Diesmal habe ich zwei Themen in einer Kolumne zu bieten. Der Sender ORF 3 wird von entgleisenden Intrigen heimgesucht. Und der Regisseur Nicolas Stemann, der das Zürcher Schauspielhaus niedergespielt hat, darf am kultischen Ort Bochum antreten
Jetzt können Sie einwenden, dass mir bei ORF 3 ein paar nicht ganz unbeachtete Aufgaben zugefallen sind und dass ich mich in der Sache daher besser neutral verhielte. Aber gerade weil ich mich dort peripher auskenne, würde ich Ihnen gern ein paar Formlosigkeiten zu den von anonymer Seite verbreiteten Angriffen auf den Senderchef Peter Schöber zukommen lassen.
Er habe in einer Sitzung angeregt, der früheren Direktorin des Jüdischen Museums, Danielle Spera, „den Judenstern vom Kladl“ zu reißen, las ich. Dieser durch die Medien gereichte Satz ist von solcher Trostlosigkeit, dass mir kein argumentierbarer Zusammenhang einfiele, aus dem er gerissen worden sein könnte.
Vor allem aber halte ich für ausgeschlossen, dass Schöber ihn gebraucht hat. Ich berufe mich da auf Danielle Spera selbst, ein namhaftes Mitglied der jüdischen Gemeinde. Sie nannte den Vorwurf „absurd“ und hatte dafür auch Belege: nämlich lange Freundschaft und gemeinsame Projekte, alle der Aufklärung über das jüdische Österreich verschrieben. Einen Tag später folgte dann ein Offener Brief, unterzeichnet u. a. vom Zeithistoriker Oliver Rathkolb, der Schriftstellerin Julya Rabinowich und dem Arzt Siegfried Meryn, der es als Kind einer mittellosen jüdischen Familie in die medizinische und humanistische Champions League brachte. Der Vorsitzende des Mauthausen-Komitees hängte einen eigenen Brief an, und alle bestätigten, was auch durch einfache Internet-Recherche belegbar gewesen wäre: Kein anderer Sender hat sich mit ähnlicher Vehemenz zeitgeschichtlichen Themen verschrieben, die Shoah dokumentiert, mahnende und aufklärende Veranstaltungen übertragen.
Was man daraus lernen kann
Nun meine ich, den einen oder anderen Urheber der Angriffe zu kennen, und glauben Sie mir: Hätte man mir von dort etwas anzuvertrauen, käme ich nicht einmal in die Verlegenheit, kein Wort zu glauben, weil ich schon vor Jahren die Telefonnummer unterdrückt habe (ich könnte Ihnen da Schnurren erzählen, tu ich allerdings nicht).
Aber lernen lässt sich aus der Sache doch etwas: Wenn man eine Intrige vorbereitet, muss man darauf achten, nicht die Kontrolle über das Instrumentarium zu verlieren. Wenn man zum Beispiel mir vorwirft, ich hätte in einem Park beim Reumannplatz den türkischen Vizemeister im Kickboxen lebensgefährlich zusammengeschlagen, so wird man der Intrige evtl. nichts Gutes erweisen.
Da versorgt man sich in seinem Hinterhalt noch besser mit wokem Schwachsinn, so wie gegen den „Josefstadt“-Direktor Föttinger, der beim Regieführen gebrüllt haben soll.
Das Prinzip, dass einige wenige frustrierte, abgestürzte oder eigeninteressierte Mitarbeiter aus der Anonymität zuschlagen, hat sich mittlerweile etabliert. Auch warten in diesen Zeiten ein paar politische Finsterlinge auf ihre Stunde. Aber dass man aufgrund anonymer Aktivitäten monatelange interne Untersuchungen plus Medienbegleitung ertragen muss, ist ein Spezifikum ebendieser Zeiten, das behoben gehört.
Rettet Bochum!
Eine zweite Meldung der Woche lässt mir das pandemieprophylaktisch Dreifachgeimpfte aufgehen: Der Regisseur Nicolas Stemann, so lese ich, wurde als Intendant des Bochumer Schauspiels designiert. In Bochum haben vor einem Jahrtausend Peter Zadek und Claus Peymann das Gesicht der Theaterwelt verändert. Viel später hat sich dort Matthias Hartmann für seine erfolgreiche Burgtheaterdirektion qualifiziert. Hätte er nicht im Gefolge eines Finanzskandals, von dem er heute vollumfänglich rehabilitiert ist, demissionieren müssen, wären uns u. a. fünf Jahre Kärntner Besatzung erspart geblieben.
Hartmann hat immer darauf geachtet, den letzten Stand des Metiers (u. a. die europaweit beachtete Uraufführung von Botho Strauss’ „Pancomedia“) mit den Wünschen des Publikums abzugleichen, die von ihm geleiteten Häuser waren stets erstklassig besucht. Stemann hingegen wurde gerade vom Zürcher Schauspielhaus verabschiedet, weil er die Auslastung auf exklusive 45 Prozent verfeinert hatte.
Um nun keine Missverständnisse aufkommen zu lassen: Stemann hat sich auch Verdienste erworben, nebst anderem mit der nicht einfachen Umsetzung Jelinek’scher Theaterkonstruktionen.
Kein Verlass auf die Blase?
Aber als Qualifikation für die Führung eines großen Hauses reicht das nicht. Da muss man zuerst das klassische Repertoire auf die Hörner nehmen. Und was ich im vergangenen Salzburger Festspielsommer von Stemanns Zubereitung der antiken Orestie verkosten durfte, ließ mich davon träumen, einer aus den 55 Prozent flüchtiger Zürcher zu sein.
Die postdramatische Mischmaschine würgte da in Vielstundenlänge das wiederundwiedergekäute Grauen aus: zwangsentspanntes Dramaturgengequatsche, eine unterirdische Talkshow-Parodie, kesse Herrenwindeltangas und beschämende Publikumsan-
strudelungen des Regisseurs, die dem Malheur aber keine Sympathiewerte sicherten. Im Gegenteil grollten sogar aus der Feuilletonblase gedämpfte Drohungen. Dass sich das nahe Ende des vorsintflutlichen Unfugs bis dorthin durchgesprochen haben sollte, hat mich mit Staunen und Zuversicht erfüllt. Aber man darf eben die waltenden Überlebenskräfte nicht unterschätzen: Hat
z. B. Kay Voges das Volkstheater leergespielt, wartet auch schon Köln auf Abwicklung. Wir hier sind aufgerufen, den Wiederholungsfall zu unterbinden.