Strafe für den Ex-Finanzminister halbiert. Fast alle Schuldsprüche der Erstinstanz wurden bestätigt, die Strafen jedoch teilweise reduziert. 3,5 Jahre unbedingt für Meischberger, drei Jahre teilbedingt für Hochegger.
Großer Andrang herrschte am Dienstagvormittag im Wiener Justizpalast. Dort verkündete der 14. Senat des Obersten Gerichtshofes (OGH) ab 10 Uhr die Entscheidung zu den Nichtigkeitsbeschwerden und Berufungen von Ex-Finanzminister Karl-Heinz Grasser und sechs weiteren nicht rechtskräftig Verurteilten u.a. in der Buwog-Causa.
Urteilsverkündung
Das erstinstanzliche Untreue- und Geschenkannahme-Urteil gegen den Grasser in der Buwog-Causa wurde bestätigt, das Strafausmaß aber von 8 auf 4 Jahre Freiheitsstrafe reduziert. Auch für Ex-FPÖ-Generalsekretär Walter Meischberger gibt es eine Halbierung der Strafe von 7 auf 3,5 Jahre unbedingt. Für Ex-Lobbyist Peter Hochegger wurde die Zusatzfreiheitsstrafe von 6 auf 3 Jahre reduziert, 2 Jahre davon bedingt. Die Zusatz-Freiheitsstrafe für Ex-Immofinanz-Chef Karl Petrikovics senkte das Höchstgericht von 2 Jahren auf 12 Monate bedingt.
Schwere Korruptionsvergehen
Die Vorsitzende des OGH-Richtersenats, Christa Hetlinger, betonte bei der Urteilsverkündung am Dienstag, dass die Causen Buwog und Terminal Tower Linz mit heute rechtskräftig erledigt sind. Die Vorwürfe gegen Grasser in Bezug auf Beweismittelfälschung wurden aufgehoben. Die Halbierung der Haftstrafen wurde mit der „exorbitant und unangemessenen Verfahrensdauer“ begründet. Zusätzlich mildernd gewirkt habe die teilweise mediale Vorverurteilung und die öffentliche Verhöhnung der Angeklagten.
Die Verhängung „gravierend geringerer Strafen“ solle aber keinesfalls die Taten bagatellisieren, betonte Hetlinger, das Gegenteil sei der Fall. Es handle sich bei den Handlungen der Angeklagten um schwere Korruptionsvergehen mit einer Schadenssumme von fast 10 Millionen Euro. Insbesondere mit Grasser ging die Senatsvorsitzende hart ins Gericht. Es in Österreich „beispiellos“, dass sich ein Finanzminister derart persönlich bereichert habe. Dies hätte man in Österreich nicht verortet und sei dazu geneigt, das Vertrauen der Bevölkerung in die Politik zu erschüttern.
Dass die Angeklagten ihre Rechtsmittel ausschöpften und damit auch für eine lange Prozessdauer sorgten, sei ihnen nicht anzulasten. Die Ausübung ihres Rechts dürfte ihnen nicht zu ihrem Nachteil gereichen, betonte die Senatsvorsitzende. Bei den Angeklagten Ex-Lobbyisten Peter Hochegger sei sein Geständnis mildernd zu werten und beim mitangeklagten Ex-Immofinanz-Chef Karl Petrikovics eine erhebliche Schadenswiedergutmachung.
Kein Fehlverhalten der Erstrichterin
Die von der Verteidigung wortreich vorgebrachten Verfahrensfehler im Erstprozess und eine Befangenheit der Erstrichterin Marion Hohenecker würden nicht vorliegen, führte die OGH-Senatsvorsitzende aus. Es hätte kein unfaires Verfahren vorgelegen, so der OGH. Die Verteidigung hatte mehrmals die Besetzung des Erstgerichts unter Richterin Hohenecker als „nicht neutral“ und „parteiisch“ kritisiert.
