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Worauf Kickl setzt

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Johannes Huber

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Wenn es zu einer blau-türkisen Mehrheit kommt, wird die ÖVP eine Zusammenarbeit mit dem FPÖ-Chef kaum weiter so kategorisch ausschließen, wie sie es derzeit tut.

Die Lage von Herbert Kickl wirkt aussichtslos: Zwar könnte der Obmann der FPÖ seine Partei bei der Nationalratswahl am 29. September auf Platz eins führen, es will aber niemand mit ihm zusammenarbeiten. Nicht nur Sozialdemokraten schließen das aus, sondern auch Türkise. Trotzdem gibt er sich weiter kämpferisch, erwartet, im Falle des Falles den Regierungsbildungsauftrag zu erhalten. Kein Wunder: Er weiß, dass er kaum verlieren kann.

Die FPÖ wird wohl sehr stark werden. Für eine Regierung gegen sie wären mindestens drei Parteien nötig, die obendrein nicht viel mehr eint, als ihn zu verhindern. Das würde ihm nützen: "Seht her, sie wollen keinen Kanzler, der fürs Volk ist", würde er seinen Anhängern mehr denn je zurufen. Wie er es schon jetzt macht, um als "Anti-System-Vertreter" zu punkten. Sprich: Bei der folgenden Wahl wäre er halt noch erfolgreicher.

Möglich ist jedoch, dass es am 29. September ohnehin zu einer blau-türkisen Mehrheit kommt. Dann kann Kickl auf die ÖVP hoffen.

Erstens: Bald nach der Nationalratswahl folgt die Landtagswahl in der Steiermark. Im Hinblick darauf wird die Volkspartei unter Druck geraten, ihre derzeitige Haltung zu ihm zu überdenken, damit nicht noch mehr Wähler zu den Freiheitlichen wandern und sie auch noch den Posten des steirischen Landeshauptmannes an diese abgeben muss.

Zweitens: Das türkise Kernproblem ist, dass sie sich die FPÖ mit ähnlichen Schwerpunkten wie Asyl und Migration zur direkten Konkurrentin gemacht hat, dabei jedoch gerade in Zeiten multipler Krisen das Nachsehen hat, zumal Kickl immer weitergeht mit seinen Forderungen und daher bei vielen Wählern besser ankommt.

Drittens: In den zweieinhalb Jahren seit dem Abschied von Sebastian Kurz, der diesen Wettbewerb begonnen hat, hat es die ÖVP verabsäumt, sich neu auszurichten.

Viertens: Nach den jüngsten Wahlniederlagen in Niederösterreich und Salzburg sah sie sich daher gezwungen, mit triumphierenden Freiheitlichen zu koalieren. Hintergrund: Wähler, die sie an diese verloren hat, sollten zumindest durch eine Mitte-rechts-Politik zufriedengestellt werden, wie sie mit Sozialdemokraten unmöglich wäre.

Fünftens: Auch auf Bundesebene stehen Freiheitliche Teilen der ÖVP nach wie vor näher als Sozialdemokraten. Kickl bringt sie nicht davon ab. Karl Nehammers Vorgänger als Kanzler und Parteivorsitzender stehen dafür: Wolfgang Schüssel ist dagegen, den FPÖ-Chef zu dämonisieren, und Sebastian Kurz will sich nach dem Bruch 2019 längst ausgesöhnt haben mit ihm. Ja, laut Kurz war es überhaupt ein Fehler, Türkis-Blau mit Kickl als Innenminister wegen "Ibiza" beendet zu haben.

Pensionsplus als großes "Wahlzuckerl"

Die türkis-grüne Koalition stand auf der Kippe, nachdem Klimaschutzministerin Leonore Gewessler (Grüne) im Juni gegen den Willen der ÖVP der EU-Renaturierungsverordnung zugestimmt hatte. Bundeskanzler Karl Nehammer (ÖVP) begründete eine Fortsetzung der Zusammenarbeit letzten Endes jedoch damit, dass er kein freies Spiel der Kräfte auf parlamentarischer Ebene haben wolle. Ein solches würde zu teuren Beschlüssen führen.

