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Brisante Details zu Niederösterreicher nach Mekka-Anschlag

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Über den Anschlag finden sich in saudischen Medien keine Berichte
©APA/APA/AFP/MENAHEM KAHANA
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Seit über zehn Monaten befindet sich ein junger Niederösterreicher aus dem Bezirk Bruck an der Leitha in Saudi-Arabien in Haft, weil der mutmaßliche Anhänger der islamistischen Terror-Miliz "Islamischer Staat" (IS) vor der Al-Haram-Moschee in Mekka einen Anschlag durchgeführt haben soll. Hasan E. stach fünf Personen mit einem Messer nieder und verletzte sie teilweise lebensgefährlich - aus religiös-ideologischen Motiven, wie aus Unterlagen aus Saudi-Arabien hervorgeht.

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Am 20. März 2024 informierten die saudischen Behörden über die Bluttat, zu der es am 11. März zu Beginn des Fastenmonats Ramadan am Gelände der größten Moschee der Welt gekommen war, in deren Hof sich mit der Kaaba das zentrale Heiligtum des Islam befindet. In einem Memo wurde mitgeteilt, der damals 19 Jahre alte Niederösterreicher hätte "einen Sicherheitsbeamten in der heiligen Moschee in Mekka niedergestochen." Der mutmaßliche Islamist aus der niederösterreichischen Provinz hatte dem Opfer ein kurz davor gekauftes Messer in den Hals gerammt. Als Kollegen des Opfers den Bewaffneten festnehmen wollten,"hatte er auch sie angegriffen, und dabei wurden drei Beamte verletzt und eine Frau, die in der Moschee war", heißt es in dem Memo, dessen Übersetzung der APA vorliegt.

Nachdem Hasan E. endlich überwältigt und festgenommen werden konnte, gab der 19-Jährige dem Memo zufolge Folgendes an: "Er hat gesagt, dass sein Ziel in SDA (Saudi-Arabien, Anm.) das Töten der saudischen Sicherheitsbeamten und Militärpolizisten ist, weil sie Charidschiten sind und unter der Herrschaft des Tyrannen arbeiten." Charidschiten sind die Anhänger der ältesten religiösen Sekte im Islam des 7. Jahrhunderts. Ihr Hauptzweig ist heute die kleinste Richtung des Islam, abgespalten hatten sich die Charidschiten aufgrund von Meinungsverschiedenheiten über die Nachfolge des Propheten, die nach Mohammeds Tod einsetzten.

Das Messer hatte sich Hasan E. den saudischen Behörden zufolge auf einem Markt in der Nähe der Moschee gekauft. Wie es ihm gelingen konnte, damit bewaffnet auf das schwer bewachte Gelände der Moschee zu gelangen, auf dem sich nur Personen muslimischen Glaubens aufhalten dürfen, ist unklar. Womöglich ist dieser Umstand auch der Grund dafür, dass in saudischen Medien nicht über den Messerangriff berichtet wurde, wie aus einem Ende 2024 erstellten Bericht des Außenministeriums hervorgeht. Die Bluttat sei "in einem hochabgesicherten Bereich erfolgt. Es dürfte daher nicht im Interesse der Behörden des Königreichs Saudi-Arabien liegen, dass dieser Vorfall einer breiteren Öffentlichkeit bekannt wird. Letzteres dürfte der Grund sein, weswegen dieser Fall medial nicht aufgeschlagen ist", wird in dem Bericht festgehalten.

Bei dem mittlerweile 20 Jahre alten Burschen aus Niederösterreich handelt es sich - wie man mittlerweile weiß - um einen engen Vertrauten von Beran A., einem jungen Mann aus Ternitz (Bezirk Neunkirchen), der als Hauptverdächtiger im Zusammenhang mit den vereitelten Anschlagsplänen auf ein Taylor Swift-Konzert gilt, das Anfang August 2024 im Ernst-Happel-Stadion stattfinden hätte sollen. Sichergestellte und mittlerweile ausgewertete Chats, über die zunächst die "Kronen Zeitung" berichtet hat, belegen das Naheverhältnis und die terroristischen Absichten der beiden. Seit 9. Mai 2023 standen die zwei in regem Telefonverkehr, alleine im März 2024 führten sie 25 Gespräche, die teilweise über 50 Minuten dauerten.

Sie hatten zunächst auf Snapchat einen Treueschwur auf den IS veröffentlicht und dürften seit Februar ihre blutigen Terror-Pläne verfolgt haben. Während der Ältere Anfang März 2024 über Istanbul, wo er zunächst seine Mutter besuchte, nach Saudi-Arabien weiterreiste und dort offenkundig seine Pläne umsetzte, hätte der Jüngere zeitgleich in Dubai einen Anschlag durchführen sollen. Der Ternitzer schreckte davor allerdings zurück und kehrte unverrichteter Dinge nach Österreich zurück, wo er bis Anfang August nicht auf den Schirm der Verfassungsschützer geriet. Erst dann erreichte die heimischen Behörden eine Warnung des FBI, wonach der Ternitzer Anschlagspläne auf das Swift-Konzert verfolge. Beran A. wurde nach kurzen, intensiven Ermittlungen am 7. August festgenommen, die insgesamt drei in Wien geplanten Konzerte von Taylor Swift wurden abgesagt.

