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Vom Hoch- zum Oberwasser: Der Ton macht die Duellmusik

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Peter Plaikner

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Angesichts des menschlichen Leids durch das Hochwasser vermeiden viele den Ausblick auf die politischen Folgen. Doch es wäre falsche Zurückhaltung, vor der Wahl nicht auf die Partei- und Medienauswirkungen der Unwetter zu verweisen

Zehn Tage vor der Nationalratswahl nutzt die Katastrophe vor allem der ÖVP. Neben der Kanzlerrolle, die das größte Potenzial zur Selbstdarstellung als Krisenmanager bietet, ist Karl Nehammer durch sein Vorleben als Berufsoffizier und in Niederösterreich besonders qualifiziert dafür. Die aktuellen türkis-schwarzen Wachträume erinnern zu Recht an den roten Gerhard Schröder, der 2002 in der Elbe staksend noch die gegen Edmund Stoiber schon verloren geglaubte Wahl in Deutschland gedreht hat.

Darüber hinaus profitieren die Grünen davon, dass ihr Hauptthema Klimakrise nun wieder tragische Saison hat. Für die SPÖ kann Andreas Babler als Bürgermeister zumindest tatkräftig Benjamin Barbers Vision „If Mayors Ruled the World“ in Erinnerung rufen. Urplötzlich im Hintertreffen hingegen wirken die FPÖ mit dem Gruselhit Migration und auch die Neos, die soeben Schwung als Zünglein an der Waage einer Dreierkoalition bekommen hatten. Bildung, Jugend und Integration, das Ressort ihres einzigen Regierenden, Wiens Stadtrat Christoph Wiederkehr, sind trotz des Schulbeginns vorerst abgemeldet.

Die unwürdigen Wahlduelle

Das gilt auch für die TV-Wahlduelle im ORF, die vom Wochenbeginn auf Freitag verschoben wurden. Dadurch ergibt sich eine zwar unfreiwillige, aber hilfreiche Nachdenkpause über die Selbstdarstellung der Spitzenkandidaten. Oberflächlich betrachtet brachten die ersten sechs der zehn Konfrontationen hervorragende Quoten mit Durchschnittsreichweiten von 600.000 bis 840.000. Je ein Drittel des gesamten Fernsehpublikums entschied sich an der Fernbedienung schon live für diese Wortgefechte. Dazu kommen noch Streaming, TVthek-Abrufe und die Betrachtung der Videoschnipsel via Social Media.

Es gibt also weder Politik- noch Politikerverdrossenheit. Noch. Denn die Kontrahenten gingen bisher fahrlässig mit dem großen Interesse um. Sie versuchten vor allem, Stammwähler anzusprechen, und bedienten sich einer von digitalen Plattformen bewährten Kampfrhetorik: ständiges Unterbrechen und persönliches Herabwürdigen des Gegners sowie Drüberfahren bei Frageversuchen der Moderatorin. Was so mit dem Duell Kogler – Babler gegenseitig begonnen hatte, setzte Letzterer mit Nehammer fort.

Hoffnung auf Konstruktivität

Die zwei können froh sein, dass dieser Anti-Dialog nicht die finale TV-Konfrontation vor der Wahl war – wie bisher als Match der ersten beiden vom letzten Mal üblich. Zur Schau getragene Respektlosigkeit, Unhöflichkeit und schlechte Manieren mögen manch eigene Fans begeistern, nehmen dem breiten Publikum aber unabhängig vom Inhalt die letzte Hoffnung auf konstruktive Politik. Genau sie ist in diesen Katastrophentagen aber gefragt. Und prompt hat sich der rüde Fernsehtonfall, dem nur die Debatte von Beate Meinl-Reisinger mit dem Kanzler beidseitig entkam, Richtung Empathie verändert.

Alle Parteichefs sind gut beraten, die Tonalität der Krisenbewältigung in ihre letzten TV-Duelle mitzunehmen. Sie schaden sonst der Demokratie. Diese benötigt mehr Respekt im persönlichen Umgang miteinander. Spitzenkandidaten müssen Vorbilder dafür sein, um Oberwasser zu haben.

Was meinen Sie? Schreiben Sie mir: pp@plaikner.at

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