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Schratzenstaller: "Müssen Budget wieder in Ordnung bringen"

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Während des Wahlkampfs haben die Parteien versucht, mit Steuersenkungsversprechen um Stimmen zu buhlen. Bei einer Staatsschuldenquote von rund 80 Prozent stellt sich die Frage, wie diese finanziert werden sollen. Wirtschaftswissenschaftlerin Margit Schratzenstaller über anstehende Aufgaben der Haushaltspolitik

Im Wahlkampf machte die Politik sehr viele Versprechungen. Dabei ist heuer ein Minus von rund 14 Milliarden Euro in der Nettofinanzierung des Haushalts allein von Jänner bis Juni herausgekommen. Stehen wir nicht eigentlich vor einem großen Sparpaket?

Ganz offensichtlich sind Konsolidierungsmaßnahmen erforderlich. Die dringlichste Herausforderung für die neue Regierung ist, wie sie damit umgeht, dass man im heurigen und im nächsten Jahr die Maastricht-Defizit-Grenze von drei Prozent verfehlen wird. Daher ist eine der ersten Aufgaben nach der Regierungsbildung, sich Maßnahmen zu überlegen, um im kommenden Jahr nicht über die Budgetdefizitgrenze von drei Prozent zu kommen. Genauso wichtig ist es natürlich, sich zu überlegen, wie man mittelfristig die Verschuldung zurückfährt.

Die Wahlkampfversprechen der Politik sind also nicht umsetzbar?

Genau, ohne Gegenfinanzierungsvorschläge sind viele der Vorhaben unrealistisch, und diese fehlen auf breiter Front.

Eine mögliche Gegenfinanzierung wäre eine Vermögenssteuer. Halten Sie diese grundsätzlich für eine sinnvolle Idee?

Grundsätzlich hat Österreich einen sehr geringen Anteil an vermögensbezogenen Steuern. Daher wäre es im Rahmen einer Abgabenstrukturreform schon sinnvoll, die vermögensbezogenen Steuern zu stärken. Zum einen wegen ihrer verteilungspolitischen Auswirkungen, aber auch, weil sie wachstums- und beschäftigungsfreundlicher sind als die hohen Abgaben auf Arbeit. Ich sehe eine Vermögenssteuer aber nicht als erstes Mittel der Wahl. Meiner Meinung nach braucht es eine Reform der Grundsteuer und die Wiedereinführung der Erbschafts- und Schenkungssteuer. Wenn vermögensbezogene Steuern wieder eingeführt oder gestärkt werden, müssen diese zusätzlichen Einnahmen grundsätzlich dafür genutzt werden, andere Abgaben – vor allem die hohen Abgaben auf Arbeit – zu senken.

Im OECD-Länderbericht für Österreich sprach sich die OECD für eine Steuerreform aus. Braucht es eine umfassende Steuerreform von der neuen Regierung?

Eine Steuerreform ist dringend erforderlich. Dabei ist allerdings die Frage, wie man Steuerreform definiert. Was Österreich nicht machen sollte, ist eine Steuererhöhungsreform, abgesehen von kurzfristigen Maßnahmen, die ergänzend zu ausgabenseitigen Konsolidierungsmaßnahmen den Staatshaushalt sanieren helfen. Es braucht aber eine Reform der Abgabenstruktur. Wir haben derzeit kein sehr beschäftigungsfreundliches System, das muss sich ändern. Die Lohnnebenkosten der Unternehmen sind hoch, auch die langfristig zunehmende Arbeitskräfteknappheit. Das passt nicht zusammen. Also brauchen wir eine Entlastung des Faktors Arbeit für die Unternehmen, aber auch für die Arbeitnehmerinnen und Arbeitnehmer. Umgekehrt sind in Österreich die vermögensbezogenen Steuern gering, und die Abgaben auf Umweltverbrauch und Emissionen sind moderat und verlieren langfristig an Bedeutung. Es geht insgesamt ums Umschichten und nicht um die Erhöhung der Gesamtbelastung. Perspektivisch wäre es ein Ziel, die Abgabenquote zu senken, aber die erforderlichen Spielräume sind erst zu schaffen. Angesichts des hohen Zukunftsinvestitionsbedarfs – in Kinderbetreuung, Bildung, Forschung, den digitalen Wandel und Klimainvestitionen sowie wegen der geltenden Fiskalregeln und der demografiebedingten Ausgabenzuwächse – sehe ich mittelfristig keinen Spielraum für Steuersenkungen ohne eine Budgetkonsolidierung.

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 © Ricardo Herrgott/News

Die meisten Parteien lehnen eine Vermögenssteuer prinzipiell ab, kleine Haushalte sollen aber auch nicht stärker belastet werden. Bleibt eigentlich nur noch die Option, neue Staatsschulden aufzunehmen, oder?

Nein, eigentlich ist es keine Option, sich weiter zu verschulden. Einerseits geht das wegen der Fiskalregeln nicht, und andererseits, weil das eine steigende Zinsbelastung bedeutet. Jeden Euro, den ich für Zinsausgaben ausgebe, kann ich für nichts anderes mehr ausgeben. Außerdem verschlechtert das die Ausgangssituation für eine eventuelle nächste Krise.

