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Warum ist sie jetzt so egoistisch?

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Liebes Leben - Warum ist sie jetzt so egoistisch?
©Bild: Nathan Murrell
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Lorenz wendet sich mit der Frage an mich, warum seine Frau seit einer Psychotherapie anders und "wesensverändert" ist. Wurde sie zur Egoistin gemacht?

Immer wieder erreichen mich verstörte, vorwurfsvolle, aber durchaus besorgte Zuschriften. Dass Menschen nach einer Psychotherapie wie "ausgewechselt, ichbezogen, ja egoistisch" seien. So auch von Lorenz, der nach langem Zögern an mich eine E-Mail sendet. Barbara war der liebste Mensch gewesen und sehr sozial; man hatte immer alles von ihr haben können. Bis, ja bis die Mehrfachbelastung aus Barbaras Berufsleben, ihrem Supermama-Sein und ihrem Zusatzjob als Freizeitmanagerin ihrer Familie sowie im Charity-Verein sie vollkommen unerwartet ins Out geschleudert hatte. Diagnose: "Erschöpfungsdepression." Fazit: "Nichts geht mehr." Und vorübergehend ging dann wirklich gar nichts mehr, nachdem die Powerfrau, als sie wie jeden Morgen in einen durchgetakteten Tag starten wollte, über dem Lenkrad ihres Wagens buchstäblich in sich zusammenbrach.

Und Barbara? Musste erst nach ihrem Burnout, wie eine Erschöpfungsdepression auch genannt wird, mühsam einsehen und lernen, dass jeder, ja wirklich jeder Mensch Grenzen der Belastbarkeit hat. Und um Jahre trauern, in welchen sie nur "für alle anderen" funktioniert, aber nicht mehr "gelebt" hatte. Und jetzt das Einmaleins der Selbstfürsorge, das ich in meinen Praxen und in der Privatklinik St. Radegund an die Patientinnen und Patienten weitergebe. In der psychiatrischen Rehabilitationsklinik geht es vor allem um die Wiedererlangung der Fähigkeit - jetzt kommt’s -, sich selbst zu erlauben, gesunde Grenzen zu haben.

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 © iStockphoto.com

Mein Appell: Signalisieren Sie bitte, bevor es Ihnen wie Barbara ergeht, dass genug genug ist! Setzen Sie einen Punkt statt eines Kommas und gönnen Sie sich Pausen. Oft sagen Menschen zwar versuchsweise ja zum Neinsagen. Sie sagen: "Ich versuche es." Aber sind dann geplagt von einem schlechten Gewissen und werfen sich vor, egoistisch zu sein. In unserer Gesellschaft hat sich etabliert, überangepasst zu sein und zu verlernen, ja tatsächlich zu verlernen, wie es einem wirklich geht.

In ihrer ersten Therapiesitzung in der psychiatrischen Rehaklinik brach Barbara in Tränen aus, als sie gefragt wurde, wie es ihr denn gehe. Stellen Sie sich doch auch einmal, aber bitte ernsthaft, diese lang unterdrückte Frage: "Wie geht es mir?" Mal ehrlich, wie fühlt sich diese Frage an? Und, nein, Barbara war weder gehirngewaschen noch zur Egoistin umerzogen worden, als sie in Achtsamkeitstherapien und psychotherapeutischen Gruppen- und Einzelgesprächen in der Reha darauf eingestimmt wurde, endlich wieder sie selbst zu sein.

Die Mehrzahl der Patientinnen und Patienten der Privatklinik St. Radegund bekennt, "sich nicht mehr richtig zu spüren". Zwar genau zu erkennen, was alle anderen gerade brauchen, aber eben den Draht zu sich selbst verloren zu haben. Nachdem sie nicht einem klischeehaften "Mutter-Teresa-Syndrom" für grenzenlose Selbstaufopferung zufolge mit einem Handtuch gekrönt wurde und auch sonst wenig Dank seitens ihrer Umgebung kam, hatte Barbara nun endlich das Ruder herumgerissen, hin zu einem positiven Egoismus, einem gesunden - ja, den gibt es auch: Narzissmus. Ihre Frau ist nicht egoistisch, sondern zieht gesunde Grenzen, erkläre ich Lorenz. Und dass er Barbara darin tunlichst unterstützen und fördern soll, zuallererst sich zu spüren und zu erkennen, was sie selbst gerade braucht. Nur dann kann sie weiterhin für ihre Lieben da sein, wenn sie zu sich kommen, innehalten und ihre Grenzen ziehen darf.

Beginnen Sie jetzt, wieder zu spüren, wo Ihre gesunde Grenze ist. Und nehmen Sie den Egoismus-Vorwurf in Kauf. Sich selbst und Ihren Lieben zuliebe.

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