Erinnerung an eine verdrängte und vergessene Hilfsaktion
Im Frühjahr 1945 erreichte Teresa Noce nach der Befreiung des KZs Ravensbrück, eines NS-Todeslagers für Frauen, abgemagert und krank ihre Heimat, Italien. 1900 in Turin geboren arbeitete sie bereits als Zehnjährige im Turiner Fiat-Werk an der Drehbank, schloss sich mit zwölf Jahren der Gewerkschaft an und war 1921 eines der Gründungsmitglieder der Kommunistischen Partei Italiens. Im spanischen Bürgerkrieg kämpfte sie auf Seiten der internationalen Brigade. Mit Beginn des Kriegs übernahm sie unter dem Codenamen „Estella“ eine italienische Partisaneneinheit. 1943 wurde sie verhaftet.
Halb verhungerte Kinder
Zurück in Italien versuchte Noce, in Mailand, Rom und Neapel die KP Italien neu zu organisieren. Selbst gezeichnet von den Jahren im Konzentrationslager erschrak sie über die Armut und das Elend in den italienischen Großstädten, die verschmutzten, halb verhungerten Kinder, bettelnd in den Straßen oder in Abfällen nach Essbarem suchend. Gemeinsam mit Frauen der kommunistischen Bewegung gründete sie die Initiative „Treni della Felicità“ (Die Züge zum Glück). Da es unmöglich war, Lebensmittel zu besorgen, beschlossen die Frauen, die Kinder zu den Lebensmitteln zu bringen. Über das Netzwerk des kommunistischen Widerstands organisierte die Fraueninitiative eine Gruppe von Bauern in der Toskana, die bereit waren, Kinder aus Armutsvierteln für mehrere Monate aufzunehmen.
Das größte Hindernis waren jedoch die Eltern. Noce lud die Mütter zu Informationsabenden in Neapels aufgelassene Kinos und Theater, um sie zu beruhigen. Der 89-jährige Vincenzo Malone erzählte: „Meine Mutter war skeptisch, der Priester unserer Kirche warnte sie, die Kinder würden alle nach Moskau geschickt werden. Doch sie ließ mich fahren. 30 Stunden dauerte die Fahrt. Im Zug haben wir alle geweint, aber auf dem Bauernhof war ich glücklich, konnte zum ersten Mal auf einer Matratze schlafen, nicht auf dem Boden.“
Die Kirche vertuschte die Aktion
Aus Cassino südlich von Rom, von den Alliierten völlig zerbombt, holten die Frauen der KP die Kinder aus Höhlen in den Bergen, wo sich die Familien zurückgezogen hatten, ohne Heizung, Fließwasser und Kochmöglichkeiten. „Ich kann mich nur mehr an die Tränen meiner Mutter am Bahnhof erinnern“, erzählte Vincenzo Malone, „sie hatte Angst, mich nie wieder zu sehen. Und an die zerriebenen Bohnen mit Nüssen, die wir jeden Tag zu essen bekamen. Am Bauernhof hab ich zum ersten Mal ein Ei gesehen. Als an einem Morgen Schnee auf den Felder lag, dachte ich, es sei Ricotta.“
Christdemokraten und Kirche verhinderten weitgehend Berichte und Erinnerungen über die Rettung der Kinder durch die Kommunisten. Noce starb 1980 ohne Orden, ohne Ehrung, ihr Einsatz war vergessen. Erst in den letzten Jahren versuchten Historiker, diese Aktion aufzuarbeiten, die zwischen 1946 und 1952 Tausenden Kindern das Leben gerettet hatte. Vor wenigen Wochen wurde der Film „Il Treno dei Bambini“ („Ein Zug voller Hoffnung“) vorgestellt, in Erinnerung an Teresa Noce und ihre großartige, humanitäre Hilfsaktion.