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"Schuldhafte Unwissenheit": Essayband von Karl-Markus Gauß

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"Der Hass auf die Juden ist von den digitalen Kanzelpredigern, die sich richtige und wichtige Anliegen wie den Antiimperialismus, Antirassismus, Antikolonialismus unter den Nagel gerissen haben, weit hinaus in die Gesellschaft getrieben worden." Diesen Vorwurf formuliert Karl-Markus Gauß in "Schuldhafte Unwissenheit", dem zentralen Text in seinem am Dienstag erscheinenden gleichnamigen Band mit "Essays wider Zeitgeist und Judenhass".

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Gauß beschäftigt sich u.a. mit den propalästinensischen Solidaritätskundgebungen, die unmittelbar nach dem Hamas-Massaker in der Kunstszene und auf Universitäten veranstaltet wurden. "Sie wissen von nichts, das macht sie so unbeirrbar. Sie haben keine Ahnung, daraus beziehen sie ihre Überzeugung. Ihre Unwissenheit darf man ihnen nicht nachsehen, denn sie ist selbstverschuldet. Das sind keine Kinder aus sozial benachteiligten Familien, sie haben keine abgebrochenen Schulkarrieren hinter sich, das sind Studierende, die es auf eine hochrenommierte Akademie geschafft haben, und diese Dummköpfe aus gutem Haus sind auf dem Wege, die deutsche Gesellschaft von morgen zu repräsentieren."

Fassungslos registriert er nicht nur die dabei praktizierte Täter-Opfer-Umkehr ("Zu Tätern wurden die Juden nicht erklärt, als sie massakriert, sondern weil sie massakriert wurden. Denn nichts stärkt den Hass auf Juden so sehr wie ihre Verfolgung."), sondern auch die Zusammensetzung jener Gruppen, die sich daran beteiligten: "Gegen Antisemitismus helfe nur Bildung, heißt es. Aber das ist falsch. Unter den ranghohen Mitgliedern der SS, die den Rassenwahn propagierten und dessen Umsetzung in der Shoa planten, waren zahlreiche Akademiker. Der österreichische Historiker und Kulturphilosoph Friedrich Heer hat einmal das Entsetzen beschrieben, das ihn befiel, als er in der Wiener Gestapo-Zentrale zum Verhör geführt wurde und Gänge entlangschritt, auf deren Türschildern die Namen hoher SS-Funktionäre mit lauter Doktoren- und Professorentiteln versehen waren."

Seinen "ungeordneten Aufzeichnungen 2023/2024", die irritiert auch die bis ins Private reichenden Verwerfungen über diese Frage registrieren ("Es ist Krieg. Ich merke es an dem jähen Streit, in den ich mit manchen Bekannten gerate und in dem wir einander rasch gehässig kommen."), hat der Salzburger Autor, Publizist und Essayist einige bereits in Zeitungen und Zeitschriften veröffentlichte Beiträge hinzugefügt. Sie beschäftigen sich etwa mit Jean Améry und Boris Pahor, Theodor Herzl oder Leopold Weiss und Eugen Hoeflich, "zwei Wiener Gymnasiasten in Palästina". Dazu kommen erstmals veröffentlichte Texte wie seine im Mai 2023 gehaltene Rede zur 78. Befreiungsfeier des KZ Ebensee oder seine Dankesrede zum Jean-Améry-Preis für internationale Essayistik.

Viele Preise hat Gauß in seiner Karriere erhalten - aber einen würde er am liebsten zurückgeben, deutet er an: den Leipziger Buchpreis zur Europäischen Verständigung, den er 2021 erhalten hat. Grund ist ein Vergleich, den die russisch-amerikanische Essayistin Masha Gessen, die den Preis drei Jahre vor ihm erhalten hatte, gezogen hat: Sie verglich die Terrorattacke der Hamas mit dem Aufstand der Juden im Warschauer Ghetto. "Den ruchlosen Vergleich nehme ich Masha Gessen persönlich übel."

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