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Spitzentöne: Qualvolle Causa um Linzer Bürgermeister

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Heinz Sichrovsky

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Die qualvolle Causa um den Linzer Bürgermeister spielt auch in Kulturbelange. Grundsätzliches steht da zur Debatte, vor allem die Abschiebung der politischen Verantwortung auf Kommissionen. Und, klar, der Zustand der von Affenpocken befallenen SPÖ

Was die Verwerfungen um den früheren Linzer Bürgermeister Klaus Luger betrifft, so weiß ich mich gleich in zweifacher Hinsicht mitspracheverpflichtet. 1) in meiner Eigenschaft als sprichwörtlich gepeinigter SPÖ-Stammwähler. Dazu komme ich noch. Und 2) hat die Sache ja mit einer Kulturinstitution zu tun, nämlich der Linzer Veranstaltungsgesellschaft LIVA und dem von ihr betriebenen Brucknerhaus.

Es wird Sie vielleicht überraschen, dass ich zu Causa zwei kein Urteil abgebe. Ich kenne und verstehe die Details nicht, wäre aber nicht überrascht, sollte der entlassene Intendant Dietmar Kerschbaum den von ihm angestrengten Schadenersatzprozess gewinnen. In Jahrzehnten der Berufsausübung habe ich nämlich gelernt, von „Whistleblowern“ angestrengten Skandalen zu misstrauen. Das Wort war noch lang nicht erfunden, da legten schon eigeninteressierte Denunzianten mit grauzonenhaften Beschuldigungen gegen erfolgreichere Mitbewerber los. Oft ging es dabei um Verträge, die ein ins Amt gelangter Künstler sich selbst oder Familienmitgliedern ausgestellt hatte. Wogegen allerdings prinzipiell nichts einzuwenden ist, vorausgesetzt, die Resultate entsprechen.

Nur, dass damals die sozialen Medien noch nicht erfunden waren: paradiesische Zeiten, in denen Schlägerbanden noch von der Exekutive aufgelöst wurden, statt sich unter dem Schutz der Meinungsfreiheit als Geschäftsmodell etablieren zu dürfen.

Wer ist Kerschbaum?

Kerschbaum selbst kenne ich nur als Spieltenor, dessen Wirken in meinen inneren Archiven mangels Signifikanz spurlos versunken ist. Das gilt auch für ein von ihm geleitetes Opernfestspielchen im tieferen Burgenland. Ich war, kurz gesagt, erstaunt, als der umtriebige Mann plötzlich dem Brucknerhaus vorstand. Hätte ich doch gewettet, Kerschbaums Bewundererfraktion begrenze sich streng auf ihn selbst, maximal noch den engeren Familienanhang.

Dass zu diesem hermetischen Zirkel auch der Linzer Bürgermeister Zutritt gefunden hatte, erklärt einiges. Andererseits scheint mir ferndiagnostisch am Programm des Brucknerhauses unter Kerschbaums Leitung – und somit auch an der Personalentscheidung – nicht viel auszusetzen.

Womit ich endlich beim Kern des Verhängnisses bin. Dass der Bürgermeister seinem Wunschkandidaten die Fragen der Findungskommission zugemittelt hat: eine Lappalie, die mich als Faktum keine Spur interessiert. Schlimmer ist, dass ein immerhin fachkundiger Bewerber mit Hilfe der Politik ausspionieren muss, was eine Gschaftlhuberkommission von ihm hören will.

Ein fachkundiger Bewerber muss ausspionieren, was eine Gschaftlhuberkommission von ihm hören will?

Weg mit den Kommissionen!

Diese heute gesetzlich vorgeschriebenen Kommissionen scheinen mir insgesamt das Verhängnis zu sein. Es gab Zeiten, da haben kompetente Kulturpolitiker ihre Entscheidungen nach einer gründlichen Informationsrunde selbst getroffen.

Hätte zum Beispiel Helmut Zilk in seinen eineinhalb Jahren als Unterrichtsminister die Entscheidung über die Burgtheaterdirektion einem paritätisch besetzten Gremium überantwortet, statt seiner Beraterin (und späteren Wiener Kulturstadträtin) Ursula Pasterk zu folgen: Nie im Leben hätte Claus Peymann über Wien den Sturm der Erneuerung entfesseln können. Der unterschätzte Wiener Kulturstadtrat Mrkvicka hat dem Fremdling George Tabori das Schauspielhaus anvertraut und damit ein nicht auszulöschendes Kapitel Theatergeschichte in Gang gesetzt. Seine visionäre Nachfolgerin Ursula Pasterk hat sich für Luc Bondy als Festwochenintendanten entschieden. Schüssels Kunst-Staatssekretär Franz Morak hat mit Fortüne Robert Meyer an die Volksoper und Matthias Hartmann (jawohl) an die „Burg“ berufen.

Der zuständige Kulturpolitiker übernahm, mit einem Wort, Verantwortung, in die er spätestens bei der nächsten Wahl genommen werden konnte. Heute muss er sogar eine Ausschreibung in Gang setzen, wenn er einen Vertrag verlängern will. Und als karikaturhaftes Stück Zusatzmalefiz amtieren oft auch noch jene kunstdilettantischen Betriebsberater, in deren Vergleich Klaus Luger ein Kulturweiser aus dem inneren Kreis der Erleuchteten ist.

... und Klaus Luger

Womit ich wieder bei der Schmerzens-Causa eingetroffen bin. Ich halte Luger nämlich für einen aus der Restpopulation der Vernünftigen innerhalb der von den Affenpocken befallenen SPÖ. Einen wie Ludwig und sein Kabinett, Peter Kaiser, Doris Bures. Allein mit dem Satz „Der einzige Fehler an der Impfpflicht war, dass sie nicht rigoros umgesetzt wurde“ hat er sich unter die Aufklärer eingeschrieben, ein Licht unter Dunkelmännern und Krisenprofiteuren.

Dass solch ein Mann wegen einer (ich wiederhole es) Lappalie monatelang in Todesangst immer abstrusere Ausflüchte konstruiert, um der Entlarvung zu entkommen: Das lässt an ihm zweifeln, ist aber auch die Folge des zerstörerischen Grabens innerhalb der SPÖ. Dort galt einmal – man hat das je nach Anlassfall missbilligt oder nicht – das Prinzip: „Wir lassen uns unsere Leute nicht von außen herausschießen.“ Davon ist nicht mehr die Rede. Im Gegenteil hat Babler unter Hintansetzung der innerparteilichen Minimaldiplomatie einen internen Kritiker nicht nur abmontiert, worüber man diskutieren kann, sondern auch gedemütigt. Doris Bures hat geantwortet, und ich kann nicht umhin, ihr zuzustimmen. Stöhnt der täglich gepeinigtere Stammwähler.

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