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Spitzentöne: Ressort-Autist Heinz Sichrovsky wagt sich in die Innenpolitik

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6 min

©Bild: Ian Ehm
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Auch ein Ressort-Autist ist im Nebenberuf Staatsbürger, und derzeit ein besorgter. Der Blick auf die neue Regierung fällt zwiespältig aus: Die Bildung scheint auf gutem Weg, die Außenpolitik nicht. Und der Kunstvizekanzler? Bleibt unergründlich bis beängstigend.

Würden Sie den Ressortgebrauchshund (um nicht zu sagen: -gebrauchthund) noch einmal von der Leine lassen, in die geräumige Auslaufzone „Bundesregierung neu“? Dann beginne ich, meinem sonnigen Wesen folgend, mit dem Guten: Der neue Bildungsminister Wiederkehr überrascht mich positiver, als mich die Verhältnisse in Wien befürchten ließen. Das Handy-Verbot bis zur Mittelstufe zum Beispiel: Es war schon Zeit, dass sich aufgeweckte Zehn- bis 14-Jährige in Geo und Physik unter der Bank wieder mit Donald Duck statt mit TikTok beschäftigen. Sollte der eine oder die andere gar zu Karl May, „Harry Potter“ oder „Momo“ vordringen, so stünden die Chancen dafür in den frühen Jahren gar nicht übel. Wenn sie seitens der Schule nicht systematisch sabotiert würden.

Denn, und hier platziere ich eine inständige Bitte an den Minister: Die debile, Fantasie und Wortmacht erstickende Zentralmatura werden wir in meiner Lebenszeit zwar nicht mehr los. Aber der Zertrampelung des Literaturunterrichts zugunsten der unterirdischen „Textsorten“ ist sofort Einhalt zu gebieten. Wer Kleist, Brecht und Handke zum Besten von Leserbriefen und „Meinungsreden“ verräumt, hat nichts Gutes im Sinn.

Auch ultimative Integration ist zu begrüßen, und hier wiederum die scharfe Maßregelung säumiger Eltern, die mittlerweile das Hauptproblem sind. Wobei ein randalierender Ausgleichszulagenempfänger im Flächenbezirk kein bisschen sanktionierungsbedürftiger ist als ein pöbelnder Neureicher im Innenstadtgymnasium. Der verhängnisvolle Mangel an Pädagogen hat mit diesen emotionalen, sozialen und faktischen Analphabeten zu tun, die ihre elterlichen Verpflichtungen ans Schultor hängen und im absehbaren Misslingensfall akademisch graduierte Fachleute terrorisieren.

Sorge um die Außenpolitik

Kann ich Wiederkehr Gutes abgewinnen, so folge ich dem Wirken der Außenministerin Meinl-Reisinger mit Sorge. Das Ressort in dieser Zeit einer Anfängerin zu überlassen, noch dazu einer, die uns zu Jahresbeginn ums Götzzitat dem Volkskanzler ausgeliefert hätte: Schon das ist nicht zu kommunizieren. Nun repräsentiert die Amtsinhaberin aber auch noch die einzige Partei, die offen gegen die Neutralität agitiert und unkeusche Offerte Richtung NATO morst. Offenbar wollen sich die beiden einst staatstragenden Parteien der brandgefährlichen Materie entledigen, ohne die eigenen Wähler zu vertreiben. Das nenne ich feig und verantwortungslos.

Schon hat die Außenministerin in ersten Interviews ex cathedra die Neutralität neu gedeutet: In außereuropäische Angelegenheiten müssten wir uns ohnehin nicht einmischen, in europäische aber schon. Liegen also Ruanda und Myanmar noch VdB-knapp außerhalb des Operationsgebiets unserer Kriegsmarine – auch Kim Jong-un kann fürs Erste aufatmen –, so geht es womöglich bald wieder mit klingendem Spiel ins Baltikum.

Der Unfug hat schon anno Corona begonnen, als sich plötzlich zwei gescheckte Kasper ins Virologische Quartett gedrängt haben. Jetzt taucht täglich ein neuer, als Radetzky bzw. Hötzendorf verkleideter Hauptfeldwebel auf, um uns die Notwendigkeit grenzenlosen Aufrüstens zu kommunizieren (nicht zu glauben, wie viele Militärakademien es bei uns gibt, fast möchte man mit soo einem kleinen Musk kokettieren). Kürzlich hat einer den Russeneinmarsch mit 2026 terminisiert, jetzt lässt uns der nächste wissen, dass wir uns schon im Krieg befinden. Da vertraue ich lieber hoffnungsvoll dem Befund des bedeutenden Schriftstellers Ilija Trojanow in der aktuellen News-Ausgabe: „Es gibt keinen überzeugenden Grund, wieso Russland die NATO angreifen sollte.“

„Kann ich Wiederkehr Gutes abgewinnen, so beobachte ich die Außenpolitik mit Sorge“

Und der Kunstvizekanzler

Sollte schließlich das Paradoxon „vorsichtige Panik“ überhaupt darstellbar sein: Es gäbe präzise meine Befindlichkeit gegenüber dem Kunstvizekanzler Babler wieder, unterhoben allenfalls mit einer rational nicht begründbaren Hoffnung. Erste Fachperspektiven ließ er in einem Standard-Interview aufblitzen: Nach allfälligen Bestandsgarantien für den Kultursender ORF III und den Pop-Kanal FM4 befragt (das RSO fand keine Erwähnung), bekannte er sich mit Verve zu Nummer zwei und unterzog Nummer eins keiner Erörterung.

Amadeus vs. „Amadeus“

Ob er mittlerweile als Spätberufener eines der ihm schutzbefohlenen Institute – Oper? Burg? Josefstadt? – besucht hat, war nicht zu ermitteln. Aber er beruhigte uns im Interview dahingehend, dass er sich anlässlich der Bregenzer Festspieleröffnung ohnehin seine Opern hineingezogen habe. Verbürgt ist, dass er sich inmitten des obwaltenden Multifunktionstsunamis ein Stündchen des Innehaltens gegönnt hat: Bei der „Amadeus“-Verleihung war das, und jetzt weiß man nicht, ob sich der Kunstminister mit dem „Amadeus“ womöglich pauschal auch das Problemfeld Mozart vom Hals geschafft hat. Und wenn ja, alle 626 Nummern des Köchelverzeichnisses oder nur einzelne Werkgruppen? Etwa die einsteigerfreundlichen Kanons „Bona nox! Bist a rechta Ox“ und „Leck mich im Arsch“, Köchel 561 bzw. 231.

Andererseits sind beruhigenderweise die relevanten Positionen im Kultur­universum – Oper, Burg, Josefstadt, Bundesmuseen, Festspiele – bis weit in die Dreißigerjahre besetzt. Und vielleicht – ich ziehe das ohne jede Ironie in Erwägung – überwältigt uns der Kunstvizekanzler ja als Naturtalent oder zumindest als Adressat diskreter Beratung.

Was meinen Sie? Schreiben Sie mir bitte: sichrovsky.heinz@news.at

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