Die OGH-Senatsvorsitzende ging ausführlich auf die Befangenheitsvorwürfe der Verteidigung gegen die Erstrichterin ein. Das Verhalten ihres Ehemannes, eines Richters, sei nicht zu beschönigen, aber nicht Teil des Verfahrens. Aus den Akten würden sich keine Anhaltspunkte ergeben, dass Richterin Hohenecker parteiisch fungiert habe. Keinerlei Verfehlungen kann der OGH-Richtersenat bei den Tonaufnahmen im Großen Schwurgerichtssaal des Wiener Straflandesgericht erkennen.
So geht es mit Grasser jetzt weiter
Grasser und Meischberger sprachen nach der Urteilsverkündigung von einem Fehlurteil und kündigten eine Beschwerde beim Europäischen Gerichtshof für Menschenrechte (EGMR) in Straßburg an. Fest seht jedenfalls, dass ein Gang zum EGMR die beiden Verurteilten nicht vor dem Gefängnis bewahren wird. Eine EGMR-Beschwerde gegen ein innerstaatlich rechtskräftiges Strafurteil hat keine strafaufschiebende Wirkung.
Beiden wird auf jeden Fall zeitnahe eine Aufforderung zum Strafantritt ins Haus flattern. Dass Grasser und Meischberger ihre vierjährige bzw. dreieinhalbjährige Haft tatsächlich zur Gänze absitzen werden, halten Kenner der Materie de facto für ausgeschlossen. Das Gesetz sieht vor, dass nach Verbüßung der Strafhälfte – bei Grasser sind das zwei Jahre – die vorzeitige bedingte Entlassung beantragt werden kann, worüber das zuständige Vollzugsgericht zu entscheiden hat. Allenfalls kann eine bedingte Entlassung mit Auflagen verknüpft werden. Jedenfalls wird eine Probezeit zwischen einem und drei Jahren festgesetzt, innerhalb derer keine Delikte gesetzt werden dürfen, da der Entlassene ansonsten Gefahr läuft, wieder ins Gefängnis einrücken zu müssen.
Da Grasser bisher unbescholten war, die von ihm gesetzten Straftaten geraume Zeit zurückliegen und er sich seither in strafrechtlicher Hinsicht wohlverhalten hat, erscheint eine bedingte Entlassung nach der Strafhälfte durchaus realistisch. Maßgeblich dafür wäre, dass das Gericht davon ausgeht, dass Grasser trotz vorzeitiger Entlassung nicht wieder straffällig wird. Spätestens nach Verbüßung von zwei Dritteln wäre Grasser jedenfalls zu entlassen, es sei denn, besondere Gründe ließen befürchten, dass er wieder straffällig wird.
Fußfessel ist kein Thema
Der elektronisch überwachte Hausarrest – eine so genannte Fußfessel – ist für Grasser derzeit insofern kein Thema, als dafür eine insgesamt zu verbüßende Strafzeit bzw. Reststrafe von maximal zwölf Monaten Voraussetzung wäre. Ein gefinkelter Anwalt könnte allerdings auf die Idee kommen, für Grasser eine Fußfessel zu beantragen, nachdem dieser das erste Jahr seiner Haftstrafe verbüßt hat. Man könnte nämlich argumentieren, dass Grasser nach Verbüßung der Strafhälfte die Voraussetzungen der bedingten Entlassung erfüllt und somit nur noch eine Reststrafe von einem Jahr offen ist.
Ob dieser Antrag „durchgehen“ würde – Grasser könnte dann das zweite Jahr seiner Strafe statt in Gefängnis im elektronisch überwachten Hausarrest verbringen –, ist allerdings unsicher. Es müssten zahlreiche Bedingungen erfüllt sein, die vom Bewährungshilfeverein Neustart zu erheben und in ein so genanntes Aufsichtsprofil zu gießen wären. Genehmigen müsste einen Fußfessel-Antrag der Leiter jener Vollzugsanstalt, in der Grasser nach dem Klassifizierungsverfahren untergebracht wird.
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