von
Kossdorff, "zwischen den Büchern Journalist und Werbetexter", hat seit seinem Debüt 2009 ("Sunnyboys") mehrere Bücher veröffentlicht. "Der glückliche See" legt er als unterhaltsamen Familienroman an, der alle Zutaten zu einer mehrteiligen Vorabendserie hat. Während "Schlosshotel Orth" im Seeschloss Ort in Gmunden gedreht wurde, müsste man, um den Schauplätzen des Romans zu entsprechen, dafür nicht nur in Gmunden und Bad Ischl (wo etwa die Konditorei Zauner zu Ehren kommt) drehen, sondern vor allem am Gmunden gegenüber liegenden Ufer am Fuße des Traunsteins die Haupt-Location finden: ein kleines Haus in Traumlage, renovierungsbedürftig, aber heute praktisch unbezahlbar.
Das Haus hat einmal den Eltern von Monika gehört, deren Vater ein stadtbekannter Gymnasialprofessor war, und wird mittlerweile nur noch von Max bewohnt. Das Paar ist mittlerweile geschieden, in seinen 70ern und weiter sehr agil. Sie lebt mit einem viel jüngeren Mann in Bad Ischl und bereitet als Fotografin eine Ausstellung mit Fotos eines Adelstreffs in Karlsbad vor, er war beliebter Kellner in vielen Häusern, befindet sich im Unruhestand, ist immer auf der Suche nach neuen Projekten und hat am liebsten den ganzen Nachwuchs um sich.
Der besteht aus vier Geschwistern. Leander, der Älteste, hat eine erfolgreiche Karriere als Sportagent hinter, seine Schwester Jola ihren wichtigsten Auftrag als Bildhauerin vor sich: Sie gestaltet ein Holocaust-Mahnmal am Traunsee-Ufer. Bruder Valentin ist nach Gmunden zurückgekehrt und versucht sich dort als Puppenbühnenbetreiber, die jüngste Schwester, Aino, lebt in den USA und hat dort Alexander, den Sprössling einer sehr reichen Salzburger Familie kennengelernt. Bei einem Familientreffen soll er Ainos Eltern und Geschwister kennenlernen. Die überraschende Landung des Paares mit dem Wasserflugzeug ist eine der filmreifsten Szenen des Buches.
Abheben tut die Handlung allerdings erst spät. Bis man alle Personen kennengelernt hat, dauert es. Kossdorff nimmt sich viel Zeit, seine Protagonisten vorzustellen. Es entstehen dabei durchaus differenzierte Porträts. Wirkliche Nähe stellt sich jedoch kaum ein. Als Leser bleibt man interessierter, aber letztlich doch vor dem Gartenzaun mit Feldstecher abgestellter Beobachter, der gerne mehr mitbekommen würde - ähnlich wie Leander vor dem Anwesen seines Schwagers in spe bei einer entscheidenden Aussprache mit seiner Schwester, zu der er Aino chauffiert hat.
Private Aufregungen gibt es in dem knapp nach Überwindung der Corona-Krise angesiedelten Roman einige, wirtschaftliche und kulturelle Ups und Downs ebenfalls, und auch so manche Cliff-Hanger locken zum kapitelweisen Weiterlesen. Mitunter hat man aber den Eindruck, dass den Turbulenzen wenig Konsequenzen folgen. Überall dort, wo ein Serien-Schreiber-Team nach Zuspitzungen und Eskalationen gesucht hätte, versucht Kossdorff zu kalmieren und abzufedern. Gut für die Nerven, schlecht für die Dramatik. Doch trotz mancher Einwände muss man zugeben, dass man sich mit "Der glückliche See" gut unterhält. Es dürfte heuer wohl keine geeignetere Ferienlektüre für einen Salzkammergut-Aufenthalt geben als dieses Buch.
(Von Wolfgang Huber-Lang/APA)
(S E R V I C E - Jan Kossdorff: "Der glückliche See", Milena Verlag, 332 Seiten, 25 Euro)
GMUNDEN - ÖSTERREICH: FOTO: APA/Milena Verlag