Die Oppositionsparteien sehen aufgrund der hohen Staatsverschuldung eine schlechte Arbeit der letzten Regierung. Würden Sie das auch an der Schuldenquote festmachen?

Nein, so kann man das nicht sagen. Es hat ja einen Grund, warum die Staatsverschuldung in Österreich so gestiegen ist. Die Krisen, die mit sehr umfangreichen Hilfspaketen beantwortet worden sind, haben darüber hinaus zu automatischen Steuerausfällen und Mehrausgaben geführt. Ein Teil ist allerdings hausgemacht. Die Pakete waren teilweise sehr wenig treffsicher. Das gilt sowohl für die Corona-Maßnahmen als auch für die Maßnahmen in der Teuerungs- und Energiepreiskrise. Darüber hinaus hat man dann auch ad hoc Maßnahmen wie etwa das Wohnbaupaket aufgelegt, die für sich genommen durchaus sinnvoll sind, aber wo halt auch die Gegenfinanzierung gefehlt hat. Während der Krisen der letzten Jahre hat man es versäumt, die großen anstehenden Strukturreformen einzuleiten. Das fällt uns jetzt auf die Füße.

 Aus den letzten Jahren konnte man eins lernen: Die nächste Krise kommt bestimmt. Welche Lehren muss man aus den krisengeplagten Jahren ziehen?

Wir müssen das Budget wieder in Ordnung bringen, um eine stabile Ausgangssituation für die nächste Krise zu haben. Dafür braucht es Maßnahmen, die nicht die Konjunktur belasten, da die Wachstumsprognosen für Österreich in den kommenden Jahren nicht berauschend sind. Zudem muss institutionell gesichert werden, dass Hilfsmaßnahmen sozial zielgenau sind. Das war eine der Lehren nach der Coronakrise, die allerdings nicht umgesetzt worden ist. Das hat dazu geführt, dass die Regierung vor der nächsten Krise stand und dann doch die meisten Unterstützungsmaßnahmen wieder einkommensunabhängig breit gestreut hat. Solche Mechanismen auszuarbeiten, ist eine der Aufgaben, der sich die nächste Regierung unbedingt widmen muss.

Welche budget- und steuerpolitischen Akzente kann die neue Regierung setzen, die kurzfristig wirken?

Für die Konsolidierung des Haushalts ist der kurzfristige Handlungsspielraum relativ beschränkt. Im Bundesbudget sind viele Ausgaben nicht gestaltbar, etwa die Gehälter und Pensionen im öffentlichen Dienst, Zinsausgaben oder der Bundeszuschuss zur Pensionsversicherung. Natürlich gibt es einen gewissen Spielraum wie beispielsweise moderate Gehaltsanpassungen. Man könnte natürlich Investitionsausgaben oder Sozialausgaben zurückfahren, das ist allerdings langfristig problematisch oder aus sozialen Gründen nicht sinnvoll. Einnahmen-seitig sehe ich insbesondere die umweltschädlichen Subventionen als Drehschraube. Das Dieselprivileg, die Pendlerförderung oder das Dienstwagenprivileg sind in der derzeitigen Ausgestaltung ökologisch problematisch und verursachen hohe Steuermindereinnahmen. Allerdings wird man Pendlerpauschale und Dienstwagenprivileg nicht einfach abschaffen können, sondern es braucht auch eine ökologischere Ausgestaltung. Bei einigen Steuern kann man mit einem Pinselstrich – Stichwort Mineralölsteuer, Stichwort Energieabgaben – relativ schnell etwas machen. Da muss man aber aufpassen, dass das nicht zu heftig ist, weil das inflationär wirken kann und Unternehmen und Haushalte auch Zeit für eine Anpassung brauchen.

Und langfristig?

Langfristig müssen die großen Hebel bewegt werden – der Föderalismus, das Fördersystem und das Gesundheits-wesen müssen effizienter ausgestaltet werden, auch das Pensionssystem muss zukunftsfest gemacht werden. Wir müssen auch mehr darüber reden, wie zukünftige Ausgaben vermieden werden können. Ein Beispiel ist die Klimapolitik. Dabei geht es nicht direkt um die politische Zielsetzung, sondern darum, dass Österreich Strafzahlungen berappen und Emissionszertifikate zukaufen muss, wenn wir unsere Klimaziele verfehlen. Auch in der Gesundheitspolitik sollten wir mehr auf Prävention setzen. Dadurch werden auf lange Sicht Ausgaben eingespart.

Wieso passiert das nicht?

Schwer zu beantworten, dafür gibt es wahrscheinlich ziemlich viele Ursachen. Die kurzfristige Orientierung der Politik ist sicher ein Punkt. Man muss -unpopuläre Entscheidungen treffen, die erst später eintretenden Erfolge -erntet man wahrscheinlich nicht selbst.

Dieser Beitrag ist ursprünglich in der News-Printausgabe Nr. 41/2024 erschienen.

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