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Spitzentöne: Walter Rosenkranz und die Frage, wo bleibt die Kunst in der künftigen Regierung

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©APA/ROLAND SCHLAGER
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 Wolfgang Sobotka, ein unterschätzter Kulturmensch, hat für das Parlament günstig zwei Skulpturen des Weltkünstlers Erwin Wurm erworben. Nachfolger Walter Rosenkranz will sich „das anschauen“. Schöne Aussichten

Dass es so schnell gehen würde, hatte ich mir nicht gedacht. Hätte ich mir aber denken müssen, und deshalb stelle ich mich hiemit in aller Form zur Rede: dafür, dass ich SPÖ, ÖVP und Neos darin beigepflichtet habe, der Freiheitliche Walter Rosenkranz sei, demokratischen Usancen folgend, zum Nationalratspräsidenten zu bestellen.

Abgesehen von allen rechtsradikalen Habereien und Eskapaden hat mich – den bekennenden Ressort-Autisten – eine scheinbare Lappalie daran erinnert, dass diese Fraktion mit allen demokratischen Mitteln von den Instrumenten der Machtausübung fernzuhalten ist: Rosenkranz will sich, als erste Amtshandlung überhaupt, „das noch anschauen“.

Was? Lassen Sie mich ausholen. Rosenkranz’ Vorgänger Wolfgang Sobotka hat für das wiedereröffnete Parlament zwei Skulpturen des österreichischen Bildhauers Erwin Wurm erworben. Die Entscheidung liegt beim Präsidenten, das Budget ist mehr als vorhanden, denn die für den Kunstankauf reservierten Mittel wurden nur zu einem Bruchteil ausgeschöpft. Und der Preis von 240.000 Euro für die Skulpturen läge auch dann unter deren Marktwert, wenn sie legalerweise ab Haus, also ohne Galeriezuschlag, erworben worden wären.

Wurm, das ist hinzuzufügen, nimmt auf der Weltrangliste bildender Gegenwartskunst des Portals ArtFacts den 16. Platz ein. Die Skulpturen könnten gegenüber Dumpfdenkern also auch als simple Kapitalanlage legitimiert werden. Wenn man schon den Gedanken von sich weist, der Sitz der Volksvertretung einer sich lauthals berühmenden Kulturnation sei entsprechend zu adjustieren.

 

„Wir werden uns noch anschauen, was wir uns alles anschauen müssen, wenn sich Rosenkranz wieder etwas anschaut“

Idiotenreflex gegen Kunst

Mit dieser Schlussfolgerung hat Sobotka schon vor zwei Jahren sein parlamentarisches Ende beschleunigt: Die Anmietung eines Konzertflügels der bedrängten österreichischen Weltmarke Bösendorfer wurde nahezu unwidersprochen als Akt verwerflicher Protzsucht, ja schierer Barbarei erkannt.

Das ist nur scheinbar ein Paradoxon: Sobotka hat damals, so wie jetzt wieder, unwillentlich den Idiotenreflex ausgelöst. Dieser verlässlichste aller Reflexe hat ursächlich mit Neid und Unbildung zu tun. Am zuverlässigsten aktiviert ihn ein hohes Gehalt, wobei die absolute Zahl mit der Leistung des Empfängers in keinem Verhältnis zu stehen braucht. Aber dann kommt auch schon die Kunst.

Und da werden wir uns noch anschauen, was man uns alles anschauen lässt, wenn sich Walter Rosenkranz wieder etwas anschaut. Denn die fraktionseinschlägigen Verhältnisse haben sich seit den kurzen 1.000 Jahren zumindest im Umgang mit der Kunst verändert.

Damals wurden noch gigantische Musiker, große Schauspieler, untermittelgroße Schriftsteller und mikroskopische bildende Künstler auf die „Gottbegnadetenliste“ befördert. Heute hingegen gnade Gott jedem, der Künstler, aber weder Odin Wiesinger noch die John-Otti-Band ist. Weil der Propagandawert der Kunst bei null, ihr Denunziationspotenzial aber bei 100 eingetroffen ist.

 

Kunst unter Druck

Wobei sich die Verhältnisse auch in überschaubareren Zeiträumen verkompliziert haben. In meiner fernen Jugend war klar, zwischen welchen Positionen man sich zu entscheiden hatte. Hier der reaktionäre „Ruaß“ (© Doderer), der anno Haider plakatierte: „Lieben Sie Scholten, Jelinek, Häupl, Peymann, Pasterk … oder Kunst und Kultur?“. Auf der anderen Seite ebendiese Kultur, die sich bei der aufgeklärten Linken, auch in Gestalt der plakatierten großen Kulturpolitiker Rudolf Scholten und Ursula Pasterk, sicher aufgehoben fühlte.

Heute hingegen ist der bösartige Stumpfsinn ideologisch globalisiert: Die Analphabetisierungsoffensive in den Lehrplänen, die der humanistischen Bildung und dem Literaturunterricht den Garaus gemacht hat, verzahnt sich mit den sozialen Medien zur festen Umzäunung gegen das Eindringen der unkontrollierbaren, weil per Grundgesetz freien Kunst in die Dolmengewissheiten.

Ein Beispiel? Unmittelbar unter einem Konvolut anonymer Anschuldigungen, mit denen der „Josefstadt“-Direktor Föttinger destabilisiert werden sollte, fand sich im linksgrünen „Standard“ die triumphierende Vollzugsmeldung: Das Helnwein-Museum in der ungenutzten Aula der Akademie der Wissenschaften sei verhindert, die Wissenschaft habe gesiegt!

Gesiegt hat allerdings bloß eine weitere dubiose Kampagne, zu deren Gelingen sich das Blatt der Beihilfe verhaltensorigineller Helnwein-Stalker versichert hatte. Wenig später wurden aber auch auf Betreiben reaktionärer Kräfte zwei von Helnwein gestiftete Fastentücher aus dem Stephansdom entfernt.

 

Böse Allianzen

Der kunstsinnige Dompfarrer Faber hatte dort übrigens schon im Jahr davor gegen wachslichterverzehrende Ultras ein Kunstwerk von Erwin Wurm affichiert. Muss ich hinzufügen, dass sich im erwähnten Bobo-Zentralorgan nun auch ein verschwörungstheoretisches Konstrukt gegen den Ankauf der Wurm-Skulpturen für das Parlament findet? Hier verschwistert sich mittelalterliches Hinterwäldlertum mit dem von der grünen Ex-Kultursprecherin Eva „die Abrissbirne“ Blimlinger verkörperten Kontroll- und Verhinderungswahn.

Deshalb wünsche ich der SPÖ, der ÖVP und den Neos bestes Gelingen bei der Konstruktion der Bundesregierung, in der ich den beiden anderen Parlamentsparteien um keinen Preis wiederbegegnen will.

 

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