Ein nettes SMS hier, ein exklusives Abendessen dort: Durch geschickte Beziehungspflege in der eigenen Partei ist es Donald Trump gelungen, sich Vorteile bei den Vorwahlen zu verschaffen. Die Kandidatur ist ihm schon jetzt, zehn Monate vor der Präsidentschaftswahl, so gut wie sicher.
Eine persönliche Nachricht aufs Handy: "Ich bin 's, dein Lieblingspräsident aller Zeiten." Ein exklusives Abendessen in Mar-a-Lago. Eine stundenlange Besprechung mit einem hochrangigen Vertrauten Trumps, der sich extra die Mühe gemacht hat, ins Flugzeug zu steigen und zu kommen.
Kleine Gesten der Aufmerksamkeit, mit denen Donald Trumps Team republikanische Lokalpolitiker seit Jahren hofiert und die jetzt große Wirkung zeigen: Je mehr die Vorwahlen in den USA Fahrt aufnehmen, desto deutlicher zeigt sich, wie effektiv diese Vorarbeit war, das "Schmoozing", wie amerikanische Medien schreiben, Hinterzimmer-Deals also, mit der Absicht, Donald Trump einen Vorteil bei der parteiinternen Kandidatensuche zu verschaffen.
Steaks und Sundaes
Michael McDonald kommt Anfang März 2023 in den Genuss einer Einladung auf Trumps Anwesen. Der korpulente Ex-Polizist ist ein langjähriger Verbündeter Trumps und als Vorsitzender der Republikanischen Partei in Nevada wichtig für dessen Wahlkampf. Nevada ist einer der ersten Staaten, in denen abgestimmt wird. Ein gutes Ergebnis in Iowa, New Hampshire oder eben Nevada kann eine Dynamik erzeugen, die sich auf alle folgenden Bundesstaaten überträgt. Hilfreich also, auf ihre Unterstützung zählen zu können.
Steak und Eisbecher -"Sundaes" - gibt es an diesem Märzabend in Mar-a-Lago, berichten US-Medien. Trump nimmt sich drei Stunden Zeit für die Delegation aus Nevada. Er stellt Fragen, erzählt von eigenen Vorhaben, kündigt einen persönlichen Besuch im "Silberstaat" an.
Ein halbes Jahr später, im September 2023, gibt McDonald bekannt, dass die Wahl des republikanischen Kandidaten für die Präsidentschaftswahl nicht - wie eigentlich vorgesehen - im Rahmen einer Primary, einer anonymen Vorwahl also, entschieden wird, sondern bei Caucuses, Treffen von Parteimitgliedern, die sich bei persönlichen Treffen ausschnapsen, wen sie unterstützen. Beschlossen wird auch, dass Super PACS, Lobbygruppen, die sich für einen bestimmten Kandidaten einsetzen, vor Ort keine Werbung machen dürfen.
Regeländerungen, die Trump in mehrfacher Hinsicht entgegenkommen: Zu einem Caucus muss man persönlich auftauchen, und man muss dort andere Menschen überzeugen. Wie gemacht für Trumps immer noch enthusiasmierte Anhängerschaft. Durch das Super-PAC-Verbot wird Ron DeSantis, Gouverneur von Florida, Trumps Konkurrent im Rennen um die republikanische Präsidentschaftskandidatur, de facto daran gehindert, in Nevada Wahlwerbung zu machen.
Und es geht nicht nur um Nevada. Auch in Kalifornien, dem Bundesstaat, in dem am "Super Tuesday" die meisten Delegierten zu holen sind, gibt es diesmal neue Regeln. Bisher konnten Kandidaten in einzelnen Bezirken wahlwerben und sich dort einen Teil der Stimmen abholen. Jetzt gilt ein "Winner-takes-it-all-Prinzip": Wer über 50 Prozent erreicht, bekommt alle Delegierten zugesprochen. Eine Lex Trump, die alle anderen Kandidaten chancenlos macht.
DeSantis schäumt, als diese Deals ruchbar werden. Er spricht von Versuchen, die "Vorwahlen zu Gunsten von Trump zu manipulieren." Aber es hilft nichts. Schon im Jänner, noch bevor die Vorwahlen so richtig begonnen haben, muss er seine Kampagne einstellen. Keine Aussichten auf Erfolg, kein Geld. Nicht nur, aber auch wegen Trumps brachialer Beziehungspflege.
"Gestapo-Methoden"
Es ist nicht das erste Mal, dass -legal, aber sehr aggressiv -getrickst wird, um sich bei Vorwahlen einen Vorteil zu verschaffen. Als Trump 2016 zum ersten Mal antrat, um US-Präsident zu werden, hatte sein Konkurrent Ted Cruz die bessere Strategie und die besseren Berater. In Colorado gelang Cruz dank guter Kenntnis der lokalen Gegebenheiten ein Erdrutschsieg. Auch in Louisiana profitierte Cruz von guter Vorbereitung. Während Trumps Team völlig überfordert war, nahmen Cruz' Leute an Treffen teil, "die oft am Samstag stattfinden, wo Menschen normalerweise lieber Golf spielen, Tennis spielen oder fischen gehen", wie ein Partei-Insider damals gegenüber "NPR" sagte, und brachten die Kampagne auf Schiene. Trump drohte damals, die Partei zu klagen, sein Kampagnenmanager sprach von "Gestapo-Methoden".
