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Vom Volkssport zum Spielplatz des Geldadels

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Hast du reserviert?“, fragte ein dicklicher Mann mit Schweiß tropfen an den Wangen in der Gondel der Rüfikopfbahn, die von Lech am Arlberg in wenigen Minuten die Bergstation auf 2.350 Metern erreicht. Er ist vielleicht Mitte fünfzig, mit schwarzem Helm und weißer Skibrille, eng wie eingeschweißt steht er in knallroter Jacke und Hose, beide mit dem wichtigen Markenzeichen, ein Skianzug, den sich nicht jeder leisten könnte. „Selbstverständlich, wenn wir die Hütte erreichen, ist der Champagner schon kalt gestellt“, antwortete der Mann neben ihm lachend, größer, schlanker, die Nase von der Sonne verbrannt, mit weißem Helm und schwarzer Skibrille, in dunkelblauem Skianzug, mit einem anderen Markenzeichen, vielleicht sogar noch teurer.

Sie waren zu viert. Vier Freunde in gehobenen Positionen, oder sie hatten ihr eigenes Unternehmen. Es klang allerdings weniger nach Freundschaft, eher wie das konkurrierende Aufplustern von vier Hähnen vor dem Käfig der Hühner. Als ich mich mit meinem Sohn für die Seilbahn anstellte, standen sie hinter uns. Auf der Plattform, wo die Seilbahn ankommt, waren sie plötzlich weit vorne, die Ersten vor der Schiebetür der Gondel mit einer Selbstverständlichkeit, als sei ihnen das Vordrängen schon beim Ticketkauf garantiert worden.

Gondel

Wir fühlten uns fremd in der dicht gedrängten Gondel, als ob wir in die falsche eingestiegen wären. Mit Deutschen, Holländern, Briten und Amerikanern waren wir eingekreist von einer Gesellschaft, die mit Gestik und Ausrüstung lautstark allen versicherten, dass sie es geschafft hätten. Vor uns ein amerikanisches Ehepaar, das über das Service in der ersten Klasse auf dem Flug von New York klagte, es habe extrem nachgelassen im Vergleich zum Vorjahr. Kaviar hätte es auch keinen gegeben. „Wahrscheinlich haben ihn die Piloten gegessen“, sagte er, und sie lachte laut, wahrscheinlich, um von allen gehört zu werden. Als würden sie in der Gondel auf einer Bühne stehen und es gehe im Leben nur mehr um den Unterschied. Haben und Nichthaben dominieren den Urlaubs-Alltag in den teuren Skigebieten. Das überlegene Gehabe überträgt sich auf die Skipiste. Mit dem neuen Material lernt jeder bald das Bogenfahren und stürzt sich – oft rücksichtslos – die Hänge hinunter. Nie zuvor gab es so viele Unfälle wie dieses Jahr, verursacht durch präpotentes Auftreten, unkontrolliertes, zu schnelles Fahren, sich selbst überschätzend.

Übernachtungen

Das Publikum am Arlberg mit dem größten und sicherlich schönsten Skigebiet Österreichs hat sich verändert. Es gibt zwar noch Pensionen in der Umgebung um 90 Euro die Nacht, doch die Hotels in den Zentren nahe der Lifte kosten das Fünf- bis Zehnfache. Übernachtung, Verpflegung und Lifttickets sind teuer geworden, die Preise weitaus mehr gestiegen als die Inflationsrate. Die einst einfachen Berghütten prahlen mit Hummer, Steak und Champagner auf ihren Speisekarten. Immer weniger Schnee reduziert den Wintersport auf höher gelegene Skigebiete. Kleinere Orte in niedrigen Lagen mit preisgünstigen Unterkünften hatten heuer eine extrem kurze Saison. Der Volkssport Ski fahren geht am Volk vorbei. Wenn diese Entwicklung anhält, ist Skifahren für Familien mit Kindern nicht mehr finanzierbar. Von einer Million Übernachtungen im Winter in der Arlberg-Region machen Österreicher nur etwa sechs Prozent aus. Hier trifft sich der internationale Geld-Adel. Letztes Jahr erklärten in Österreich etwa 38 Prozent, im nächsten Winter einen Skiurlaub zu planen, tatsächlich fuhren nur 22 Prozent. Fast alle Befragten gaben die zu hohen Kosten als Grund an, auf andere Urlaube umzusteigen.

Steilhang

Zurück zu unserer Bergfahrt. Als sich die Gondel der Bergstation näherte, hörten wir die beiden New Yorker, wie sie über den „Langen Zug“ sprachen, den steilsten Hang am Arlberg. Tafeln würden warnen, dass ungeübte Fahrer ihn meiden sollten, das sei eine tolle Herausforderung, sagte der mutige New Yorker zu seiner Partnerin. Auf ihre zaghaften Einwände reagierte er unwirsch: „Ist doch lächerlich, das schaffst du schon!“ Doch sie zögerte, bis sie schließlich sagte: „Ich fahr rundherum auf der blauen Piste, du kannst ja die steile nehmen.“ In der Bergstation angekommen drängten wir hinaus in den Schnee und hörten immer noch das Paar streiten, sahen dann den tapferen Amerikaner alleine in Richtung „Langer Zug“ verschwinden. Mein Sohn und ich entschieden uns auch für diese Piste. Sie war gut präpariert, der Schnee war hart und griffig, und der Sohn, vor 20 Jahren noch langsam mir folgend, verschwand sofort in Richtung Tal.

Ich fuhr vorsichtig Bogen für Bogen den steilen Hang hinunter, bis mich schreiend der Amerikaner überholte, bei einer Rechtskurve kopfüber stürzte, Ski und Stöcke verlor und aufgrund des starken Gefälles den Hang hinunterrollte. Er lag keuchend flach auf dem Rücken, als ich ihn erreichte, Brille, Ski und Stöcke weit oberhalb, wo er sie verloren hatte. Er setzte sich auf, sein Gesicht war voller Schnee. Ich fragte ihn, ob er sich wehgetan hätte, er schüttelte den Kopf und stand auf.

„Can you bring me my skis? I am exhausted“, sagte er plötzlich. Jetzt musste ich lachen. Ich stand angeschnallt auf meinen Ski vor dem halb so alten New Yorker in seiner Luxus-Ausrüstung und stellte mir vor, wie ich alter Depp auf allen Vieren den steilen Hang bis zu seinen Ski hinaufkriechen würde. „Sorry“, antwortete ich, riet ihm, sich eine Weile auszuruhen, und fuhr weiter, und wer weiß schon, warum, aber es ging mir verdammt gut dabei. Weit unten im Tal sagte ich seiner wartenden Freundin, dass es wohl noch eine Weile dauern könnte, bis ihr Partner kommen würde.

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