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Als erstes Bundesland in Österreich hat Salzburg im vergangenen Herbst eine Anlaufstelle für ME/CFS-Patientinnen und -Patienten und deren Angehörige beschlossen. Ein entsprechender Antrag wurde im Landtag einstimmig abgesegnet. Bis die Einrichtung tatsächlich verfügbar ist, könnte aber noch einige Zeit vergehen: "Mitte Jänner hat ein medizinischer Fachaustausch mit Kolleginnen und Kollegen aus Salzburg und dem Referenzzentrum aus Wien stattgefunden", teilte Gesundheitslandesrätin Daniela Gutschi (ÖVP) der APA mit. "In weiterer Folge wird in einer interdisziplinären Expertenrunde erarbeitet, wo und in welcher Form eine Anlaufstelle etabliert werden kann."
Derzeit können sich Betroffene in Salzburg an die Long Covid Ambulanz in Zell am See sowie die Long Covid Reha am Uni-Klinikum Salzburg wenden, dazu an Ärzte und Ärztinnen im niedergelassenen Bereich. Ein runder Tisch der Salzburger ME/CFS-Selbsthilfegruppe im Oktober habe aber gezeigt, dass die Versorgung noch sehr unzureichend sei, so Gutschi.
Auch im Burgenland ist die Errichtung einer auf Long Covid und ME/CFS spezialisierten Ambulanz geplant - und auch im neuen rot-grünen Regierungsprogramm verankert. Bisher sei die Betreuung der Betroffenen im Rahmen der "regulären regionalen Gesundheitsversorgung" erfolgt, hieß es auf APA-Anfrage vom Land. Bei psychischen Belastungen stehe auch der Psychosoziale Dienst zur Verfügung. Schon jetzt gebe es in Bad Tatzmannsdorf zudem ein kostenpflichtiges "REDUCE Modul Long Covid" zur Regeneration.
In Wien sind Planungen für ein Zentrum im Laufen, hieß es aus dem Büro von Gesundheitsstadtrat Peter Hacker (SPÖ) zur APA. Im Herbst vergangenen Jahres sei in der Landeszielsteuerungskommission vereinbart worden, "dass man eine Ambulanz konzipiert", so ein Sprecher. Die Behandlungsstelle soll unter dem Titel "PAIS-Kompetenzzentrum" eingerichtet werden. Federführend seien Gesundheitskasse (ÖGK) und die Pensionsversicherungsanstalt (PVA), die Stadt Wien beteilige sich "finanziell und konzeptionell", hieß es aus Hackers Büro. Konkret ist noch nichts, derzeit laufe die "Konzeptionsphase". Wo die geplante Einrichtung angesiedelt wird, ist derzeit ebenso offen wie, wann mit der Umsetzung begonnen werden kann.
Auch in der Steiermark würden derzeit Planungen für Vorarbeiten zur Einrichtung einer Anlaufstelle laufen, hieß es aus dem Büro von Gesundheitslandesrat Karlheinz Kornhäusl (ÖVP). Die Erfahrungen der vergangenen Jahre hätten gezeigt, dass pneumologische Fragestellungen rückläufig und jene in Bezug auf ME/CFS zunehmend seien. Daher seien auf Bestreben Kornhäusls im vergangenen Jahr Gespräche mit der Medizinischen Universität Graz zur möglichen Einrichtung einer zentralen Anlaufstelle für ME/CFS-Erkrankte aufgenommen worden. Favorisiert werde eine Kooperation des Universitätsklinikums Graz mit der Medizinischen Universität Graz.
In Tirol verwies man seitens des Landes darauf, dass im Oktober 2021 eine Koordinationsstelle Post-Covid am Landesinstitut für Integrierte Versorgung (LIV) eingerichtet wurde. Dort würden Patienten "begleitet und ressourcenorientiert unterstützt". Erste Ansprechpartner seien dabei Haus- und niedergelassene Fachärzte, die Betroffene zu einer "niederschwelligen und kostenlosen Erstberatung" zur Koordinationsstelle überweisen könnten. Je nach Bedarf würden sie dann an Fachambulanzen der tirol kliniken oder an die Ergotherapie der fh gesundheit weitergeleitet. Diese Koordinationsstelle sei zuletzt auch personell ausgebaut worden, mittlerweile beschäftige man sich auch mit allen postakuten Infektionssyndromen.
In Vorarlberg verwies man ebenfalls auf eine Koordinationsstelle, diese sei am Landeskrankenhaus Hohenems eingerichtet worden. Die vom Bund geplante Einrichtung einer Anlaufstelle wird in Vorarlberg gewünscht, hieß es. Diese Anlaufstelle für Vorarlberger Betroffene würde in Innsbruck aufgebaut, Vorarlberg würde mitfinanzieren. Man warte aber noch auf ein "abgestimmtes österreichweites Gesamtkonzept", hieß es kürzlich in einer von Landesrätin Martina Rüscher (ÖVP) beantworteten parlamentarischen Anfrage.
