Joe Kreissl gilt hierzulande wohl als bekanntester Staatsverweigerer. Er ist davon überzeugt, dass Österreich eine Firma sei. Und mit dieser hätte er keinen Vertrag. Deshalb trat er aus dem Staat aus und gründete seinen eigenen: Erlösterreich. Eine Anspielung auf ein "erlöstes" Österreich. Seinen Austritt gab er per eingeschriebenem Brief an das Bundeskanzleramt bekannt: "Die Person Johannes Ewald Kreissl existiert nur als Urkunde. Sie existiert innerhalb Ihres Systems ausschließlich dann, wenn ich, als lebendiges natürliches Wesen, sie mit meinem natürlichen Leben ausstatte. Ich habe das bisher nicht gewusst und nehme hiermit von diesem eindeutig einseitigen und somit ohnedies ungültigen Vertrag Abstand." Dafür fordert er von der Republik 225 Millionen Euro Schadenersatz.
Seinen Meldezettel tauschte er nach seinem Austritt gegen einen "Welt-Pass". Wobei die Welt sowieso vom Zionismus hinters Licht geführt würde. Daran wäre Obama genauso beteiligt wie die Rothschilds und die UNO. Letztere sollte man sowieso abdrehen, denn dann wäre auch das Flüchtlingsproblem gelöst. Aber alles wird gut, denn immerhin würde jetzt das Wassermann-Zeitalter beginnen, sich dadurch unser drittes Auge öffnen und wir ins Paradies kommen. Diese Kernaussagen des Kopfes der "Freemen-Bewegung" zeigen: Das Weltbild der Staatsverweigerer ist diffus.
Verschwörungstheorien als Weltbild
Es ist ein Kuriositätenkabinett unterschiedlichster Strömungen und Denkweisen, die von Öko-Esoterik und Hippie-Ideologie bis zu fanatischem Extremismus und anarchistischer Utopie reichen - basierend auf Halbwahrheiten, rassistisch gefärbten Verschwörungstheorien und einer grundlegenden Skepsis öffentlichen Institution und Staaten gegenüber.
Der Staat als Firma
Staatsverweigerer haben alle eine unterschiedliche Erklärung, warum der Staat, in dem sie leben, nicht rechtmäßig ist. "Souveräne" verstehen sich beispielsweise als "moralische Person", die ihre juristische Persönlichkeit abgelegt haben und aus ihrer Sicht deshalb nicht mehr dem Einflussbereich der Republik Österreich unterliegen. In ihrem eigenen Staat erschaffen sie sich ihre eigene Gerichtsbarkeit. Die One People's Public Trust (OPPT) und "Freemen-Bewegung" hingegen sieht im Staat eine Firma und in den Staatsbürgern reines Personal der Firma.
Österreich hat tatsächlich eine UID-Nummer. Diese dient allerdings nur zur Umsatzsteuer-Identifikation. Denn um beispielsweise Straßen oder Schulen zu bauen, schließt der Staat mit Privatunternehmen Verträge ab. Für die bezahlten Dienstleistungen führt er Umsatzsteuer ab.
Vielseitigkeit als Erfolgsmodell
Genau auf dieser Vielseitigkeit basiert der Erfolg der Bewegung. "Sie tritt sowohl gegen das Geldsystem als auch gegen Banken und Migranten auf – ein wilder Mix, der linke und rechte Systemkritik vereint und viele Anknüpfungspunkte bietet", schreiben Jakob Winter und Ingrid Brodnig in ihrer Analyse "Was die Staatsleugner in Österreich gefährlich macht".
Gerade Selbstständigen, die mit ihren Betrieben am Kämpfen oder bereits in Konkurs sind, Arbeitslosen oder Verschuldeten mache man mit staatsleugnenden Gruppen ein verlockendes Angebot: Ein Leben frei von Schulden und Steuerzwang. So müssen sie sich ihr eigenes Scheitern nicht eingestehen und können Gewerbeordnung, Banken und Finanzamt die Schuld geben. Darüber hinaus wird ihnen eingetrichtert, sie würden mit ihrem Handeln eine bessere Gesellschaft erschaffen.
Nicht zu unterschätzendes staatsfeindliches Potential
Es mutet fast religiös an: Komm zu uns und wir versprechen dir Erlösung. Aus diesem Grund wurden die Staatsverweigerer zuerst auch als Sekte eingestuft. Mittlerweile spricht man im Bundesamt für Verfassungsschutz von einer "zunehmenden Bedrohung" und einem "nicht zu unterschätzenden staatsfeindlichen Potential".
In den USA gelten diese Bewegungen bereits als größte terroristische Bedrohung im Land. Staatsverweigerer haben Parallelstrukturen wie Polizei und eigene Gerichte etabliert. Sowohl in den USA wie auch in Deutschland ist es bereits zu Angriffen und Morden gekommen.
Strengere Strafen
Aber auch in Österreich wurden bei Hausdurchsuchungen bereits Waffen gefunden. Strafrechtlich ist man hierzulande den Bewegungen in der Vergangenheit schwer beigekommen. Infolgedessen veranlasste Innenminister Sobotka eine Novelle im Strafgesetz. Diese betrifft mehr als tausend aktive Anhänger in Österreich. Der neue Paragraph (§ 246a StGB) bestraft die Gründung oder Beteiligung einer staatsfeindlichen Bewegung, die den Zweck hat, die Vollziehung von Gesetzen zu verhindern. Das betrifft einerseits die Durchsetzung geltender Rechtsvorschriften aber auch den Schutz der Bediensteten.
Weitere Informationen: "Am Schauplatz"-Reportage über die österreichische Bewegung der Staatsverweigerer.