Der Signa-Gründer verhandelte mit dem deutschen Versicherungskonzern Signal Iduna ein 100-Millionen-Euro-Investment in den Elbtower. Parallel dazu lockte er den für den Wolkenkratzer zuständigen Manager mit einem Führungsjob bei der Signa
Der Elbtower in Hamburg sollte einst das neue Wahrzeichen der Hansestadt werden. Ein Wolkenkratzer. 245 Meter hoch. Eine Milliarde Euro teuer. Von Stararchitekt David Chipperfield entworfen.
Doch seit Oktober 2023 ruhen die Bauarbeiten des Prestigeprojekts. Seither steht das Betongerippe, das nicht über 100 Meter Höhe hinausgekommen ist, vor allem für eines: für die Großmannssucht, die René Benko und seine mittlerweile finanzmarode Signa-Gruppe in der Vergangenheit an den Tag gelegt haben.
Gemeinsame Recherchen von „News“ und „Krone“ erlauben nun erstmals Antworten auf die Frage, wie es René Benko und seiner Signa gelang, Geldgeber für den Elbtower an Bord zu holen. Offiziell hatte der Firmengründer seit 2013, seit einer strafrechtlichen Verurteilung wegen versuchter verbotener Intervention, in seinem intransparenten Konzernkonglomerat lediglich die Rolle als Beiratsvorsitzender inne. Tatsächlich zog der heute 47-jährige Finanzjongleur offenbar auch beim Elbtower die Fäden.
Rückblick ins Jahr 2022. Damals, im April und im Mai, verhandelt Benko eine Elbtower-Finanzierung mit dem bekannten deutschen Versicherungskonzern Signal Iduna, der pro Jahr rund sechs Milliarden Euro Umsatz macht. Es geht um 100 Millionen Euro, die von Signal Iduna für das Signa-Projekt Elbtower bereitgestellt werden sollen.
Benkos Ansprechpartner bei Signal Iduna ist Christian Middelberg, der Leiter für Alternative Investments und Geschäftsführer der Signal Iduna Asset Management GmbH.
Diskrete Gespräche
Ende April 2022 findet ein Gespräch zwischen Benko und Middelberg statt. Am 2. Mai fasst der deutsche Manager in einer Mail gewisse Eckpunkte zusammen:„Lieber Herr Benko, wie in der letzten Woche miteinander besprochen, habe ich nun eine interne Abstimmung bzgl. des von unserer Seite präferierten Formats in der Senior-Finanzierung für das Projekt ELBTOWER vornehmen können.“
Christian Middelberg wird laut vorliegenden Unterlagen in den nächsten Monaten der entscheidende Ansprechpartner für Benko bei Signal Iduna sein, über dessen Schreibtisch wichtige Details laufen. Er begleitet für den Versicherungskonzern auch die sogenannte Due Diligence, eine eingehende Prüfung des Projekts Elbtower.
Doch schon im Juni 2022 führen René Benko und Christian Middelberg nicht mehr nur Gespräche über den Wolkenkratzer, der in Hamburg hochgezogen werden soll. Man spricht mittlerweile auch über einen möglichen beruflichen Wechsel Middelbergs zu Benkos Signa. Die Kommunikation erfolgt diskret, Manager Middelberg verwendet dafür seinen privaten E-Mail-Account.
Am 13. Juni 2022, kurz nach 20.00 Uhr, schreibt Middelberg an den Signa-Boss: „Lieber Herr Benko, angefügt übersende ich Ihnen gerne meinen Lebenslauf zur vertraulichen Kenntnisnahme. Sollten Sie hierzu Fragen haben, sprechen Sie mich gerne an.“
Am Sonntag, 17. Juli 2022, 20.43 Uhr, meldet sich der Signal-Iduna-Manager erneut bei Benko. Wieder verwendet er einen privaten E-Mail-Account.
Betreff: „Unser für August angedachtes nächstes Gespräch“. Doch es geht auch dabei wieder nicht um die Elbtower-Finanzierung, die bis September abgeschlossen werden sollte, sondern um die persönliche Zukunft Middelbergs in Benkos Signa.
„Lieber Herr Benko, nach unserem gestrigen Telefonat habe ich mir einige Gedanken über die zu besetzende Stelle gemacht. Nachfolgend übersende ich Ihnen die kurzen Notizen dazu, die wir ggfs. als grobe Orientierung bei unserem nächsten Gespräch heranziehen können.“
Nur zur Verdeutlichung: Im Sommer 2022, als das Elbtower-Projekt gerade in die heiße Finanzierungsphase geht, reden René Benko und der Signal-Iduna-Manager nicht nur über ein Investment des deutschen Milliardenkonzerns in den Elbtower, sondern auch über eine gemeinsame berufliche Zukunft in der Signa. Christian Middelberg, der das Engagement seines Versicherungskonzerns auf Herz und Nieren zu prüfen hat, spricht also ausgerechnet zu dieser Zeit im privaten Rahmen mit René Benko persönlich über ein späteres berufliches Signa-Engagement.
