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Bildung seit Corona digitaler, Junge weniger abenteuerlustig

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Die Masken sind weg, doch die Pandemie wirkt bei den Jungen nach
©APA/APA/THEMENBILD/HELMUT FOHRINGER
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Corona hat den Betrieb an Schulen und Hochschulen massiv geprägt. Über mehr als zwei Jahre waren dort Themen wie Distance Learning, Abstandhalten, Maskenpflicht und kollektives Testen allgegenwärtig. Fünf Jahre danach ist in den Bildungseinrichtungen fast alles wieder beim Alten. Durch Corona gab es zwar einen heftigen Schub beim digitalen Angebot, vieles wurde aber wieder fallengelassen. Tiefere Spuren hinterlassen hat die Coronazeit im Sozialleben der Jungen.

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Mit dem ersten Lockdown am 16. März 2020 war an den Schulen und Hochschulen auf einen Schlag alles anders, die Lehre fand plötzlich nur noch am Bildschirm statt. An den Schulen brachte das einen großen Schub bei der Hardware-Ausstattung, seit Herbst 2021 bekommen Jugendliche der 1. Klasse Mittelschule und AHS-Unterstufe günstige Laptops oder Tablets für den Unterricht. "Corona hat die Digitalisierung massiv beschleunigt", sagt der oberste Lehrergewerkschafter Paul Kimberger (FCG) zur APA. "Inzwischen gibt es aber wieder ganz starke Gegentrends."

Man habe gesehen, wie negativ sich die intensive Nutzung digitaler Geräte vor allem bei den Jüngeren auswirken könne. Bei der Recherche oder Projektarbeiten habe deren Einsatz Sinn, aber sonst hätten sie in der Schule grundsätzlich nichts verloren. Dass Kinder und Jugendliche in der Pause aufs Handy starren statt miteinander zu reden, habe sich seit Corona jedenfalls deutlich verschärft, so der Lehrergewerkschafter.

Die Lehrmethoden seien mittlerweile großteils wieder wie vor der Pandemie, berichtet auch Bundesschulsprecherin Mira Langhammer von der ÖVP-nahen Schülerunion. Viel öfter als früher würden aber Unterrichtsmaterialien vom Lehrpersonal auf digitale Plattformen gestellt statt ausgedruckt und Schülerinnen und Schüler müssen Aufgaben digital abgeben. Auch die Kommunikation mit den Eltern laufe öfter über digitale Plattformen als früher.

Markanter sind für Langhammer allerdings die Auswirkungen der Pandemie auf das Sozialleben der Jungen. "Social Media wäre nicht so explodiert ohne Corona", glaubt sie. Dabei seien es mittlerweile gerade die Sozialen Medien "etwas, das die psychische Gesundheit runterzieht". Bei einer möglichen nächsten Pandemie müsse auf jeden Fall besser auf die psychische Gesundheit der Kinder und Jugendlichen geschaut werden, appelliert Langhammer. Nationale und internationale Studien zeigen, dass deren psychische Belastung durch Corona gestiegen ist. Vor allem Mädchen berichten seither von mehr Gereiztheit und schlechter Laune, Einschlafschwierigkeiten, Nervosität, Zukunftssorgen und Niedergeschlagenheit. Laut der europäischen Kinder- und Jugendgesundheitsstudie HBSC zeigte in Österreich zuletzt jedes fünfte Mädchen und jeder zehnte Bursche Anzeichen einer Depression.

Manche Jahrgänge, schildert Langhammer, hätten wegen Corona den Einstieg in ein "typisches Jugendleben" mit Ausgehen oder Rituale wie die Maturareise verpasst. "Da fehlt etwas in der Entwicklung", bedauert die Bundesschulsprecherin, und das könne man auch nicht nachholen.

Auch an den Hochschulen merkt man das. "Das Campusleben hat sich auf jeden Fall verändert", erzählt Nina Mathies, Vize-Vorsitzende der Österreichischen HochschülerInnenschaft (ÖH). Bei Veranstaltungen sei weniger los und für die ÖH werde es auch zunehmend schwieriger Leute zu finden, die ehrenamtlich Vertretungsarbeit übernehmen wollen. Die Mischung aus Corona, als es kein Unileben im klassischen Sinn mehr gab, und steigendem Leistungsdruck, der Teuerung und der Notwendigkeit, nebenher zu arbeiten, bringe Studierende immer mehr in ein "Scheuklappendenken", wo man das Studium nur noch schnell abschließen will.

Von den technischen Neuerungen der Coronazeit ist indes auch an den Unis tendenziell nicht viel geblieben. Zwar sei etwa an den technischen und an den größeren Unis die Ausstattung für Online- oder Hybridlehrangebote angeschafft worden. "Vielerorts wurde das aber wieder abgebaut und liegt verstaubt in irgendeiner Ecke", so Mathies. Das sei auch in Fällen passiert, die sich für einen Stream sehr gut angeboten hätten, wie etwa bei überlaufenen Lehrveranstaltungen aus der Studieneingangsphase. Aus den Rektoraten heiße es dazu, dass man den Lehrenden nichts vorschreiben könne. Für die Studierenden bedeute das allerdings weniger Flexibilität, das Studium sei damit wieder schwerer mit Job oder Familie vereinbar, bedauert Mathies.

Für Beate Großegger vom Institut für Jugendkulturforschung war Corona der Auftakt für einen Verlust des Sicherheitsgefühls bei jungen Menschen, und das quer durch alle Bildungsgruppen und sozialen Milieus. Weitere Krisen wie Ukrainekrieg, Teuerung, Energiekrise, Nahostkonflikt folgten Schlag auf Schlag. "Diese Generation musste in einer Zeit im Leben Fuß fassen, in der es die gewohnten Sicherheiten nicht mehr gibt und in der offensichtlich von heute auf morgen etwas passieren kann, auf das unsere Gesellschaft nicht wirklich vorbereitet war. Das ist, glaube ich, eine Schlüsselerfahrung."

Dieses neue Klima macht die Jugendlichen laut Großegger weniger experimentierfreudig als frühere Jugendgenerationen. Bei der Studienwahl stünden nun stabile Zukunftsaussichten über den Interessen, in der Freizeit würden Aktivitäten im kleinen Freundeskreis dem Eintauchen in die große Masse vorgezogen. "Die Abenteuerlust ist verloren gegangen", fasst Großegger zusammen. Allerdings seien echte Sozialkontakte wieder deutlich wichtiger geworden. Social Media, Streaming und Computerspiele hätten für die Jungen nicht mehr die zentrale Rolle wie in der Pandemiezeit.

Verändert hat sich in den vergangenen krisenhaften Jahren auch das Verhältnis zu den älteren Generationen. In der Jugendforschung habe man lange gesagt, die Jungen würden auf erwachsene Vorbilder pfeifen. Seit der Pandemie würden erwachsene Vorbilder geschätzt, wenn sie bestimmte Werte verkörpern - Ehrlichkeit, Mut oder Alltagsbewältigungskompetenz. "Die Jugendlichen sagen uns in der Studie: Ihr müsst uns einfach vorleben, wie es geht, in schwierigen Zeiten den Alltag gut zu meistern." Die Erwachsenen sieht Großegger deshalb gefordert, öfter das Positive herauszustreichen. "Es gibt extrem große Schwierigkeiten in der heutigen Zeit. Aber Vieles ist noch immer schön und gut in Österreich."

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