Der Franzose Pierre de Coubertin war ein Rassist und kritisierte die Teilnahme von Frauen bei Sportveranstaltungen.
Am 26. Juli beginnt die Olympiade in Paris, doch die französische Regierung hat sich noch nicht entschieden, ob oder in welcher Weise Pierre de Coubertin, der „Vater der modernen olympischen Spiele“, entsprechend geehrt werden sollte. Der 100. Jahrestag nach den Spielen in Paris 1924 wäre ein ideales Datum, doch die französische Regierung zögert. Briefe und Dokumente tauchen auf, die Jahrzehnte lang in den Archiven lagen, die Coubertin als Bewunderer von Hitler und als Rassisten zeigen und seine Ablehnung von Frauen bei Olympiaden dokumentieren. Präsident Macron ignorierte 2022 die Forderung der Vertreter des internationalen olympischen Komitees (IOC), die sterblichen Überreste Coubertins in das Pantheon zwischen den Helden der Nation in ein Ehrengrab zu verlegen.
Die Bewertung und Beurteilung von Coubertin bewegt sich zwischen Bewunderung und Verachtung. Einerseits ist er unbestritten der Begründer der modernen olympischen Idee, anderseits sind seine rassistischen und frauenfeindlichen Ansichten von seiner Persönlichkeit nicht zu trennen. „Rassen haben unterschiedliche Wertigkeiten“, schrieb Coubertin, „und die nichtweißen Rassen sollte die Überlegenheit der weißen Rasse akzeptieren und sich unterordnen.“ Coubertin versuchte von Beginn an, wenn auch vergeblich, Frauen von den Spielen auszuschließen.
„Es geht bei den olympischen Spielen um männliche Tugenden,“ erklärte er, „und deshalb sollten die Wettkämpfe Männern vorbehalten bleiben, weibliche Athleten sind uninteressant und nicht sehr ästhetisch.“
Deutschland
Pierre de Coubertin wurde 1863 in Paris geboren, er studierte Kunst und Rechtswissenschaften an der Sorbonne. Sein Vater versuchte, ihn zu einer Offizierslaufbahn zu überreden, doch ihn interessierte die Pädagogik. Auf einer seiner vielen Reisen in die USA, Kanada und England traf er Thomas Arnold, einen Erziehungswissenschaftler in England, der das Ideal des perfekten Gentleman predigte, eine Kombination von Eleganz und Sport. Coubertin faszinierte diese Erziehungstheorie, und er entwarf die Idee des perfekten Menschen, in dem Körper, Geist und Seele eine Einheit bilden. Im Juni 1894 beschloss eine von Coubertin gebildete Kommission die Wiederaufnahme der Olympischen Spiele, und im Jahr 1896 die ersten Olympischen Spiele der Neuzeit in Athen zu veranstalten.
Die Nationalsozialisten erkannten sehr früh den möglichen Nutzen von Coubertin und versuchten noch vor der Olympiade in Berlin 1936, Druck auf das Nobelpreiskomitee auszuüben, Coubertin den Friedens-Nobelpreis zu verleihen. Das Komitee weigerte sich. Auf die Drohungen einzelner olympischer Verbände, die Spiele 1936 in Berlin zu boykottieren, reagierte Coubertin verärgert und auf Kritik an Deutschland ausweichend. In einem Brief an den deutschen Sportfunktionär Carl Diem, der maßgeblich an der Planung der Olympiade 1936 in Berlin beteiligt war und die Idee für einen Fackellauf von Griechenland zum Austragungsort hatte, schrieb er: „Es sind immer noch eine große Anzahl von Leuten vorhanden, die gesund urteilen, beeindruckt sind von der Beständigkeit des Führers, seiner Willensstärke, alle, die in Deutschland gewesen sind, kommen zurück mit einer Vision von Ordnung, guter Haltung, Freundlichkeit.“
Reichskanzler
Am 8. Mai 1935 schickte Coubertin einen Brief an Diem mit der Bitte, ob er für seine Autogrammsammlung wohl einige handschriftliche Worte des Führers und Reichskanzlers erhalten könnte. Diem leitete den Brief an die Präsidialkanzlei weiter, und nach wenigen Tagen bekam Coubertin ein Bild Hitlers mitsamt Unterschrift in Lausanne, wo das IOK seit 1915 seinen Hauptsitz hatte und de Coubertin auch residierte. Die deutsche Olympiaorganisation begrüßte das Interesse Coubertins am Nationalsozialismus und seine Initiativen, einen möglichen Boykott der Spiele in Berlin durch die USA, Großbritannien und Frankreichs zu verhindern. Coubertin verurteilte die Kritik an Deutschland als „dumme Anti-Hitler-Kampagne“. Berlin bedankte sich für seine Bemühungen mit der Benennung eines Vorplatzes des Olympia-Stadions mit seinem Namen und überwies ihm zehntausend Reichsmark, weil er über seine Armut klagte.
Berlin
Doch selbst Coubertin schien innerlich zerrissen. Im letzten Moment sagte er seine Teilnahme an den Spielen in Berlin ab. Hitler sandte ein persönliches Telegramm an Coubertin am ersten Wettkampftag: „Das deutsche Volk schätzt sich glücklich, mit der Durchführung der diesjährigen Olympischen Spiele in Berlin einen Beitrag zu Ihrem unvergänglichen Werk des olympischen Gedankens leisten zu können.“
Diane de Coubertin, seine Urgroßnichte kämpft heute um den Ruf des Olympia-Gründers. „Man reduziert sein Lebenswerk auf ein paar Sätze, die heute jeden schockieren, zu seiner Zeit völlig normal waren“, erklärte sie in einem Interview. Das IOC denkt ähnlich und wird für die Olympiade 2024 in Paris mit mehreren Ausstellungen an den Gründer erinnern.