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Im heimischen Werk in der Toskana soll die letzte Blechkiste, die für Italien auch eines der Nationalsymbole ist, zum Jahresende vom Band laufen. Das Aus für die Produktion in der Heimat wurde der Belegschaft nach Gewerkschaftsangaben in den vergangenen Tagen mitgeteilt. Die Informationen wurden der Nachrichtenagentur Ansa am Wochenende aus der Konzernspitze bestätigt.
Mit der vollständigen Verlagerung der Produktion nach Indien endet in Europa dann wohl auch der Verkauf. Die neuen Modelle sollen nur noch in Asien und Afrika auf den Markt kommen. In Italien werden dann nur noch einige Hundert Restposten vertrieben.
Der erste solche Kleintransporter lief 1948 in der toskanischen Stadt Pontedera vom Band - nur zwei Jahre, nachdem Piaggio seine ersten Vespa-Roller auf die Räder gestellt hatte. Entwickelt wurde er von Firmengründer Enrico Piaggio und dem Ingenieur Corradino D'Ascanio. Im Grundsatz war die Arbeitsbiene namens Ape auch nichts Anderes als eine Vespa (deutsch: Wespe) auf drei Rädern mit Fahrerkabine und Ladefläche.
Mehr als 40 Stundenkilometer schafft sie normalerweise nicht. Dafür konnte das Standardmodell von Anfang an mehr als 200 Kilogramm Lasten transportieren. Der Komfort im Führerhäuschen ist allerdings gleich null: Weder Heizung oder Radio lenken ab.
In Italien gehörten die Blechkisten über Jahrzehnte hinweg fest zum Straßenbild. Aus Großstädten wie Rom oder Mailand ist die Ape inzwischen allerdings weitgehend verschwunden - nur in der Nachbarschaft von Märkten sieht man sie noch. In Dörfern und kleineren Gemeinden knattern die robusten Dinger aber weiterhin umher: Mit einer Länge von nur 2,50 Metern und eine Breite von 1,30 Metern ist die Ape vielerorts immer noch das einzige Nutzfahrzeug, das sich durch die engen Gässchen zwängen kann.
In Indien hat Piaggio bereits seit mehreren Jahren Produktionsstätten. Im bevölkerungsreichsten Land der Welt mit seinen mehr als 1,4 Milliarden Einwohnern wird die Ape bereits als Elektro-Modell hergestellt und auch mit einem Antrieb aus Erdgas. Die Italo-Transporter machen dort im hektischen Straßenverkehr den Tuk-Tuks Konkurrenz.
In Italien ist die Trauer nun groß. Die Zeitung "La Repubblica" schrieb am Sonntag: "Die Wahrheit ist, dass die Ape perfekt zu unserem Nationalcharakter passt, zwischen ungezügeltem Individualismus und Familiensinn. Man fühlt sich im Fahrerhäuschen alleine wohl, mit der Ware oder dem Handwerkszeug im Rücken. Aber man fährt darin auch zu zweit, enger aneinander und mit einem Hauch von Intimität. Oder, allen Vorschriften und Sicherheitserwägungen zum Trotz, zum Feiern in Zusammenkünften mit Freunden."
In die Trauer mischt sich aber auch Zorn, vor allem in der Nachbarschaft der Piaggio-Zentrale. Der Regionalsekretär der Gewerkschaft UIIM, Samuele Nacci, sagte, mit den heutigen EU-Vorschriften gebe es für eine Produktion in Italien keinen Platz mehr. "Vielleicht wurden einige Gesetze ein wenig übereilt eingeführt. Es sieht so aus, als ob sich nur Europa um den Umweltschutz kümmert, während der Rest der Welt sich einen Dreck darum schert."
Über Generationen hinweg war die Ape auch ein perfekter Untersatz für Leute, die sich kein Auto leisten konnten. Auch eine Kleinfamilie ließ sich dort unterbringen, wenn auch ziemlich zusammengezwängt. Die Kinder fanden dann oft genug auf der Ladefläche Platz. Inzwischen liegt der Preis für das kleinste Modell mit 50 Kubik aber auch bei mehr als 7.000 Euro.
Vor allem in Italiens Süden sind die Dreiräder unter Jugendlichen Kult - was auch daran liegt, dass man sie mit 14 Jahren fahren darf und mit bescheidenen Kenntnissen aufmotzen kann. Gern werden sie auch benutzt, um Touristen mit ihrem Gepäck zum Hotel zu bringen.
ARCHIV - 28.04.2023, Baden-Württemberg, Freiburg: Eine rote Piaggio "Ape" steht vor einem Haus. (zu dpa: «Italien nimmt Abschied von der «Biene»») Foto: Philipp von Ditfurth/dpa +++ dpa-Bildfunk +++