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Wo Frauen Fußball lieben

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Peter Sichrovsky

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In Südkorea dominieren die weiblichen Fans in den Stadien

Wie Tonnen von Orangen rollte die Masse orange gekleideter Holland-Fans durch die Straßen von Hamburg in Richtung Fußballstadion. Die Bilder der österreichischen, englischen und Fans anderer Länder bieten eine ähnliche Farbenpracht begeisterter Zuschauerinnen und Zuschauer. Während der Spiele wird gesungen, rhythmisch geklatscht und im Chor gebrüllt. Die Europameisterschaft bietet den meist männlichen Zuschauern eine Auszeit, um ihren Alltag zu vergessen. Sie jubeln, weinen, umarmen einander, malen sich die Gesichter an, tragen bunte Hüte, Perücken und zeigen die Kehrseite ihrer Normalität, die dann Montag früh wohlerzogen und adrett gekleidet wieder im Büro erscheint.

Psychologen überbieten einander mit Erklärungen sportbegeisterter Männer. Manche beschreiben es als letzten Rückzugsort einer gemeinsam erlebten Männlichkeit ohne einengende Vorschriften und familiäre Konsequenzen. Der Fußballsport ist einfach zu verstehen und einfach mitzuerleben, die Regeln simpel, ein Ball, zwei Tore, Sieg, Niederlage oder Unentschieden bieten eine perfekte Kulisse für ein Grenzen überschreitendes kollektives Erlebnis.

Publikum

Doch nicht überall auf der Welt. Das Publikum in Südkorea scheint als große Ausnahme psychologische Erklärungsversuche zu relativieren. Vor einem vollen Stadion spielte Südkorea im Entscheidungsspiel um die Teilnahme am World Cup gegen Singapur. 70 Prozent des Publikums waren jedoch Frauen. Die Auszeit als Flucht aus dem Alltag scheint in Südkorea nur wenige Männer zu interessieren. In den Stadien kontrollieren Frauen das Verhalten des Publikums.

Vor dem Stadion in Seoul hängt ein übergroßes Bild des Fußballstars Son Heung-min, finanziert von: „Ladies-only-Football-Fan-Club“. Ein ebenso großes Poster seines Teamkollegen Cho Gue-sung zeigt eine verantwortliche Gruppe: „Verein der Frauen, die Cho Gue-sung viel Glück wünschen“. Auch bei anderen sportlichen Wettkämpfen wie Baseball, Basketball und Volleyball füllen die weiblichen Fans mehrheitlich die Arenen, während in Europa, Australien und in den USA der Anteil der Frauen im Publikum bei etwa 25 Prozent liegt.

Auf der Grundlage von Befragungen erklärt die Mehrheit der Frauen, dass die Sportveranstaltung für sie ein sicheres Vergnügungen sei, im Gegensatz zu Restaurants, Bars und Nachtlokalen. Es sei der einzige Ort, wo man als Frau einfach in Ruhe gelassen werde. Eine andere Erklärung ist die für Korea typische „Fankultur“. Koreaner lieben es, ein Idol zu bewundern, zu verehren, Informationen zu sammeln, sie zu beobachten und den Erfolg mitzuerleben. Es sei weniger die sportliche Leistung, die Technik einzelner Fußballspieler, was die Frauen interessiere. Ähnlich wie in der Musik- und der Filmindustrie begeistern sich Frauen gemeinsam für ihren Lieblingsstar.

Hooligans

Die Sportstadien beginnen, sich auf Frauen im Publikum einzustellen, verändern sich zu Event-Lokalitäten mit Partyräumen für Geburtstage und Jubiläen, verschiedenen Restaurants und Spielbereichen mit Aufsicht für Kinder während die Mütter das Spiel verfolgen. Cho Yijin, Professor für Psychologie an der Yonsei-Universität, beschreibt die Veränderungen von Sportveranstaltungen in Korea: „Im Gegensatz zur Europa und den USA gibt es keine Betrunkenen, niemand flucht und schimpft, keine Hooligans kämpfen gegeneinander oder zerstören willkürlich Einrichtungen, es fehlen provokante Poster. Frauen wollen sich in einer fröhlichen, angenehmen Atmosphäre einfach vergnügen und vergöttern ihre Stars.“

Frauen gründeten Fanclubs für ihre Teams, organisieren Busfahrten für „Ladies-only“, die den Mannschaften folgen, und senden luxuriöse Coffee Trucks, als Cafés eingerichtete Busse, als Unterstützung für ihre Teams. Die Sportler reagieren mit Begeisterung. Der Kontakt zu den weiblichen Fans ist problemloser und einfacher als zu den Männern im Publikum in Europa. Die Spieler lassen sich gerne fotografieren, gehen durch die Reihen der Zuseherinnen, um sie zu begrüßen, und nehmen Einladungen der Fanclubs an.

Frauen-Mannschaft

Für die aktiven Sportlerinnen war die Situation nicht so einfach. Fußball und andere Sportarten galten lange Zeit als „ungeeignet“ für Frauen, die Bildung eigener Mannschaften wurde eher verhindert. 1990, als die Länder Asiens Frauenmannschaften zu den „Asian Games Beijing“ schickten, gab es in Südkorea noch keine offizielle Frauen-Nationalmannschaft. Das olympische Komitee stellte ein Team aus Sportlerinnen anderer Sportarten zusammen, das völlig unvorbereitet bei den Wettkämpfen alle Spiele verlor. Bei den „Asian Games“ 1999 konnte Südkorea bereits mit einer professionellen Frauenmannschaft teilnehmen. Motivierend war sicherlich die Entwicklung in Nordkorea, deren Frauen-Fußballmannschaft heute zu den Top Ten der Welt gehört.

Inzwischen versuchen auch die Fußballclubs, ihre Fangemeinden zu aktivem Sport zu motivieren. Das Team Dajeon Hana Citizen veranstaltete zum ersten Mal einen „Queens Cup“ für Amateurmannschaften ihrer weiblichen Fans.

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