betroffen wären. Die Folgekosten, die hierzulande entstehen, wenn die Welt an der Klimakrise scheitert, wären viel höher als jene Summe, die von hier in den globalen Süden fließen sollen. Laut Klimaministerium betragen „schon heute die jährlichen Kosten für die öffentliche Hand mindestens 5,4 bis 7 Milliarden Euro.“
Das Klima drückt aufs Budget
Auf die oben genannte Summe kommt eine aktuelle Studie von Margit Schratzenstaller und Angela Köppl am Wirtschaftsforschungsinstitut Wifo. Die Rechnung umfasst Klimawandelanpassungsmaßnahmen, dauerhafte klimakontraproduktive Subventionen und Beiträge zur internationalen Klimafinanzierung. Die Wirtschaftsforscherinnen verweisen zudem für die Zukunft auf budgetäre Problemfelder, die sich durch den Klimawandel auftun.
Sie reichen von den unmittelbaren Kosten von Naturkatastrophen (die bis 2030 bis zu fünf Milliarden Euro jährlich ausmachen könnten) über Gesundheitsschäden, Zuwanderung von Klimaflüchtlingen, Versorgungsprobleme, etwa in der Landwirtschaft oder bei der Wasserkraft, bis zu unmittelbaren Budgeteffekten: „Dazu zählen etwa Rückgänge der Steuereinnahmen durch geringeres Haushaltseinkommen oder geringere Gewinne im Unternehmenssektor, die durch Klimawirkungen ausgelöst werden“, schreiben die Forscherinnen.
Und: Ein vom Klimawandel stark betroffenes Land könnte von den internationalen Ratingagenturen schlechter bewertet werden, wodurch wiederum die Zinslast für Staatsschulden steigen würde. Claudia Kettner, Umweltökonomin beim Wifo, sagt: „Die Kosten des Nichthandelns sind deutlich höher als die Kosten des Handelns. Da sind sich alle Studien einig.“
Für Österreich habe das Umweltbundesamt erhoben, was es kostet, die Sektoren Energie, Industrie, Gebäude und Verkehr klimaneutral zu machen. Bis 2030 wären Mehrinvestitionen von 145 Milliarden Euro nötig. Daraus ergäben sich allerdings auch jährlich Wertschöpfungseffekte von durchschnittlich
2,4 Prozent des BIP, so die Experten, und eine „dadurch geschaffene und gesicherte Beschäftigung im jährlichen Durchschnitt von ca. 70.000 Personen in Vollzeitäquivalenten“. Fazit: „Mit Investitionen in den Auf- und Umbau von Energienetzen, Schienen und Straßen, aber auch Gebäuden und Industrieanlagen werden nicht nur Emissionen reduziert, sondern auch die Wertschöpfung gesteigert und Arbeitsplätze geschaffen.“
Europäische Verpflichtung
Wer sich aus den Pariser Klimazielen ausklinkt oder sie verfehlt, ist maximal selbst schuld. Sanktionen durch die internationale Staatengemeinschaft gibt es nicht. Anders sieht es mit den Klimazielen aus, die sich die Europäische Union gesteckt hat. Sie sehen bis 2050 netto null Treibhausgasemissionen vor, also „Klimaneutralität“.
Nächstes Zwischenziel für Österreich ist, die klimaschädlichen Emissionen bis 2030 um 48 Prozent zu senken. Den Nationalen Energie- und Klimaplan, der dokumentiert, mit welchen Maßnahmen wir das schaffen sollen, liefert Österreich mit gehöriger Verspätung in Brüssel ab, weil sich ÖVP und Grüne peinliche Scharmützel darüber lieferten. „Die Dekarbonisierungsziele der EU sind verpflichtend. Wenn wir diese Emissionsreduktionen nicht im Inland erreichen, dann müssen wir Zertifikate im Ausland nachkaufen. Das ist definitiv nicht der beste Weg, weil wir dadurch keine positiven Multiplikatoreffekte im Inland haben. Wenn wir im Inland in Klimaschutzmaßnahmen investieren, wachsen Wirtschaft und Beschäftigung. Das fällt weg, wenn wir das Geld für Zertifikatskäufe im Ausland verwenden“, erklärt Kettner.
Der Kauf von Zertifikaten könnte 2030 4,7 Milliarden Euro kosten. Die Umweltökonomin erklärt weiter: „Wenn Österreich weder Maßnahmen setzt noch Zertifikate zukauft, steht ein Vertragsverletzungsverfahren durch die EU im Raum, was auch mit Kosten verbunden wäre, die schwer zu beziffern sind.“
Überhaupt ist es schwierig, künftige Kosten genau zu eruieren, weil diese mit jedem Zehntelgrad nicht linear, sondern überproportional ansteigen. Und: „Die Frage ist, in welche Temperaturhöhen uns Nichthandeln führen wird.“
Karl Steiniger forscht am Wegener Center für Klima und globalen Wandel der Universität Graz zu Klimaökonomik und nachhaltiger Transition. Er meint auf die Frage, was passieren würde, wenn Österreich oder andere Länder dem Beispiel Trumps folgen würden: „Es ist wie bei allen Gemeinschaftsleistungen, etwa wenn wir uns ausmachen, wer zuhause wann aufräumt: Je mehr aussteigen, desto chaotischer wird die Lage und desto schlimmer wird es für alle – im Haushalt oder für die Länder im Klimafall.“ Klinken sich Staaten aus, würden auch andere motiviert, ihre Emissionen erst später zu reduzieren. Die Kosten dafür schlagen mehrfach zu Buche, meint Steininger. Etwa weil technologische Innovationen ausbleiben, wenn kein Druck besteht, zu handeln. Oder weil die Klimafolgekosten für alle umso höher ausfallen, je später bei immer höheren Temperaturen gegengesteuert wird.
Gäbe es irgendeinen Nutzen, auf den manche ja hoffen? „Die Bequemlichkeit, bei fossilen Technologien und Verhaltensweisen bleiben zu können. Klar ist aber: Damit setzt man auf das Auslaufmodell, und damit sind die Kosten dieser Strategie zugleich sehr klar.“
Dieser Beitrag ist ursprünglich in der News-Printausgabe Nr. 47/2024 erschienen.