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TV-Wahlwerbung als schlechtes Vorbild einer Gesellschaft

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©imago images/ZUMA Wire
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In Österreich bieten öffentlich-rechtliches und privates Fernsehen eine journalistisch kontrollierte Arena für Wahlkämpfe. Das gibt es in den USA auch. Doch TV ist dort zudem die Nummer 1 für Wahlwerbung. Darauf sollten wir weiterhin gut verzichten können

Im Endspurt der US-Wahl fehlte in kaum einem Kandidatenauftritt der Hinweis, dass die eigene Partei breit und offen insbesondere für bisherige Anhänger der anderen Gesinnungsgemeinschaft sei. Demokraten wie Republikaner animierten intensiv zur stimmlichen Grenzüberschreitung. Das klingt folgerichtig in einem de facto Zwei-Parteien-System mit Mehrheitswahlrecht, wo es immer darum geht, über 50 Prozent zu kommen. Doch es wirkt inkonsequent angesichts einer den Gegner extrem angreifenden Art des Stimmenfangs, wie er immer noch vor allem via Fernsehen betrieben wird.

Zwei Drittel der 18 Milliarden Dollar für Marketing in diesem Wahlkampf wurden für Werbespots aufgewendet, mehr als die Hälfte davon im linearen Fernsehen. Laut Myers Report landeten 6,1 Milliarden im Patschenkino, aber erst 1,6 Milliarden auf digitalen Plattformen einschließlich Social Media.

6,1 Milliarden fürs Patschenkino

Das wirkt aus heimischer TV-Perspektive beneidenswert. In Österreich gibt es mehr Werbegeld für globale Digitalgiganten als heimische Medienanbieter. Klassisches Fernsehen ist aber auch hier noch das reichweitenstärkste Massenmedium. Da der ORF mit einem Drittel Marktanteil weit vor dem stärksten Herausforderer (Servus 4,3 Prozent) liegt, hat die TV-Wahlwerbung allerdings wenig Bedeutung. Denn in den öffentlich-rechtlichen Programmen sind solche Einschaltungen verboten.

Was betriebswirtschaftlich fatal sein mag, ist demokratiepolitisch ein Segen. Denn die TV-Spots zur US-Wahl sind erschreckend negativ. Es geht fast durchgehend um die Schmähung des politischen Gegners, dem grundsätzlich nur Falsches und Böses unterstellt wird. Dies geschieht auf einem persönlich beleidigenden Niveau, das gesprächszerstörend wirkt. Alle zwei Jahre monatelang vor dem Dienstag nach dem ersten Montag im November – dem traditionellen Wahltag in den USA.

Fernsehturbo zur Polarisierung

Ein solches Dauerfeuer von Bildschirmen in fast jedem privaten Zimmer und vielen öffentlichen Lokalen muss vorbildhaft auf eine Gesellschaft wirken. Wenn heute die extreme Polarisierung der USA beklagt wird, dann mag das entsprechende Konzept der politischen Kommunikation ein Hauptgrund dafür sein, doch erst seine skrupellose Verbreitung über Fernsehen schafft diese negative Wirkung. Die aberwitzige Angriffigkeit der Wahlwerbung erhebt die niveaulose Konfrontation zur Normalität im Umgangston. Der US-Besucher schöpft allerdings Hoffnung daraus, dass dies im persönlichen Gespräch weder in Stadt noch Land spürbar wird. Im Gegenteil: Die Menschen sind in Summe zumindest oberflächlich zugänglicher als im klischeehaft freundlichen Österreich.

Der Test, wie es hier wäre, wenn der ORF Wahlwerbung wie in den USA bringen dürfte, sollte unserer Demokratie nicht zugemutet werden. Im Trend ständig wachsenden Einflusses außer Rand und Band geratener Social Media braucht es ein öffentlich-rechtliches Vorbild für Standards im gesellschaftlichen Umgang miteinander. Der ORF muss ein Hort von Journalismus und Demokratie sein. Der entsprechende Beweisdruck für ihn wächst. Die kritische Hilfestellung der Zivilgesellschaft muss lauter werden.

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