News Logo
ABO

Syrische Rebellen kontrollieren symbolträchtige Stadt Daraa

Subressort
Aktualisiert
Lesezeit
7 min
Der syrische Bürgerkrieg ist wieder aufgeflammt
©APA/APA/AFP/BAKR ALKASEM
  1. home
  2. Aktuell
  3. News
Nach der Einnahme der Großstädte Aleppo und Hama durch islamistische Regimegegner hat in Syrien Machthaber Bashar al-Assad laut Aktivisten auch die Kontrolle über die symbolträchtige Stadt Daraa im Süden des Landes sowie den größten Teil der gleichnamigen Provinz verloren. "Lokale Gruppierungen haben die Kontrolle über weitere Gebiete in der Provinz Daraa übernommen, einschließlich Daraa-Stadt ", so die Syrische Beobachtungsstelle für Menschenrechte am späten Freitagabend.

von

Die lokalen Gruppierungen würden nun "mehr als 90 Prozent der Provinz kontrollieren, da sich die Regimekräfte sukzessive zurückgezogen" hätten, teilte die Beobachtungsstelle weiter mit. Die syrische Armee gab am Samstag eine "Neuaufstellung" ihrer Kräfte in zwei Regionen im Süden des Landes bekannt. In den Provinzen Daraa und Suweida errichteten die Truppen derzeit einen "Sperrbezirk", nachdem "terroristische Elemente entlegene Kontrollpunkte der Armee angegriffen" hätten, erklärte der Generalstab laut syrischen Staatsmedien.

Laut der Beobachtungsstelle verlor die Armee "mehr als 90 Prozent" der gesamten Provinz Daraa; die Regierungstruppen hätten sich "sukzessive zurückgezogen". Daraa galt zu Beginn des syrischen Bürgerkriegs als Oppositionshochburg. In der gleichnamigen Provinz hatte im Jahr 2011 der Aufstand gegen Präsident Assad begonnen, den dieser blutig niederschlagen ließ - was letztlich in den syrischen Bürgerkrieg mündete. Die Region war seit 2018 aber wieder unter der Kontrolle der Regierung.

Über die benachbarte Provinz Suweida hatten die Beobachtungsstelle und Lokalmedien berichtet, örtliche Kämpfer hätten "mehrere Kontrollpunkte" eingenommen. Der Provinzgouverneur, die örtlichen Leiter von Polizei und Gefängnisverwaltung sowie der Chef von Assads Baath-Partei in Suweida hätten die Provinz bereits verlassen. Suweida ist ein Kerngebiet der drusischen Minderheit in Syrien, seit über einem Jahr finden dort Proteste gegen die Assad-Regierung statt. Zuletzt hatten zehntausende männliche Drusen den verpflichtenden Wehrdienst verweigert, ein Großteil der syrischen Drusen hatte jedoch nicht an Aufständen gegen die Assad-Regierung teilgenommen.

Die in Großbritannien ansässige Syrische Beobachtungsstelle für Menschenrechte bezieht ihre Informationen aus einem Netzwerk verschiedener Quellen in Syrien. Viele Angaben der Beobachtungsstelle lassen sich nicht unabhängig überprüfen.

In den vergangenen Tagen hatten die islamistischen Kämpfer der Miliz Hayat Tahrir al-Sham (HTS) und ihre Verbündeten bereits die Großstädte Aleppo und Hama im Nordwesten Syriens eingenommen. Nach Angaben der Beobachtungsstelle waren sie am Freitag nur noch fünf Kilometer von der Stadt Homs entfernt, der nach der Hauptstadt Damaskus und Aleppo drittgrößten Stadt des Landes. Auf dem Weg Richtung Homs seien die HTS und ihre Verbündeten in die Städte Rastan und Talbisa eingedrungen, erklärte die Beobachtungsstelle. Es sei eine "völlige Abwesenheit" von Truppen der Assad-Regierung in diesen beiden Städten festzustellen gewesen.