Das ist nicht falsch. Im Gegenteil: Der Fiskalrat geht davon aus, dass "Wahlzuckerl", die seit 2008 fixiert worden sind, allein heuer über vier Milliarden Euro kosten. Dazu zählt er unter anderem Pensionserhöhungen, die über den gesetzlichen Anpassungsfaktor hinausgehen. Dieser Faktor ergibt sich aus der durchschnittlichen Teuerung in den zwölf Monaten bis Juli. Heuer wird er bei rund fünf Prozent liegen. In diesem Ausmaß werden Pensionen mit dem 1. Jänner erhöht werden, sofern man sich an die gesetzlichen Vorgaben hält. In der Regel gibt es für kleinere Pensionen jedoch ein größeres Plus.

Das leitet nun über zu einer Erklärung dafür, dass ÖVP und Grüne gerade nicht auseinandergegangen sind: So bleibt ihnen die Möglichkeit, noch vor dem Urnengang am 29. September zu verkünden, was manche Experten als "Wahlzuckerl" bezeichnen. Anders ausgedrückt: So geben sie die Kontrolle darüber nicht in einem freien Spiel der Kräfte an andere Parteien ab.

Vor der Nationalratswahl 2019 wurde für kleine Pensionen eine zwei Mal größere Erhöhung als gesetzlich vorgesehen fixiert: Für sie gab es 3,6 statt 1,8 Prozent mehr. Ein Argument von damals könnte jetzt erst recht angeführt werden: Wer zum Beispiel mit einer Mindestpension von 1.218 Euro auskommen muss, dem setzt das in den vergangenen zwei, drei Jahren massiv gestiegene Preisniveau ganz besonders zu.

Fast 90 Prozent wären für eine Vermögenssteuer

Am Aufgabenheft für die nächste Regierung wird bereits geschrieben: Christoph Badelt, Präsident des österreichischen Fiskalrats, und Gabriel Felbermayr, Direktor des Wirtschaftsforschungsinstituts WIFO, sind der Überzeugung, dass ein Sparpaket notwendig wird. Auch der Druck aus Brüssel, ein solches zu schnüren, ist groß, liegt die jährliche Neuverschuldung doch bei rund drei Prozent des BIP. Das entspricht gut 15 Milliarden Euro. Es handelt sich um eine Folge unterlassener Reformen in guten Zeiten und einer "Koste es, was es wolle"-Politik seit der Coronakrise.

Was tun? Bei der jüngsten Welle der Europäischen Sozialstudie wurden mehr als 2.000 Österreicherinnen und Österreicher gefragt, was sie von bestimmten Möglichkeiten zur Budgetsanierung halten. Ergebnis: Eine Kürzung von Sozialleistungen wird von zwei Dritteln abgelehnt. Umgekehrt würden 87 Prozent die Einführung einer Vermögenssteuer für das oberste Zehntel der Haushalte begrüßen.

Politisch ist das allerdings eine Minderheitenposition: Einzig Sozialdemokraten und Grüne sind für Vermögenssteuern. Die ÖVP, aber auch Freiheitliche und Neos stehen ebensolchen distanziert bis klar ablehnend gegenüber.

Das macht eine Budgetsanierung nach der Nationalratswahl nicht einfacher. Auch mit Optionen, die WIFO-Direktor Felbermayr nennt, hat man zumindest in den Reihen der potenziellen Kanzlerparteien größere Schwierigkeiten. Sparmaßnahmen werden demnach nicht ausreichen, auch Belastungen werden erforderlich sein. Felbermayr denkt etwa an eine Erhöhung der Mineralölsteuer. Insbesondere Freiheitliche und Sozialdemokraten finden jedoch, dass Autofahrer nicht zuletzt aufgrund der türkis-grünen CO₂-Abgabe bereits zu stark belastet werden. Sie würden da eher zu einer Entlastung schreiten.

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