Tour de France Sieger Gino Bartali rettete Hunderten Verfolgten das Leben, wurde aber erst posthum geehrt.
Gino Bartali gewann dreimal den Giro d’Italia und zweimal die Tour de France – dieses Jahr endet sie am 21. Juli in Nizza. Als Bartali am 31. Juli 1938 in Paris vor Tausenden jubelnden Italienern die Ziellinie überquerte, herrschte in Rom bereits Mussolini.
La Gazzetta dello Sport schrieb: „Der Jubel galt nicht nur dem Sieger der Tour de France, auch der athletischen und moralischen Überlegenheit unserer Rasse.“
Der gläubige Katholik Bartali widmete seinen Sieg nicht Il Duce. Er besuchte am nächsten Tag die Messe und legte den Siegeskranz der Madonna zu Füßen. Mussolini tobte und verbot alle Feierlichkeiten. „Als er in Italien ankam, war nicht einmal eine Katze am Bahnhof zu seiner Begrüßung“, schrieb eine französische Zeitung.
Kurier
Mit dem Beginn des Krieges verpflichtete das Militär Bartali als Fahrrad-Kurier. Nach der Landung der Alliierten in Sizilien im September 1943 besetzten deutsche Truppen Norditalien. Der jüdischen Bevölkerung drohte die Deportation. Bartali schloss sich dem Widerstand an, versteckte die Familie Goldenberg in seiner Wohnung in Florenz. Bei einer Razzia der SS holte er eine ganze Gruppe jüdischer Flüchtlinge in das Fahrradgeschäft seines Cousins Armando und ließ die Rollbaken herunter.
Kardinal Elia Dalla Costa von Florenz war ein wichtiger Koordinator des italienischen Widerstandes. Im Gegensatz zum Vatikan retteten viele katholische Priester Verfolgten das Leben. Costa organisierte Ausweise und Geld für die in den Bergen der Toskana und Umbrien versteckten Juden. Er war Bartalis Priester und bat ihn persönlich, die Dokumente zu den Flüchtlingen zu bringen, meinte scherzend, die Bergtouren seien doch ein gutes Training, und er könne ganz nebenbei auch noch Leben retten.
Bartali verließ früh am Morgen seine Wohnung in Florenz in kurzer Hose und seinem Namen auf dem Rücken des T-Shirts. Seiner Frau sagte er, das Training sei wichtig, um nach dem Krieg wieder Rennen fahren zu können.
An manchen Tagen war Bartali mehr als 500 Kilometer unterwegs, schmuggelte Geld aus Florenz, Dokumente aus Bologna, Fotos aus Rom nach Assisi – dem Fälscherzentrum des Widerstandes. Die Wehrmacht kontrollierte dort kaum. In Assisi hatten nie Juden gelebt. Die rettenden Ausweise und Geld versteckte er unter dem Sattel und im Gestänge des Fahrrads. Unterwegs in den Bergen der Toskana winkten ihm die Carabinieri zu und versicherten den Soldaten der Wehrmacht, dass Bartali ein Nationalheld sei, der in den Bergen trainiere.
Razzia
Einmal überraschte ihn eine Razzia in Terontola. Die SS suchte am Bahnhof nach einer Gruppe jüdischer Flüchtlinge. Bartali schob demonstrativ sein Fahrrad durch die Bahnhofshalle, die Menschen umringten ihn, klatschten und jubelten und er gab Autogramme. In dem Chaos gelang es, die Flüchtlinge in einen Zug zu retten.
Bartalis mutiger Einsatz half etwa 800 Juden zur Flucht. Im Jahr 2000 starb er, vergessen seine Heldentaten. Erst 2005 verlieh ihm der italienische Staatspräsident posthum die goldene Ehrenmedaille. Yad Vashem, die israelische Gedenkstätte, ehrte Bartali im September 2013 mit dem Titel ‚Gerechter unter den Völkern‘.