Aus Vorgärten wurden Minifarmen in Los Angeles
Leimert Park ist ein eher langweiliges Viertel außerhalb des Stadtzentrums von Los Angeles mit ebenerdigen Einfamilienhäusern und gepflegten Grasflächen vor den Haustüren. Wie am Fließband reihen sich Häuser aneinander auf langen, geradlinigen Straßen. Palmen stehen wie Soldaten entlang des Straßenrands. Fast alle Häuser gleich groß, fast alle mit gleich großen Gärten, etwa eine Autostunde entfernt von den luxuriösen Villen in Santa Monica und Beverly Hills.
Karfiol und Brokkoli
2018 stand der 55-jährige Jamiah Hargins, frühzeitig pensionierter Offizier der US-Armee, mit dem Gartenschlauch auf seinem wunderbar grünen Rasen, als ihm plötzlich ein Gedanke kam: „Wozu brauch ich diese sinnlose Wiese, die ich jeden Tag stundenlang gießen muss?“ Er beschloss, ein Gemüsebeet anzulegen, zimmerte aus alten Kisten, die er vom nahegelegenen Supermarkt holte, schubladenartige Behälter, füllte sie mit Erde und pflanzte Karfiol und Brokkoli. „Es war mühsam zu Beginn, da kam nichts aus der Erde“, erzählte seine Frau Ginnia, „doch er gab nicht auf.“
Zwei Jahre später war Hargins’ Vorgarten eine kleine Farm mit Mangold Gemüse, Karotten, Salat, Gurken, Kartoffel, Brokkoli, Karfiol und Obst. Alles auf 250 Quadratmetern. Der Nachbar schloss sich mit seiner Wiese an. Den Überschuss an frischem Obst und Gemüse verkauften sie an Familien in der Umgebung.
Nachbarn und Bewohner der umliegenden Straßen waren begeistert, baten Hargins um Rat, um ihren Rasen zu bewirtschaften, klopften von früh bis spät an seine Tür, trampelten über die Beete, das Telefon läutete ständig, bis Hargins völlig erschöpft aufgeben und nur noch für sich selbst anbauen wollte. Ein Freund sprang mit einer rettenden Idee ein. Sie gründeten die Crop Swap LA, eine Non-Profit-Gemeinschaft mit Beiträgen für Mitglieder, suchten Sponsoren und bekamen von der Stadt Unterstützung.
Regen-Sammelanlagen
Heute sind manche Gegenden in Leimert Park nicht wiederzuerkennen. Gemüse- und Obstbeete reihen sich aneinander, wo einst Straßen mit langweiligen Grünflächen kaum zu unterscheiden waren. Crop Swap LA beschäftigt fünf Mitarbeiter. Weit über 100 Familien können mit frischen, biologisch gesunden Produkten versorgt werden. Zu unterschiedlichen Preisen – alleinstehende Mütter, Arbeitslose, Behinderte und Pensionisten zahlen weniger. Manche Minifarmer tauschen einfach untereinander ihr Obst und Gemüse. Eine Website bietet Information und Unterstützung für die Neugestaltung unbenutzter Gartenflächen. In einem Testgarten wird mit Regensammelanlagen und verbesserten Nährböden, einer Mischung aus Erde und Abfällen, experimentiert.
Doch Erfolg provoziert auch Kritik. Tradition und Ästhetik der Gegend sei völlig zerstört worden, brachten Kritiker im Stadtrat vor. Sie wurden ruhiger, als Hargins ihnen einen Korb mit frischem Früchten überreichte, aus den Gärten, in denen einst nur Gras wuchs. Hargins versprach Ms Wong, die besonders skeptisch war, Okraschoten anzupflanzen. Ms Wong benötigte diese dringend für die Zubereitung von Gumbo, dem Lieblingsgericht ihrer Familie. In Supermärkten sind sie kaum frisch zu finden.