Zurückhaltend äußerte man sich in Oberösterreich, wo es derzeit keine speziellen Einrichtungen gibt. Im Gesundheitsressort verwies man sinngemäß darauf, dass bisher die benötigte Datengrundlage fehle, um den Bedarf abzuschätzen.
In Kärnten hieß es aus dem Büro von Gesundheitsreferentin Beate Prettner (SPÖ), der dortige Aktionsplan sehe statt Ambulanzen die Hausärztinnen und -ärzte als "Erstanlaufstellen" für Betroffene vor. Geplant sei außerdem die Einrichtung einer interdisziplinären Anlaufstelle für seltene und undiagnostizierte Erkrankungen, "unter die auch postakute Infektionssyndrome beziehungsweise Long-Covid fallen", so die Auskunft seitens Prettner. Zu dem seitens des Bundes ausgesendeten Nationalen Aktionsplan (NAP) zu PAIS sagte Prettner, die 50 Empfehlungen seien "ohne eine konkrete Planung zur Umsetzung" veröffentlicht worden.
Seitens des Landes Niederösterreich verwies man auf den dortigen Gesundheitspakt 2040+. In dessen Rahmen würde die künftige Struktur des niederösterreichischen Gesundheitswesens diskutiert. Bis Ende 2025 sei die Finalisierung des Regionalen Strukturplans Gesundheit geplant. Dieser werde den neuen Rahmenplan für die Versorgung festlegen, darunter auch jene für Betroffene von Long/Post Covid, ME/CFS und postvirale Erkrankungen, hieß es.
Auf APA-Anfrage begrüßte die Österreichische Gesellschaft für ME/CFS Fortschritte in diesem Bereich, übte aber auch klare Kritik: Insgesamt würden die Antworten der Länder danach klingen, "als gäbe es bereits ganz viele Stellen für ME/CFS". Die Realität sei aber eine andere. "Zum Beispiel können die genannten Koordinierungsstellen keine Behandlung für ME/CFS vermitteln, weil es die notwendigen Stellen dahinter nicht gibt." Hausärztinnen bzw. -ärzte und psychologische Unterstützung seien für schwere chronische Erkrankungen mit körperlicher Ursache weder geeignet noch zuständig. "Sie können die spezialisierte Diagnostik und Behandlung, die es für ME/CFS wie für jede andere Erkrankung dieser Schwere braucht, nicht leisten. Während also sehr viel aufgezählt wird, stehen ME/CFS-Betroffene de facto weiter völlig un- und fehlversorgt da", heißt es in einem Statement der ÖG ME/CFS.
Auch kritisiert die Patientenvertretung die fehlende Gesamtplanung. "In jedem Bundesland müssen Betroffene mit viel Kraft neu mit Aufklärung beginnen und den Kontakt mit der Landespolitik herstellen, weil es kein koordiniertes, verbindliches Vorgehen gibt." Bis heute sei keiner der vielen "Versorgungspfade" aus den letzten Jahren in der "Bundeszielsteuerung" zur Umsetzung beschlossen worden, "Verantwortung wird in vielen Fällen herumgeschoben". Der im Vorjahr von Gesundheitsminister Johannes Rauch (Grüne) präsentierte Nationale Aktionsplan (NAP) zu postakuten Infektionssyndromen müsse "als gutes und in Zusammenarbeit mit allen gesundheitspolitischen Akteurinnen und Akteuren erstelltes Maßnahmen-Paket" rasch umgesetzt werden, so die Forderung. "Es müssen die Strukturen im Gesundheits- und Sozialsystem auf das Niveau gebracht werden, das für andere Krankheiten ganz selbstverständlich ist."
Auch der Wiener Neurologe und ME/CFS-Experte Michael Stingl betonte gegenüber der APA die Notwendigkeit von spezialisierten Zentren: "Anlaufstellen für ME/CFS brauchen wir schon lange und die Errichtung sollte höchste Priorität haben. Die Nachfrage bei mir und anderen Kolleginnen und Kollegen, die sich mit dem Thema beschäftigen, ist enorm und ohne adäquate Diagnostik und Therapie nimmt man in Kauf, dass im Rahmen der Erkrankung mögliche Verbesserungen nicht erreicht werden." Dies wirke sich auf den Pflegebedarf, im Einzelfall durchaus aber auch auf eine noch mögliche Arbeitsfähigkeit aus und habe daher "eine Dimension auch neben der individuellen Betroffenheit", so der Mediziner.
An dem an der MedUni eingerichtete Referenzzentrum wird aktuell ein Leitfaden für Stakeholder erarbeitet, für die Umsetzung von Behandlungsstellen. Auch wurde an der MedUni unterdessen ein neues Forschungsprojekt zur Versorgung von Betroffenen gestartet. Die Ergebnisse sollen Aufschluss zur Situation und Krankheitsentwicklung von schwer und sehr schwer betroffenen ME/CFS-Patienten und Patientinnen in Österreich sowie deren Erfahrungen im Gesundheitswesen bringen (Informationen unter https://go.apa.at/FkqfRujG).