Hasan E. befand sich zu diesem Zeitpunkt bereits fünf Monate in einem Gefängnis in Saudi-Arabien. Das Außenministerium hatte der APA Mitte Jänner 2025 die Inhaftierung des Mannes in Saudi-Arabien bestätigt und sich zum Fall selbst äußerst bedeckt gehalten. Der Mann werde konsularisch betreut. Man sei auch in Kontakt mit dessen Angehörigen, teilte ein Sprecher mit. Weitere Fragen - etwa in welchem Gefängnis sich der Mann befindet oder zu den Haftbedingungen - blieben mit dem Hinweis auf Datenschutzbestimmungen unbeantwortet.

Der Bruder des 20-Jährigen hatte Mitte März 2024 diesen als abgängig gemeldet, nachdem er kurz vor dessen Messerattacke in Mekka von Hasan E. eine E-Mail erhalten hatte, in der ihm dieser kryptisch einen Selbstmordanschlag ankündigte. In dieser teilte ihm Hasan E. mit: "Ich hoffe, wir sehen uns bald. Meine größte Bitte ist: sterbe als Moslem, damit ich für dich Fürsprache geben kann vor Allah." Der junge Niederösterreicher ging offenbar davon aus, dass er bei seinem Anschlag selbst ums Leben kommen würde: "Ich weiß, du bist wütend auf mich, und es schmerzt mich, dass du noch einen Teil der Familie verloren hast und dass du diese Ereignisse miterleben musstest. Es tut mir leid, aber ich hatte keine Wahl. Wenn du, baba (gemeint: Papa, der Vater der Brüder war kurz davon an einer Krebserkrankung gestorben, Anm.) und ich uns dort (gemeint: im Jenseits, Anm.) wiedersehen, dann unternehmen wir sicher genug miteinander. Also sei nicht traurig. Ich warte insallah mit baba dort auf dich."

Hasan E. hatte auch genaue Vorstellungen, was nach seinem Ableben geschehen sollte. "Ich bitte dich, dass mein Begrabungsort Mekka ist. Ich will weder gewaschen werden noch will eine Cenaze (Begräbnisfeier, Anm.)." Er ersuchte den Bruder auch darum, sein Erbe "islamisch gesehen richtig" aufzuteilen, "denn wenn ich Schulden habe bei irgendwem, dann muss ich am Tag des Jüngsten Gerichts lange warten."

Hasan E. war am 1. März 2024 nach Istanbul gereist, wo er seine Mutter besuchte, die von ihrem Mann getrennt lebte und wieder in ihre türkische Heimat gezogen war. Ihr erklärte er, er wolle eine Umra - eine islamische Pilgerfahrt nach Mekka - unternehmen, um für seinen verstorbenen Vater zu beten, den Hasan E. bis zu dessen Tod am Wohnort der beiden gepflegt hatte. Der 20-Jährige reiste dann weiter nach Saudi-Arabien, zumindest seit 8. März dürfte er sich in Mekka aufgehalten haben.

Die Mutter des 20-Jährigen hatte sich am 14. März 2020 an die deutsche Beratungsstelle Radikalisierung gewandt, nachdem sie vom "Abschiedsmail" ihre Sohnes erfahren hatte. "In der Email sowie bei der anschließenden telefonischen Kontaktaufnahme gab die Ratsuchende an, dass ihr Sohn seit gestern verschwunden sei", hielt die beim deutschen Bundesamt für Migration und Flüchtlinge eingerichtete Stelle an einer Mail fest, die am selben Tag "zur Weiterleitung an die zuständige Behörde in Österreich" übermittelt wurde. Die Mutter "befürchte, dass sich ihr Sohn nach dem Tod seines Vaters radikalisiert habe und jetzt in den Jihad gezogen sei", warnte die deutsche Beratungsstelle. Festgehalten wurde auch, die Frau habe "bereits die österreichische Auslandsvertretung über die Sachlage informiert".

Die österreichische Botschaft in Riad erfuhr von den saudischen Behörden erst Mitte April Näheres zur Festnahme von Hasan E. Von der Tat selber hatte man am 25. März über einen deutschen Verbindungsmann Kenntnis erlangt, der vom saudischen Geheimdienst informiert worden war.

Hasan E. lebte bis Ende Februar 2024 in einer kleinen Gemeinde im Bezirk Bruck an der Leitha, nachdem er ein Jahr bei seiner Mutter in Istanbul verbracht hatte. Dort dürfte sich der junge Muslim radikalisiert haben. Er kehrte mit einem markanten Bart zurück. Er ging zuletzt keiner geregelten Beschäftigung nach, trainierte fünf Mal wöchentlich in einem Fitnessstudio und betrieb eine Zeit lang in einem Kampfsport-Verein Mixed-Martial-Arts (MMA). Einer Beschreibung seines älteren Bruders zufolge, der von den österreichischen Behörden als Zeuge befragt wurde, war Hasan E. "immer aggressiv" und sei "schnell ausgezuckt." Er sei "einfach immer ein Problemkind gewesen", gab der ältere Bruder zu Protokoll.

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