Personalisierte Jobausschreibung
Mehr noch: Christian Middelberg darf sich offenbar sogar eine erste Job Description schreiben, wie aus der Mail vom 17. Juli 2022 hervorgeht. Darin heißt es unter dem Punkt „Bezeichnung der Stelle“ etwa: „Vorschlag: Head of Institutional Finance“. Unter „Stellenbeschreibung“ vermerkt der Signal-Iduna-Mann unter anderem: „Konzeption und Umsetzung von Finanzierungsstrukturen, die als Anlagemöglichkeit im Weg von Private Placements institutionellen Investoren zugänglich gemacht werden (z. B. Club Deals für Versicherungen/ Pensionskassen zur Finanzierung von SIGNA-Projekten).“
Middelberg will laut dieser von ihm formulierten Stellenbeschreibung auf der ersten Führungsebene andocken. Sein konkreter Vorschlag lautet: „Geschäftsführer in der SIGNA Financial Services Germany GmbH (Vertretung gemeinsam mit einem anderen GF bzw. einem anderen Prokuristen).“ Vertragsbeginn? „Start sollte spätestens am 01.04.2023 sein“, schreibt er. „Beachten: für die zukünftige Zusammenarbeit mit SIGNAL IDUNA ist ein(e) möglichst reibungslose(r) Übergabe/Einarbeitung sehr hilfreich.“ Abschließend notiert der Manager in seiner Mail an Benko: „Ich freue mich auf das avisierte nächste Gespräch mit Ihnen.“
Tags darauf antwortet Benko noch vor sechs Uhr früh: „Danke – ich melde mich für einen Termin, den wir in der zweiten Augusthälfte planen können.“
100-Millionen-Investment
In den Wochen darauf wird zwischen Signa und Signal Iduna intensiv über die 100-Millionen-Euro-Finanzierung verhandelt. René Benko verwendet Middelberg offenbar auch als Referenz für Gespräche mit einem österreichischen Versicherungskonzern.
Am 22. September 2022 kann Signaintern endlich der nahende Vollzug vermeldet werden: Herr Middelberg habe sich gemeldet, heißt es in einem Schreiben an zahlreiche Signa-Vorstände und -Rechtsberater, „und mitgeteilt, dass Vorstand Berger die Zeichnung von EUR 100,0 M genehmigt“ habe, unter dem Vorbehalt, dass sämtliche offenen Punkte in den kommenden Tagen geklärt werden.
Was sagt Signal Iduna dazu, dass der für die Signa-Verhandlungen operativ zuständige Manager parallel mit dem Signa-Gründer über einen beruflichen Wechsel gesprochen hat? Hat er diese Gespräche seinem Konzern-Vorstand gemeldet? Die Signal Iduna erklärt auf News-Anfrage, dass Christian Middelberg mögliche Kontakte mit René Benko über einen Wechsel in die Signa-Gruppe nicht offengelegt hat. Und die Elbtower-Transaktion auf vielen Ebenen detailliert umfangreich geprüft wurde.
Im Juni 2024 gibt die Signal Iduna eine knapp 200 Millionen Euro hohe Abschreibung auf ihr Signa-Engagement bekannt.
Ähnliche Muster
René Benkos Vorgehen in der Elbtower-Causa erinnert jedenfalls an den Fall Thomas Schmid. Der ehemalige Generalsekretär im Finanzministerium, der sich der Wirtschafts- und Korruptionsstaatsanwaltschaft als Kronzeuge angeboten hat, wirft dem Signa-Gründer vor, versucht zu haben, ihn mit der Aussicht auf einen lukrativen Job in der Signa-Gruppe zu bestechen. Im Oktober 2022 fanden in der Signa Hausdurchsuchungen statt. René Benko bestreitet die Vorwürfe vehement, es gilt die Unschuldsvermutung.
Ein ähnliches Muster ließ sich bereits beim Job-Wechsel von Christoph Stadlhuber erkennen. News hat berichtet. (Nr. 24/2024) Stadlhuber, bis vor wenigen Wochen rund 13 Jahre lang Chef der Signa Holding, stieß 2011 von der Bundesimmobiliengesellschaft (BIG) zu Benkos Firmengruppe. Die Verhandlungen mit Stadlhuber hatten allerdings bereits 2010 begonnen. Damals ließ der BIG-Chef seinem späteren Big Boss interne Informationen über mögliche Projekte im staatsnahen Bereich zukommen.