Für die Freiheitlichen ist die ÖVP nur für eine Mehrheit im Hohen Haus nützlich. In der Volkspartei hadert man weiter mit Kickl – und immer wieder warnt man einander, dass es Neuwahlen geben könnte
ANALYSE DER WOCHE
Bei den laufenden Regierungsverhandlungen ist die Regel, was in der Vergangenheit die Ausnahme war, sofern es zu einem Abschluss kam: Man lässt einander wissen, dass es Neuwahlen geben könnte, ja, dass man dafür gerüstet sei; oder dass man sich nicht davor fürchte. FPÖ-Chef Herbert Kickl hat ersteres genau genommen schon getan, als er den geschäftsführenden ÖVP-Obmann Christian Stocker zu Gesprächen einlud. Dessen Generalsekretär Alexander Pröll hat zweiteres vor wenigen Tagen bekräftigt.
Man macht es sich zu einfach, wenn man das ausschließlich auf das Offensichtliche zurückführt: Natürlich erhöht Kickl so den Druck auf eine schier am Boden liegende ÖVP, bei den Verhandlungen Zugeständnisse zu seinen Gunsten zu machen. Und selbstverständlich versuchen Stocker und Pröll so, demonstrativ selbstbewusst gegenzuhalten.
Es geht jedoch um mehr: Freiheitliche sind überzeugt, dass jetzt ihr Jahrzehnt beginnt und die Volkspartei dabei nur für eine Mehrheit auf parlamentarischer Ebene nützlich ist. Im Übrigen hat Kickl nicht vergessen, dass sie die Zusammenarbeit 2019 in Folge der Ibiza-Affäre aufkündigte und es zu Neuwahlen kam. Damals musste er als Innenminister gehen und dafür könnte er sich rächen, so die Befürchtung gerade auch in einer ÖVP, die in Umfragen nur noch 18 Prozent hält, während die FPÖ bereits auf 37 Prozent davongezogen ist.
Und schließlich: In der ÖVP hat man sich noch lange nicht damit abgefunden, das Kanzleramt ausgerechnet an Kickl abgeben zu müssen, den Stocker und andere bis vor wenigen Wochen als „Sicherheitsrisiko“ abgelehnt haben. Klar: Auf die Schnelle wird sie das kaum rückgängig machen können. Sie würde es jedoch gerne – und das wiederum zählt zu all den Dingen, die einer allfälligen Koalition im Weg stehen, die lange hält.