Nach Angaben der Beobachtungsstelle haben sich die Regierungstruppen auch aus Homs bereits zurückgezogen. Das syrische Verteidigungsministeriums hat dies jedoch dementiert. Die Armee erklärte, sie habe Verstärkung nach Homs geschickt. Sollten die syrischen Islamisten auch Homs einnehmen, würde dies die Verbindung zwischen Damaskus und der Mittelmeerküste abschneiden. Nach Angaben der Beobachtungsstelle sind schon zehntausende Menschen aus Homs geflohen, hauptsächlich Angehörige der Minderheit der Alawiten, der auch Assad angehört.

Am Freitag zog sich die Armee laut Beobachtungsstelle auch aus der gesamten Provinz Deir al-Zor im Osten Syriens zurück. Die Regierungstruppen und ihre vom Iran unterstützten Verbündeten hätten sich "vollständig aus den von ihnen kontrollierten Gebieten in der Provinz Deir al-Zor zurückgezogen", erklärte der Leiter der Beobachtungsstelle, Rami Abdel Rahman. In diese Gebiete rücken nun Kämpfer des von Kurdenmilizen angeführten Militärbündnisses Demokratische Kräfte Syriens (SDF) vor. Das Militärbündnis, das bereits einen Großteil Nordostsyriens kontrolliert, bekundete angesichts des Vorrückens der Islamisten zugleich seine Bereitschaft zu Gesprächen.

Der Anführer der islamistischen HTS, Abu Mohammed al-Golani, bekräftigte in einem Interview mit dem US-Sender CNN das Ziel seiner Gruppierung, Assad zu stürzen. Es sei das Recht seiner Kämpfer, "alle verfügbaren Mittel einzusetzen, um dieses Ziel zu erreichen", sagte Golani.

Im Süden Syriens brachten lokale bewaffnete Gruppen nach Angaben der Beobachtungsstelle unterdessen den Grenzübergang Nassib an der Grenze zu Jordanien unter ihre Kontrolle. Jordanien hat den Grenzübergang nach eigenen Angaben geschlossen.

Angesichts des Vormarsches der Islamisten wollten sich am Samstag die Außenminister der Türkei, des Iran und Russlands in Katar treffen. Der Iran und Russland sind wichtige Verbündete Assads. Die Türkei teilt eine lange Landgrenze mit Syrien und hat fast drei Millionen syrische Flüchtlinge aufgenommen. Ankara unterstützt seit Jahren Aufständische im Norden Syriens, hatte sich zuletzt jedoch um eine Annäherung an Damaskus bemüht.

Die Außenminister des Iran, des Irak und Syriens trafen sich am Freitag. Der syrische Außenminister Bassam al-Sabbagh warf den Feinden seiner Regierung vor, "die politische Landkarte neu zeichnen" zu wollen. Zwar sicherte der iranische Außenminister Abbas Araqchi zu, die verbündete Assad-Regierung mit "jeglicher Unterstützung" zu versorgen. Die "New York Times" berichtete jedoch am Freitag unter Berufung unter anderem auf iranische Beamte, dass Teheran begonnen habe, seine militärischen Befehlshaber und Personal aus Syrien abzuziehen.

Indes rief US-Außenminister Antony Blinken bei einem Telefonat mit seinem türkischen Amtskollegen Hakan Fidan zum Schutz von Zivilisten und Minderheiten in Syrien auf. Blinken habe zu einer "politischen Lösung" des Konflikts aufgerufen, sagte sein Sprecher. Das US-Außenministerium rief US-Bürger am Freitag dazu auf, "Syrien jetzt zu verlassen, solange es noch kommerzielle Möglichkeiten gibt".

Über die Autoren

Logo
Monatsabo ab 20,63€
Ähnliche Artikel
2048ALMAITVEUNZZNSWI314112341311241241412414124141241TIER