Acht Jahre später sind die Rollen vertauscht. Diesmal ist es Trumps Wahlkampfteam, das intensiv daran arbeitet, die Vorwahlen durch "Schmoozing" möglichst reibungslos zu organisieren.
Kandidat im Gefängnis
Aus gutem Grund. Die Gerichtstermine, mit denen Trump im ersten Halbjahr 2024 konfrontiert ist, bedeuten Herausforderung genug für seine Kampagne. Das Ziel lautet also, schon möglichst früh - idealerweise bereits im März, bevor die Gerichtsprozesse richtig große Wellen schlagen - jene 1.215 Delegiertenstimmen beisammenzuhaben, die notwendig sind, um beim Parteitag am 15. Juli als Präsidentschaftskandidat der Republikanischen Partei nominiert zu werden. Alles weist darauf hin, dass dieser Plan aufgeht, schneller noch, als erwartet: Nach DeSantis' Ausscheiden macht nur mehr die ehemalige UNO-Botschafterin Nikki Haley Trump Konkurrenz -auf dem Papier. De facto, zeigen Umfragen, ist seine Nominierung schon jetzt so gut wie fix. Der Druck innerhalb der Partei nimmt zu, sich hinter Trump zu vereinigen. Selbst eine Verurteilung vor dem 15. Juli würde daran nichts ändern, sind Beobachter überzeugt.
Denn der Einfluss des Ex-Präsidenten erstreckt sich nicht nur auf republikanische Lokalpolitiker, die sich gerne in Trumps Residenz verwöhnen lassen, sondern auch auf jene Entscheidungsträger in der Bundespartei, die für das Regelwerk zuständig sind. Mit einer Statutenänderung kurz vor dem Parteitag, die verurteilte Kandidaten ausschließt, muss Trump kaum rechnen. Und hat dann freie Bahn ins Weiße Haus, egal, was an der juristischen Front passiert: Bei der amerikanischen Präsidentschaftswahl kann sogar antreten, wer im Gefängnis sitzt.
Die Naivität, mit der Trump und sein Team 2016 in den Wahlkampf gestolpert waren, setzte sich in seiner darauffolgenden ersten Amtszeit fort: legendär die Pleiten-Pech-und-Pannen-Serie, die lange Liste der Ausrutscher und Peinlichkeiten, gleichermaßen tragisch wie komisch. Diesmal, das legt die akribische Planung des anlaufenden Wahlkampfs nahe, sind Donald Trump und seine Leute weitaus besser vorbereitet und entschlossener, ihre Ideen tatsächlich umzusetzen.
Spürbare Nervosität
Allerdings: Auch der Rest der Welt hat dazugelernt. Seitdem klar ist, dass Trump wieder US-Präsident werden könnte, wälzen europäische Politstrategen Krisenszenarien. Was, wenn Trump ernst macht und die USA sich tatsächlich aus der Nato zurückziehen? Wenn Washington die Unterstützung für die Ukraine wirklich einstellt? Die Nervosität ist greifbar, gute Antworten sind rar. Deutschlands grüne Außenministerin Annalena Baerbock reiste letzten Herbst gar in die USA, um sich mit republikanischen Politikern zu treffen. Nach dem Motto: Hilft's nix, schadt's nix. Denn dass tatsächlich tragfähige, berechenbare Beziehungen ins Trump-Lager aufgebaut werden können -auch das eine Lektion der letzten acht Jahre -glaubt wohl niemand.
Die wichtigsten Begriffe der US-Vorwahlen
Primary. In den meisten Bundesstaaten werden die Kandidaten bei Primaries, also geheimen Wahlen, die von der jeweiligen Lokalregierung organisiert werden, gewählt. In manchen Staaten dürfen alle Wähler teilnehmen, egal zu welcher Partei sie gehören, in anderen nur registrierte Parteimitglieder.
Caucus. Caucuses sind Parteiversammlungen, die vor Ort -zum Beispiel in Turnhallen oder Kirchen - stattfinden. Bei den Caucuses in Iowa fanden mehr als 700 solcher Treffen statt. Bei diesen Versammlungen wird geworben, diskutiert und schließlich abgestimmt.
Sonderfall Nevada. Der Bundesstaat hat eine Primary am 6. Februar beschlossen, die von den Republikanern aber nicht akzeptiert wird und deren Ergebnis nicht bindend ist: Nikki Haley ist die einzige republikanische Teilnehmerin an der Primary und kann daher mit einem symbolischen Sieg, aber keinen Delegiertenstimmen rechnen. Denn die werden zwei Tage später, am 8. Februar, bei Caucuses vergeben, an denen Donald Trump teilnimmt.
Dieser Beitrag erschien ursprünglich in der News-Printausgabe Nr. 4/2024.